„Immer kriege ich die dicken Ordner, ich will auch mal die dünnen durchsuchen,“ dachte er und war dankbar für die Klimaanlage die an diesem heißen Tag auf Hochtouren lief.

Die Tür zu seinem Büro öffnete sich und er sah kurz auf. Ingo betrat den Raum, es war sein erster Arbeitstag nach einem dreiwöchigen Urlaub in der Türkei. Ingo war braun gebrannt und sah eigentlich recht erholt aus, trotzdem machte er einen unglücklichen Eindruck.

„Kann ich rein kommen oder wirfst du irgend was nach mir?“, erkundigte er sich zaghaft und sein Blick fiel auf Jonas Wasserflasche die auf seinem Tisch stand.

„Nein, ich werfe nichts,“ antwortete Jonas. Seine Wut auf Ingo war mittlerweile weitgehend verflogen.

„Gut, dann traue ich mich mal ein wenig näher,“ sagte Ingo und Jonas nickte. „Was willst du denn? Mir irgend welche Sachen auf den Tisch legen die ich bearbeiten soll obwohl es deine Aufgabe wäre?“

„Nein, ich wollte fragen wie es dir geht....“, sagte Ingo unsicher.

„Danke, es geht mir wieder gut. Alles in Ordnung!“, antwortete Jonas knapp und Ingo verließ das Büro.

Jonas wusste dass Ingo eigentlich nicht wirklich was für sein Verhalten gekonnt hatte. Dieser Dämon hatte ihn eben doch verletzt. Aber die ganze Sache auf sich beruhen lassen und so tun als sei nichts geschehen wollte Jonas doch nicht.

„Vielleicht können wir ja demnächst Abends nach der Arbeit noch mal in den Biergarten gehen,“ schlug Ingo beim Verlassen des Raums vor und Jonas zögerte einen kurzen Moment eher er nickte. „Ja, das können wir machen!“

Tatsächlich saßen Ingo und Jonas ein paar Tage später in einem Kölner Biergarten. Das Wetter war heiß geblieben und die Meteorologen prophezeiten bereits einen schönen Herbst. 

Allzu viel hatten Jonas und sein Kollege nicht miteinander gesprochen seitdem sie bei einem Bier zusammen saßen, das war früher anders gewesen und er bedauerte diesen Umstand. Ingo schien es ähnlich zu gehen.

„Ich wollte dir noch mal sagen dass es mir leid tut. Ich habe mich wirklich unmöglich aufgeführt nach dieser Sache in München. Ich habe auch im Urlaub in der Türkei darüber nachgedacht und Ute hat mich die ganze Zeit über gefragt was eigentlich los sei!“, sagte Ingo mit einem Mal.

„Was war denn los? Du warst so verändert nach dieser Sache mit den Statuen,“ erkundigte sich Jonas. Er wusste nur das was er von Stefan darüber wusste.

Ingo schien sich nur sehr ungern daran zu erinnern aber dann gab er sich einen Ruck. „Dieser Dämon hat mich angegriffen und er wollte meine Seele haben. Ich hab es genau gespürt.....und dann dachte ich dass ich nur deinetwegen in dieser Lage war. Daran konnte ich auch die nächsten Tage immer nur denken. Und immer wenn ich dich gesehen habe kam das Ganze wieder hoch. Dabei wollte ich doch unbedingt mit kommen....“

„Und jetzt bist du darüber hinweg?“, hackte Jonas nach.

Hatte Stefan nicht behauptet dass dies unmöglich war? Dass Ingo ihm diese ganze Geschichte niemals verzeihen würde?

Ingo zögerte mit einer Antwort. „Ich bin dir nicht mehr böse. Aber daran denken muss ich trotzdem von Zeit zu Zeit. Ich glaube nicht dass ich noch mal mitkomme wenn du....du weißt schon! Aber ich möchte trotzdem mit dir befreundet bleiben und du konntest doch wirklich nichts dafür.“

„Ich will auch dass wir befreundet bleiben,“ antwortete Jonas und reichte Ingo die Hand und dachte an Stefans Worte.

„Stefan hat sich in diesem Punkt geirrt. Vielleicht erholen sich einige Menschen doch von einem Angriff dieser Art. Vielleicht liegt es auch an demjenigen selbst wie er damit umgeht und Stefan kannte die falschen Leute. Und so wie ich ihn einschätze wird er durch seine liebenswerte Art sein übriges dazu getan haben dass sie ihn hassen.....“

Stefan beobachtete das noch immer reich mit Blumen geschmückte Grab auf dem kleinen Friedhof. 

Eine junge Frau hatte sich daran gemacht einige der in der sommerlichen Hitze vertrockneten Blumenkränze und Gestecke wegzuräumen und sie wollte sich offenbar nicht auf die Friedhofsgärtner verlassen damit diese es taten.

Anstelle der vertrockneten Kränze stellte sie im Anschluss eine Schale mit roten und weißen Rosen auf das frische Grab.

„Sie sieht ihr sehr ähnlich,“ dachte Stefan. „Wahrscheinlich ist es eine Verwandte!“

Nun war die junge Frau fertig mit der Grabpflege und sie setzte sich ein wenig erschöpft auf eine Bank im Schatten und sah traurig auf das Grab das noch von einem schlichten Holzkreuz geschmückt wurde. Sicherlich würde ein Grabstein erst in ein paar Tagen folgen.

Stefan setzte sich nach kurzem Zögern zu der jungen Frau auf die Bank. „Eine Angehörige von Ihnen?“, erkundigte er sich.

Sie nickte traurig. „Ja, meine Schwester Monika. Sie war erst dreiundzwanzig, drei Jahre jünger als ich. Sie hatte einen Unfall.....“

„Das tut mir leid,“ antwortete Stefan. Also hielt man die ganze Sache für einen Unfall, so wie er es erwartet hatte. Und ihr Vorname war also Monika gewesen.....“

„Sie ist gestolpert und hat sich das Genick gebrochen. So schnell kann es gehen. Das hat jedenfalls die Polizei gesagt. Aber ich bin da nicht so sicher. Denn in ihrer Nähe lag eine zerbrochene Statue. Vielleicht hat sie ja die Randalierer beobachtet und einer von ihnen hat sie gestoßen! Aber die Polizei meinte so sei es nicht gewesen, da wären sie sich eigentlich sehr sicher.....“, sagte die junge Frau und wandte sich nun direkt an Stefan. „Haben Sie auch einen Angehörigen verloren?“

„Ja,“ log er sie an. „Ich war am Grab meines Onkels, der liegt da hinten, drei Reihen weiter! Aber er war sehr alt!“

„Meine Schwester war nicht alt. Ich habe mich gerade um die Kränze gekümmert und versucht ihr Grab ein wenig hübscher zu machen. Meine Eltern können das nicht, sie sind noch zu fertig wegen Monikas Tod. Und ihr Freund konnte es auch nicht. Die beiden wollten bald zusammen ziehen,“ sagte die Schwester der toten jungen Frau traurig. 

Offenbar tat es ihr gut mit jemandem zu sprechen.

„Ich muss jetzt gehen,“ sagte Stefan und verabschiedete sich. Die junge Frau lächelte ihn an. „Tut mir leid wenn ich Ihnen mit meinem Gerede auf die Nerven gegangen bin. Aber ich habe sonst auch niemanden, meine Mutter weint jedes Mal wenn ich über Monika spreche und mein Vater vergräbt sich in seinem Garten und versucht sich dort abzulenken.“

„Sie sind mir nicht auf die Nerven gegangen,“ antwortete Stefan leise ehe er davon ging.

Dämonische StatuenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt