Kapitel 92 - Samu

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Elena sah mich angespannt an, nickte dann aber doch und holte einige Male tief Luft. Nach allem war das natürlich nicht sonderlich einfühlsam oder ein guter Zeitpunkt dafür, aber mir brannte das Thema unter den Nägeln. "Also ... Shit, ich weiß nicht, wie man sowas anfängt. Ich hab sowas noch nie gemacht", fuhr sie sich durch die Haare. Was meinte sie denn jetzt damit? "Du ... wenn das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, musst du nicht", versuchte ich sie rasch zu unterbrechen und ihr dieses sichtliche Unwohlsein zu nehmen. Vielleicht war es wohl doch etwas plump und unwirsch sie in dieser Situation darauf anzusprechen. "Doch, Samu ich will dir nichts verschweigen, du gehörst jetzt zu meinem Leben und daran will ich dich auch teilhaben lassen. Das ist in Ordnung", lächelte sie und strich mir über den Arm, als sie aufs neue begann zu erzählen. "Bevor ich nach Berlin gezogen bin, letztes Jahr im Sommer, habe ich in München gewohnt, mit meinem Verlobten", unterbrach sie ihre Erzählung kurz, doch bei dem Wort Verlobten setzte bei mir alles aus. Sie war verlobt? Was? "Er heißt Marc und wir waren zusammen, seit ich 16 war. Also etwa zehn Jahre. Er war mein erster fester Freund und wir haben natürlich viel zusammen durchgemacht. Seit unserem ersten Treffen war ich unsterblich in ihn verliebt und ich war es vermutlich noch bis letzten Sommer. Wir waren immer nah beieinander, haben uns gegenseitig während des Studiums unterstützt, aber naja, ich habe immer viel mehr in diese Beziehung investiert. Marc hat mich nie schlecht behandelt oder war ein schlechter Freund, aber ich hab eben viel für ihn aufgegeben. Bin dann eben auch mit ihm nach München gezogen, als er seinen Traumjob dort bekam. Ich war nicht unglücklich mit ihm, überhaupt nicht, aber ich war mit mir selbst unglücklich. Ich hatte kaum Kontakt zu Leuten in München, mein Job war scheiße, mir gefiel es auch nicht so wirklich dort. Aber Marc war da und ich glaube ich hätte niemals was geändert, wenn ich nicht dieses Angebot aus Berlin bekommen hätte. Ich war mehr als zwiegespalten, ich liebte Marc schon noch, aber ich wollte auch mein eigenes Leben mal auf die Reihe bekommen. Das war ein einziges Chaos in mir und ich habe mich für Berlin und gegen Marc entschieden, obwohl ich ihn noch liebte. Ich weiß, dass sich das unlogisch anhört. Es hat gedauert, bis ich mir so wirklich über meine wahren Gefühle im Klaren wurde, es hat so lange gedauert, bis du das erste Mal bei mir warst. Ich habe mich bei dir direkt wohl gefühlt und deine Nähe wahnsinnig genossen, aber in mir war es immer so ein hin und her. Immer wieder hab ich an ihn gedacht und dabei wurde mir immer bewusster, warum ich von Marc weggegangen bin und das es die richtige Entscheidung war. Das Jobangebot war nur der Anstoß, doch letztlich waren es viele Kleinigkeiten, die ich an unserer Beziehung nicht mehr ertragen konnte. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann weiß ich, dass es vielleicht sogar die beste Entscheidung meines Lebens war, weil WIR uns sonst niemals kennen gelernt hätten und ich will nichts und niemand anderen als dich", bleib sie schließlich stehen und lächelte mich an. Ich war gerade etwas sprachlos. Einerseits war ich natürlich glücklich, sie bei mir zu haben und somit auch, dass sie nach Berlin gegangen war, aber andererseits hatte sie ihren Verlobten wegen eines Jobs verlassen? Ja vielleicht war sie mit ihrem Job oder so nicht glücklich, aber wer verlässt denn eine Person, die man noch liebt? Das machte doch alles gar keinen Sinn. "Samu?", fragte sie unsicher, als ich sie in Gedanken anstarrte. "Ja?" - "Würdest du vielleicht irgendetwas dazu sagen?", bat sie mich. "Wow, also ich weiß nicht wirklich was ich sagen soll. Du warst verlobt?", brachte ich nur heraus. "Ja, ist das alles, was hängen geblieben ist?", sah sie mich etwas entnervt an. "Nein. Aber warum hast du ihn verlassen, wenn du ihn noch geliebt hast? Das ist doch unlogisch. Das kapier ich nicht", zog ich eine Augenbraue hoch. "Weißt du wie es ist, wenn man immer alles in einer Beziehung gibt? Sich was romantisches ausdenkt, Kleinigkeiten macht, aber auch große Dinge, wie beispielsweise ein tolles Angebot aufgibt um in der Nähe zu bleiben, oder wenn man dann genau das selbst bei der anderen Person zulässt und nicht mal ein 'Danke' bekommt. Ich habe mich wirklich für Marc verbogen. Immer und immer wieder. Ich wollte, dass das funktioniert, er auch, aber er hat nichts dafür gemacht. Es ist ja ohne sein Zutun immer gelaufen. Ich hab mich immer seinen Bedürfnissen hinten angestellt, weil ich ihn geliebt habe und ihn glücklich machen wollte, aber wenn man nie etwas zurückbekommt, dann hält man das irgendwann nicht mehr aus. Ich habe meine Freiheit vermisst, so sein zu können wer ich bin und was ich gerne wäre. Und ja da waren noch Gefühle für Marc, aber es hätte sich nichts geändert. Ich hätte ihn geheiratet, hätte ein paar Kinder mit ihm bekommen und wäre doch schon ziemlich einsam an seiner Seite in München versauert. Ich bin noch jung und ich wollte mein Leben nicht für jemand anderen leben, sondern auch für mich. Verstehst du?", sah sie mich mit großen Augen an. Ihre Ehrlichkeit tat unfassbar gut und so langsam verstand ich, warum sie so gehandelt hatte. Auch ich hatte in die Beziehung zu Vivi viel mehr investiert, als sie es tat und um ehrlich zu sein, hätte sie es nicht beendet, wäre es zumindest zeitnah von meiner Seite dazu gekommen, auch wenn ich noch etwas für sie empfand und ich mir ein Leben ohne sie zu dem Zeitpunkt nicht wirklich vorstellen konnte. Es tut weh alles für eine Beziehung zu geben und nichts zurückzubekommen, da konnte ich Elena wirklich nachvollziehen. "Ja, ja du hast recht. Das macht alles Sinn, aber wow, das ist doch ein großer Schritt alles so hinter sich zu lassen oder?" - "Klar, aber wenn man sein Leben nicht selbst manchmal in die Hand nimmt, dann ändert sich nichts. Ein anderer wird das nicht für einen übernehmen", zuckte sie mit den Schultern. Meine Güte war diese Frau stark und beeindruckend. "Danke, dass du mir das alles erzählt hast. Und ich bin wirklich unendlich froh, dass du dich für Berlin entschieden hast, auch wenn mir dieser Marc ziemlich leid tut, dass er eine so tolle Frau wie dich verloren hat", zog ich sie in meine Arme. "Ich liebe dich", nuschelte ich in ihr Haar. "Ich dich auch", sah sie zu mir hoch, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste mich sanft. Ich war wirklich froh, dass sie mir das alles erzählt hatte, auch wenn ich wirklich nicht damit gerechnet hatte, so eine Geschichte zu hören. Beim besten Willen nicht! Sie hatte bisher erst einen Freund? Das konnte ich mir gar nicht vorstellen, so lange war ich noch mit niemandem zusammen. Hatte sie dann auch nur mit ihm zuvor Sex gehabt? Niemals! Oder?

Beautiful Lifesaver | Samu & Elena (Teil 1)Where stories live. Discover now