Prolog - Elena

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*Juli 2015*

Da lag es nun vor mir, dieses Angebot, dieses unglaublich fantastische Angebot, doch was nun? Das feste Papier mit der schönen Prägung am oberen Rand, jeder Absatz, jedes Wort, jeder Satz, alles war stringent und einwandfrei. Immer und immer wieder ging ich die Zeilen Stück für Stück entlang um vielleicht doch einen Makel, eine Ungereimtheit, etwas Schlechtes daran zu entdecken, aber es schien vergebens. Schon immer träumte ich davon, doch nun war es wie ein schlechter Film, der gerade an mir vorbeirauschte. Ich wollte das alles so unbedingt, aber gleichzeitig hasste ich es so sehr. Verzweifelt lehnte ich mich in den bequemen Stuhl zurück und krallte mich an den hölzernen Esstisch, den wir uns erst vor kurzem angeschafft hatten. Warum jetzt? Ich schaute durch die helle, aufgeräumte, aber doch gemütliche Wohnung. Es war gerade einmal ein knappes Jahr, das ich mit Marc zusammen lebte und ebenso waren es nur einige Monate seit dem wir uns verlobt hatten. Seit der Oberstufe kannten, und liebten wir uns, waren immer glücklich miteinander, es war perfekt, alles war perfekt. Ein Einser-Abitur, das Jura Studium, das erste Examen und dann das Zweite mit Prädikat, dann sofort in den Job hier in München, es war immer einfach, geordnet, also schlicht makellos. Wieder schaute ich auf den Tisch, auf das Papier. Es war ein Wunschtraum, doch es passte nicht in den Plan, es würde alles verändern, alles auf den Kopf stellen. Mein Leben war eigentlich eine gerade Linie, ohne besondere Vorkommnisse, ohne Schlenker, ja, vielleicht etwas langweilig, aber ich war zufrieden, mit dem was ich war und mit dem was ich hatte. Wenn ich das Angebot annehmen würde, was dann? Ich wollte es unbedingt aber ich konnte es nicht, ich liebte Marc, ich liebte das wir zusammen lebten, ich mochte München und auch der Job war in Ordnung. Das konnte ich nicht alles von heute auf morgen wegwerfen und eine Lösung sah ich beim besten Willen nicht. Niedergeschlagen stützte ich mein Kopf in die Hände, kniff die Augen zu und dachte nach, bis eine sanfte, warme Hand auf meinem Rücken ruhte und ein zärtlicher Kuss auf meine Wange gehaucht wurde. "Na, über was grübelst du denn gerade mein Schatz", flüsterte mir Marc ins Ohr und gab mir einen erneuten Kuss auf die Wange, woraufhin ich leicht aufschreckte, ihm nur die Blätter zuschob und angespannt in seine dunkelbraunen Augen starrte. Von Satz zu Satz verengten sich diese und kritisch runzelte er die Stirn, bis er mich fragend ansah "Berlin?" Beschämt biss ich mir auf die Unterlippe, schaute zu Boden und nickte leicht. Diese Kanzlei wollte mich, ohne Bewerbung, ohne Vorstellungsgespräch, bisher hatte ich mich auf einem Empfang nur mit dem Chef, Herrn Mertens, unterhalten, was wohl offenbar genügte. Ich musste nur noch unterschreiben, meine Koffer packen und nach Berlin ziehen, aber genau letzteres war das Problem. Konnte und wollte ich hier alles aufgeben für einen Job?

Beautiful Lifesaver | Samu & Elena (Teil 1)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum