Kapitel 62 - Elena

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Auch wenn Samu und ich uns etwas ausgesprochen hatten und er mir versucht hatte zu erklären warum er so komisch war, hatte ich immer noch das Gefühl, dass ihm etwas auf dem Herzen lag, aber solange er es nicht ansprechen wollte, beließ ich es dabei. Nachdem er mir ebenso versicherte, nichts weggelassen zu haben und auch nichts zu seiner Aussage am Anfang hinzufügen zu müssen, reichte ich sofort Klage ein. Eigentlich dachte ich, dieser Fall würde nicht so weit kommen, aber da hatte ich mich wohl getäuscht. Solange, bis dieser ganze Mist durch war, mussten Samu und ich wohl noch etwas das Versteckspiel aufrecht erhalten.

Jeden Abend erzählte er mir von seinen Tour-Vorbereitungen und von den ein oder anderen Malheurs, die schon passiert waren. Die Vorfreude auf die Konzerte war wohl sagenhaft, er schwärmte richtig von diesem Erlebnis, was mich ebenso glücklich machte. Auch wenn ich mich jeden Abend auf diese Telefonate freute, vermisste ich ihn unheimlich. Seine Küsse, seine Berührungen und einfach seine Nähe fehlten mir unglaublich. Samu war auch ganz sehnsüchtig, aber war trotzdem so voller Zuversicht, was mich immerzu ansteckte, auch wenn das Warten auf ein erneutes Treffen mich beinahe umbrachte.

Freitags machte ich etwas früher Schluss und fuhr zum Flughafen um nach dem letzten aufregenden Wochenende nach Hause zu fliegen. Ich wusste nicht genau, was mich dort erwartete, aber irgendwie freute ich mich darauf wieder in die Heimat zurückzukommen. Am Flughafen warteten auch schon meine Mutter und mein kleiner Bruder, die mich liebevoll in den Arm nahmen. "Wie geht's?", raunte ich Jannis ins Ohr. "Geht, können wir später besprechen", flüsterte er zurück, bevor wir ins Auto einstiegen und nach Hause fuhren. Die Stimmung war ziemlich angespannt und so wirklich diese Stille durchbrechen wollte ich erstmal nicht. "Elli, meine Große, schön dich zu sehen", kam mein Vater freudestrahlend auf mich zu und umarmte mich lange. Wohnten die beide etwa noch gemeinsam, waren aber getrennt. Ich verstand gerade nur Bahnhof. "Papa, ich freu mich auch", gab ich irritiert zurück. "Na, dann komm erstmal rein, Mama hat schon was zu essen vorbereitet", sagte er, nahm meine kleine Tasche und ging ins Haus. Was war hier denn los? Immer noch ziemlich irritiert setzt ich mich an den Wohnzimmertisch, der schon gedeckt war, als meine Mutter mit dem Essen aus der Küche kam. "Was ist hier los? Kann mich mal jemand aufklären", zog ich eine Augenbraue hoch. "Wollen wir nicht erstmal etwas essen?", sagte meine Mutter schnell. "Nein, was ist das hier? Ich dachte ihr seid getrennt?", wurde ich etwas sauer. "Es ist nicht so einfach meine Süße, deine Mutter und ich haben uns dazu entschieden getrennte Wege zu gehen, ja, aber fürs erste wohnen wir noch beieinander. Es ist für den Übergang und das ist ja auch nicht schlecht, wir hassen uns doch auch nicht. Wir hatten eine wunderbare Zeit miteinander, haben tolle Kinder, aber irgendwann ist unsere Zeit wohl abgelaufen gewesen. Da waren wir vielleicht selbst etwas Schuld, aber das ist kein Grund nicht mehr beisammen zu sitzen, zu essen, zu lachen, oder?", sprach mein Vater ganz ruhig. "Das ist ja auch alles schön und gut und ich versteh es auch bedingt, aber ihr könnt doch hier nicht getrennt zusammenwohnen, vielleicht irgendwann neue Partner mit nach Hause bringen, was lebt ihr denn hier vor? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jannis damit glücklich ist. Dieses Wirrwarr begreife doch selbst ich nicht. Ja man kann sich verstehen, aber einfach so weiter machen und irgendwie doch nicht, das ist doch nichts Halbes und nichts Ganzes. Ihr müsst da einen Schlussstrich ziehen, es tut mir leid, dass ich euch das so sagen muss, und natürlich finde ich es nicht gut, aber wenn ihr die Trennung ernst meint, dann muss es aber auch wirklich eine Trennung sein, sonst macht ihr es für uns nur noch schwerer", sah ich die beiden fassungslos an, bevor ich zu Jannis rüber sah, der nur den Kopf hängen ließ. "Elli, das ist aber doch nicht so einfach ...", begann meine Mutter. "Natürlich ist es das nicht. Aber was ihr hier veranstaltet ist falsch, bei aller Liebe, das geht nicht", unterbrach ich sie sofort. Schweigend sahen meine Eltern auf ihre noch leeren Teller. "Besprecht das bitte! Ich brauche frische Luft. Jannis?", schaute ich ihn fragend an, woraufhin er aufstand und mit mir durch die anbrechende Nacht lief. "Danke", flüsterte er plötzlich. "Für was denn?", fragte ich und zog ihn an mich. Mittlerweile war er einen Kopf größer als ich, obwohl er zehn Jahre jünger war, aber trotzdem würde er immer mein süßer kleiner Bruder bleiben. "Dass du den beiden das gesagt hast. Ich finde es echt scheiße, dass sie sich getrennt haben, aber dass sie einfach so weitergemacht haben war noch viel schlimmer. Die ganze Woche war der pure Horror, ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich hab mich auch nicht getraut ihnen das zu sagen. Und danke, dass du gekommen bist. Hab dich ganz schön vermisst", kratzte er sich am Hinterkopf. "Das weiß ich doch, ich hab dich auch vermisst. In letzter Zeit hab ich aber immer so viel um die Ohren, aber vielleicht kannst du mich in den Osterferien mal besuchen. Alina kann auch gerne mitkommen." - "Ich frage sie mal, aber das wäre echt cool", grinste er endlich wieder. Später liefen wir wieder Heim, wo meine Eltern weiterhin am Wohnzimmertisch saßen und miteinander sprachen. "Kommt doch", bat uns unser Vater an den Tisch, "Du hast recht Elena, wir haben uns das Ganze zu einfach gemacht und gar nicht an euch gedacht, das tut uns leid. Ich werde morgen meine Sachen packen und mir für den Übergang ein Zimmer nehmen. Christine wird hier bleiben, im Haus, mit dir Jannis, wenn das so ok ist. Wir wollten euch nicht verletzten dadurch, sondern waren in diesem Moment einfach etwas egoistisch, vielleicht", griff er nach den Händen meines Bruders und meinen. Sofort schossen mir die Tränen in die Augen. Das war nun wohl endgültig. Nachdem wir noch etwas miteinander sprachen ging ich in mein altes Zimmer und warf mich ins Bett. Mein Kopf explodierte ob der ganzen Eindrücke von diesem Abend. Ich holte mein Handy heraus und schrieb Anna, Jessica und schließlich auch Samu eine Nachricht. Mit den beiden Mädels verabredete ich mich für den nächsten Abend. Samu spielte heute sein erstes Konzert, weswegen ich versuchte so lange wie möglich wach zu bleiben, um seine Antwort zu lesen, doch schon nach einigen Minuten fielen mir die Augen zu.

Beautiful Lifesaver | Samu & Elena (Teil 1)Where stories live. Discover now