Kapitel 5 - Elena

828 28 0
                                    

Schon der nächste Tag war vollgepackt mit Briefings, Terminen und Aktenstudium. Es machte mir richtig Spaß wieder etwas sinnvolles zu arbeiten, mal wieder ordentlich zu arbeiten. Paul mutete mir viel zu und ich war so froh darüber, sein vollstes Vertrauen bereits jetzt zu haben.

Die Zeit verging im Flug, mittlerweile arbeitete ich schon über ein halbes Jahr in Berlin und ich bereute es keine Sekunde. Die Stadt, die Menschen, die Arbeit, ich fühlte mich richtig und gebraucht. Mit Marc, seinen Eltern, und meiner Familie hatte ich schon viel telefoniert und obwohl sie mich nicht verstanden erhielt ich von allen Unterstützung, selbst von Marc, was mir mehr und mehr den Rücken stärkte. Über Weihnachten war ich bei meinen Eltern, die mir wie immer beipflichteten, auch wenn sie sich sichtlich Sorgen um mich machten. Ich vermisste nichts an meinem alten Leben, sondern war einfach nur glücklich. Über eine Wohnungsvermittlung hatte ich schließlich auch eine schicke, kleine Altbauwohnung ergattern können, die schon jetzt ein richtiges Zuhause für mich war. Diese wiedergewonnene Freiheit fühlte sich einfach gut an.

„Elena, ich habe hier was wirklich richtig Nettes für dich", triumphierte Sylvia, meine Sekretärin, im Türrahmen stehend. „Ich habe wirklich viel zu tun, ist es dringend?", gab ich vollkommen vertieft in die Akte, in welche ich mich gerade einarbeitete, zurück. „Oh ja, Herr Mertens meinte, dass du genau die Richtige dafür wärst und ganz ehrlich, ich finde es auch, vor allem weil ich mich besonders gerne um unsere Klienten kümmere", säuselte sie, während sie fast tänzelnd durch die Tür zum Schreibtisch hinüberging. Ich sah verwirrt auf. Sylvia war ein spezieller Fall, dafür kannte ich sie gut genug, aber ihre Arbeit war immer einwandfrei, doch so hatte selbst ich sie in der kurzen Zeit, in der sie nun schon für mich arbeitete, gesehen. Mit einem breiten Grinsen legte sie eine handschriftliche Notiz auf den Tisch, lehnte sich zurück, als würde sie für ein Bild posieren und wartete bis ich sie gelesen hatte. „Ja und?", ich war etwas genervt, da ich nicht verstand, was der ganze Unfug sollte. „Du hast schon gelesen, was da drauf steht? Und vor allem welcher Name?", gab Sylvia ganz entrüstet zurück. Nickend, zog ich eine Augenbraue hoch „Ein Fall wie jeder andere, dieser Kerl will nicht, dass diese Zeitschrift unwahre Dinge veröffentlicht. Verständlich, aber nicht ungewöhnlich." - „'Dieser Kerl'? Wirklich? Das ist Samu Haber, der Sänger von Sunrise Avenue. Den musst du doch kennen und dich vor allem etwas mehr darauf freuen. Der Typ ist ja wohl ein richtiges Schnuckelchen!", echauffierte sich Sylvia, während sie immer schneller und aufgeregter wurde. Ziemlich verwirrt und fragend saß ich nun reglos in meinem Schreibtischstuhl, bis Sylvias Blick mich traf und sie erstaunt meinte „Du kennst den wirklich nicht, oder?" - „Nein, offenbar ist das an mir vorbeigegangen. Die Band sagt mir was, aber das wars schon. Haben er, oder sein Manager, denn schon einen Termin ausgemacht?", ich wollte schnell das wichtigste abklären und eigentlich nur das Gespräch beenden um meiner Arbeit nach zu gehen. Für diesen Small-Talk hatte ich weiß Gott keine Zeit und außerdem wollte ich heute ausnahmsweise früher aus dem Büro. Die letzten Tage wurde es schon mal zehn Uhr und später. Doch langsam sah ich zumindest ein Ende der Aktenberge und freute mich einige Fälle auch mal abschließen zu können. „Ehm, ja, ich ... wow ich komme darauf gerade nicht klar. Er kommt übermorgen persönlich vorbei", stotterte Sylvia während von Wort zu Wort ihr Aufregung hörbar stieg. „Sehr gut, wenn ich dann darüber ein paar Informationen mehr erhalten könnte wäre das wirklich super, aber ich muss jetzt weiter machen", tat ich die Sache schnell ab. Sylvia schaute ziemlich verdutzt. Ich kannte diesen Blick, ich hatte schon einige bekanntere Mandanten und jedes Mal war sie aufgeregt und wollte mich damit anstecken, doch für mich war das nur zweitrangig. Ich wollte den Menschen helfen, eben als Mensch und nicht als Promi. „Alles klar, ich kümmere mich drum. Und wenn du ihn siehst, verstehst du mich auch!", zwinkerte sie mir zu und verließ das Büro. Ich musste schmunzeln, so hatte ich sie nun wirklich noch nicht erlebt. Kopfschüttelnd widmete ich mich meinen Akten und überlegte, wer wohl am Donnerstag in mein Büro kommen würde.

Sylvia hüpfte schon unbändig durch die Kanzlei und auch andere der Anwaltsgehilfinnen waren aufgeregt. Ich war auf solche Fälle spezialisiert drum hatte sie schon öfter ein paar bekanntere Leute empfangen, doch musste dieser Samu Haber gegenüber der Damenwelt einige Erregung auslösen. Am Morgen stand Paul in der Tür und schaute mich verschmitzt an „Na, aufgeregt? Empfängst ja heute hohen Besuch." - „Ich weiß nicht, wo ich war in den letzten Jahren, aber dieser Hype muss mir wirklich entgangen sein. Ich meine, es ist ja schön, dass sich solche Persönlichkeiten an unsere Kanzlei wenden, aber ganz ehrlich, Paul, dieser Fall ist meiner Meinung nach innerhalb von zwei Schriftsätzen abgehandelt, wenn wir überhaupt was machen können", gab ich zurück und schaute ihm tief in seine schönen dunkelbraunen Augen. Lachend kam er näher zum Schreibtisch und beugte sich zu mir hinüber „Du bist wirklich der Wahnsinn. Naja, ich dachte, bei dir wäre er am besten aufgehoben, du bist mit Abstand die beste Anwältin auf dem Gebiet, die wir zu bieten haben." Ich lief etwas rot an.

Um 14 Uhr war der Termin angesetzt und pünktlich bekam ich einen heiseren Anruf von Sylvia. „Er ... ist ... da!", tönte es durch den Hörer und ich musste mir ein lautes Lachen verkneifen. „Schicke ihn doch bitte herein und bringe noch eine Flasche Wasser und wenn er mag einen Kaffee", sagte ich rasch.

Ich hörte ein lautes, aber auch sanftes Klopfen an der Tür, woraufhin sich diese öffnete und ein großer, muskulöser, blonder Mann mit durchdringenden blauen Augen in mein Büro hineintrat. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Er trug ein dunkelblaues Hemd und eine graue Jeans, was ihm wirklich gut stand. Nun wusste ich, was Sylvia meinte. Samu Haber war ein wahrer Augenschmaus, das konnte ich nicht leugnen, ein echter Frauenschwarm. Als Musiker war das sicher von Vorteil. Mit einem Lächeln ging ich mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, „Guten Tag, schön sie zu sehen Herr Haber. Mein Name ist Elena Andersen. Nehmen sie doch bitte Platz." Ich deutete auf das Sofa, schaute ihm dabei aber in die Augen, welche eine leichte Verwirrung ausstrahlten. In einem gebrochenen Deutsch antwortete er: „Hallo, ja ... ich freue mich auch."

Beautiful Lifesaver | Samu & Elena (Teil 1)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum