Kapitel 1 - Elena

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"Das geht nicht", sagte er entschlossen, schlug das Papier auf den Tisch und stand auf. "Baby, das ist mein Traumjob, alles was ich schon immer wollte, der Grund warum ich dieses scheiß Studium durchgezogen hab ..." - "Wir leben in München, hier ist jetzt unser Lebensmittelpunkt und das haben wir gemeinsam entschieden. Elena, wir sind verlobt, ich will dich heiraten, mit dir Kinder bekommen, mit dir alt werden, das kannst du nicht wegschmeißen für einen scheiß Job. Oder wie hast du dir das vorgestellt?", unterbrach er mich sofort. "Ja, ich weiß", musste ich geknickt zugeben. "Gut, dann wäre das entschieden", tat er die Sache ab und lief in die Küche. Es war gar nichts entschieden, ja ich war glücklich mit ihm, mit dieser Stadt, aber mein Job, der Teil meines Lebens, der eine so immense Bedeutung hat, der war nichts auf Dauer. Eigentlich hatte ich ihn nur, damit ich irgendeinen Job hatte, während Marc schon längst als hohes Tier bei BMW eingestiegen war, was sein Traumjob war. Ich tat immer alles für ihn, für uns, irgendwann war auch meine Zeit gekommen und dieses Angebot gab mir genau das, was ich mir erträumt hatte. "Marc, es ist gar nichts entschieden", brach es förmlich aus mir heraus, wobei er sich erschrocken umdrehte. "Ich stand dir immer zu Seite, bei all deinen Entscheidungen. Bin extra in deiner Nähe geblieben, immer, auch wenn ich deutlich andere und bessere Möglichkeiten gehabt hätte um zu studieren. Hab dich bei deiner Doktorarbeit unterstützt und bin auch da während des Referendariats bei dir geblieben. Hier nach München, bin ich wegen dir, weil ich wollte, dass du diese Stelle bei BMW bekommst, weil es dir wichtig war. Ich hab mich immer und immer wieder für dich verbogen, mich dir angepasst und du tust dieses sagenhafte Angebot mit einem 'dann wäre das entschieden' ab? Irgendwann bin ich auch mal an der Reihe und verdammt ich will, dass wir das zumindest mal sachlich diskutieren können", redete ich mich vollkommen in Rage. "Das ist aber indiskutabel, ich gehe nicht nach Berlin und wenn du unbedingt diesen Job willst, dann sehe ich keine Zukunft für uns. Ist es das was du willst?", stütze er seine Hände in die Hüfte und sah mich fordernd an. "Ich weiß es nicht", sagte ich nur kleinlaut und ließ mich zurück auf den Stuhl fallen.

Mit einem großen Schritt kam er auf mich zu, nahm meine Hände in seine und sah mich eindringlich an "Liebst du mich?" - "Ja, natürlich", sagte ich schnell. "Willst du mich heiraten und den Rest deines Lebens mit mir an deiner Seite verbringen?" - "Ja, mein Gott", biss ich mir auf die Lippen und kleine Tränen bildeten sich in meinen Augenwinkeln. "Dann musst du hier bleiben, weil ich hier nicht weg gehen kann, nicht jetzt", sagte er nun scharf, wobei sich bei mir alles zusammenzog. Ich liebte Marc über alles, wir verstanden uns blind, aber irgendwie war ich wie gefangen in diesem Leben mit ihm. Ja, ich war glücklich, aber als ich so darüber nachdachte, spielte mein gesamtes Leben nur nach Marcs Pfeife, seit wir uns kannten. War es wirklich das was ich wollte? Wollte ich mein Leben mit einem Mann verbringen, dem nur sein eigener Erfolg wichtig war und ich eben so als nettes Anhängsel nebenher lief? "Marc, liebst du mich denn?", fragte ich schüchtern. "Aber ja, natürlich, Elena, ich liebe dich über alles", streichelte er zart über meine Wange. "Bist du glücklich mit mir?" - "Wieso fragst du jetzt so was. Klar bin ich glücklich, ich habe alles, was ich jemals wollte, wir haben alles, was wir uns immer gewünscht haben, wie könnte ich da unglücklich sein." - "Ja ich weiß, dass du alles hast, dein Studium, dein Abschluss, deine Titel, dein Beruf, deine Wohnung, dein Auto, deine Verlobte. Du hast wirklich alles, was du dir gewünscht hast. Aber bist du mit MIR glücklich? Ich bin es nicht. Mit uns, keine Frage, ja, aber mein Job, meine Freunde, Marc ich hab viel für dich aufgegeben, ich will endlich wieder ich sein und mich frei fühlen, glücklich sein, mit dem was ich tue und auch stolz darauf sein. Ich habe studiert um später was zu erreichen und Spaß in meinem Beruf zu haben und den habe ich hier nicht. Dieser Job in Berlin, der würde mich erfüllen, der würde mich glücklich machen. Ich weiß nicht, ob es mir gefallen würde, die Stadt, die Menschen, einfach alles, aber Marc, das werde ich so nicht herausfinden können, ich will einfach wieder glücklich sein, mit dem was ich tue und ich glaube ich kann das hier in München nicht", sagte ich ganz ruhig, wobei sein Ausdruck von Wort zu Wort trauriger wurde. "Heißt das, du hast dich schon entschieden?", fragte er unsicher. "Ja ... Nein ... ich weiß es nicht", stottert ich und raufte mir dabei die Haare. Ohne ein weiteres Wort stand er auf und verließ die Wohnung wieder. "Marc!", rief ich noch hinterher, aber das war wohl zwecklos. Nun saß ich da wieder, alleine mit mir selbst und diesem Vertrag. Dieses Mal waren nicht Herz und Kopf die Gegenspieler, hierbei rebellierte mein gesamter Körper. Ich wollte den Job, die Aufgaben, neue Leute, neue Perspektiven, auf der anderen Seite wollte ich Marc, schließlich liebte ich ihn doch.

Bis zum Abend grübelte ich über den Papieren, aber es gab keine akzeptable Lösung, es gab nur ein entweder oder. Als ich den Schlüssel im Schloss hörte sprang ich aufgeregt auf und schaute sofort in Marcs zerknirschtes Gesicht. "Wo warst du?", fragte ich besorgt. "Elena, sei ehrlich, willst du mich wirklich heiraten? Willst du wirklich ein Leben lang mit mir zusammen sein? Willst du mit mir Kinder bekommen? Willst du mit mir alt werden? Und ...", er schluckte einmal und atmete tief durch bevor er mich eindringlich ansah "Liebst du mich wirklich, oder ist es nur noch Gewohnheit?" Seine letzten Worte waren wie ein Schlag vor den Kopf. Noch am selben Morgen, bevor ich den Brief geöffnet hatte, wäre meine Antwort auf all diese Fragen ein klares 'JA' gewesen, aber dieses Angebot brachte mich zum Nachdenken und ich begann an all meinen bisherigen Entscheidungen zu zweifeln. "Elena?", fragte er und sah mich mit seinen traurigen Augen an. "Ich ... ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich kann dir diese Fragen gerade nicht beantworten, vielleicht muss ich einfach eine Nacht darüber schlafen, im Moment hab ich keinen klaren Kopf. Es tut mir leid", biss ich meine Zähne zusammen, lief in unser Schlafzimmer und packte ein paar Sachen zusammen, bevor ich aus der Tür ging und in das nächstbeste Hotel eincheckte. Ich brauchte jetzt diesen Abstand um mir darüber bewusst zu werden, was ich nun wollte und fühlte. Meine Gedanken und Gefühle waren das pure Chaos, das musste ich erst wieder entwirren, bevor ich Marc gegenübertreten konnte und ihn verletzte. Sofort wählte ich Annas Nummer, sie wusste immer irgendeinen Rat, oder zumindest könnte sie mir etwas beistehen.

"Hey, was rufst du denn noch so spät an meine Liebe, ist alles in Ordnung?", klang sie bereits etwas besorgt. "Ach Anna, wo soll ich anfangen?", begann ich und erzählte ihr alles bis ins kleinste Detail. "Bist du noch glücklich mit Marc?", fragte sie schließlich. "Ich weiß es nicht. Ja schon, ich liebe ihn, an meinen Gefühlen hat sich seit zehn Jahren nichts geändert, aber ich kann dir nicht sagen ob ich mit ihm glücklich bin. Ich fühle mich wohl bei ihm, geborgen, gut behandelt, er ist immer noch so liebevoll und zuvorkommend, wie immer eben. Aber ob ich glücklich damit bin? Vielleicht", raufte ich mir erneut die Haare. Alles in mir war ungeordnet und wirr, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, drum konnte ich diese Frage nicht deutlicher beantworten. Normalerweise hatte ich mit der richtigen Wortwahl keine Probleme, aber ich weiß nicht was es genau war, das Angebot selbst, wie Marc reagierte oder seine letzte Frage, ich war nur noch unsicher mit meinen Gefühlen, meinen Gedanken, allem. "Elena, wenn du nicht weißt ob du glücklich bist, dann bist du es nicht, oder?", flüsterte Anna nun fast. Hatte sie Recht damit? Marc und ich waren, seit ich sechzehn war unzertrennlich, hatten alles gemeinsam durchgestanden, uns gegenseitig irgendwie Halt gegeben und ich liebte ihn, zumindest spürte ich da was, immer wenn er in meiner Gegenwart war schlug mein Herz schneller. Jede Berührung, jeder Kuss, jede Intimität lösten in mir dieses Kribbeln aus, doch was war Glück überhaupt? War es das, was wir hatten, oder bedeutete es vielleicht viel mehr? "Süße? Bist du noch dran?", holte mich Anna aus meinen Gedanken. "Ja, tut mir leid. Anna, ich weiß nicht was mit mir los ist, ist fühle mich plötzlich so fehl am Platz, es fühlt sich nicht mehr richtig an hier zu sein, mit Marc hier zu sein." - "Du musst wissen, was für dich gut ist, was sich für dich gut anfühlt und wenn es das Leben mit Marc nicht ist, dann ist es so. Hey, du bist 26 und hast noch dein ganzes Leben vor dir, wenn es nicht mit Marc ist, dann ist das doch kein Weltuntergang. Du musst glücklich sein und wenn du dir solche Gedanken machst, dann stimmt irgendetwas nicht. Gehe nochmal in dich, schlafe eine Nacht drüber und entscheide dich, wenn du dazu bereit bist. Ich bin immer für dich da!", redete sie mir ins Gewissen und ich spürte, wie sich das Kuddelmuddel in meinem Kopf begann zu entwirren.

Beautiful Lifesaver | Samu & Elena (Teil 1)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant