♡146. Drachenherzfaser

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- Gegenwart 1. August 1998, später Nachmittag –

Erstaunt über die Klarheit, die dieses Mal in seinem Kopf herrschte, musterte Harry seinen Vater, der ihm gegenüber stand.
„Kürzere Phasen im Denkarium sind wesentlich leichter zu verkraften", erklärte James und nahm auf dem Sofa Platz. Harry tat es ihm nach. „Ich kann sehen, dass dir schon wieder tausende Fragen unter den Nägeln brennen." James lächelte.
„Ich wusste, dass Sirius' Kindheit nicht schön war, aber so grauenhaft... Das habe ich nicht geahnt", begann Harry stockend und der Blick seines Vaters wurde traurig.
„Ich habe es gewusst, ohne dass er jemals darüber gesprochen hat, aber weder ich noch deine Großeltern konnten etwas tun, solange Sirius nicht darüber sprechen wollte. Doch auch wenn er versucht hat, es vor mir zu verbergen, war mir immer klar, wie schlimm es bei ihm zuhause wirklich war. Die ganze Tragweite habe ich nicht verstanden, dafür war ich damals zu jung, als Sirius noch bei seinen Eltern gelebt hat." Seine Gesichtszüge erhellten sich etwas. „Die Freundschaft zwischen uns beiden war immer mehr als nur eine Freundschaft."
Harry nickte.
„Das habe ich gespürt. Vom ersten Moment an, in dem er über dich sprach."
James' Augen flackerten einen Augenblick, doch er vertiefte das Thema nicht weiter.
„Wenn wir es dir beibringen, würdest du uns dann deine Erinnerungen zeigen? Natürlich nicht alle, aber ich möchte wissen, wie es dir ergangen ist. Durch die Visionen deiner Mutter kennen wir einige wichtige Ereignisse, aber ich will mehr wissen und Lily sicher auch."
„Insofern ich in der Lage bin, diese Erinnerungen herzustellen, aber erst möchte ich eure zu Ende sehen." Er dachte einen Atemzug lang nach. „Narzissa Malfoy wurde als aus Askaban entlassen? Obwohl ich nicht viel mit ihr zu tun hatte, bin ich das Gefühl niemals los geworden, dass sie die Überzeugungen ihrer Familie nicht teilt. Ohne sie wäre ich auch nicht mehr am Leben", fügte er leise hinzu.
„Wie meinst du das?"
„Ich glaube, das ist eins der Dinge, die du dir besser ansiehst."
„In Ordnung", stimmte James sofort zu, aber sein fragender Gesichtsausdruck blieb und auch die Gewissheit darüber, dass sein eigener Sohn in jungen Jahren schon viel zu viel hatte durchmachen müssen. Zumindest in einer existierenden Vergangenheit.
„Es wird mir schwer fallen, das alles hier zu begreifen. Nicht einmal sieben Jahre ist es her, dass Hagrid zu mir kam, um mir zu sagen, dass ich ein Zauberer bin. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich nichts anderes als das Leben bei den Dursleys, sie haben mich nicht misshandelt, aber sie waren auch nicht liebevoll zu mir. Der Schrank unter der Treppe war mein Zimmer. Freunde hatte ich nie. Dudley hat immer dafür gesorgt. Und dann stand ich mit Hagrid in Gringotts in einem Verlies voll Zauberergold und, noch nicht in Hogwarts angekommen, hatte ich mich schon mit Ron angefreundet. Und obwohl ich glücklich war mit meinem Leben, hat mir immer etwas gefehlt." Harry schluckte. „Nun sitze ich hier mit dir. Meine Träume sind alle in Erfüllung gegangen. Aber es geht viel damit einher, ein Potter zu sein, oder?"
„Ja, Harry, ein Potter zu sein bedeutet nicht nur, über mehr Geld zu verfügen, als man jemals ausgeben kann. Ich denke, es gibt kaum jemanden in unserer Familie, der dies besser weiß als du selbst." James blickte seinem Sohn tief in die Augen und Harry konnte darin die Liebe lesen, die sein Vater für ihn empfand. „Du trägst ein mächtiges Erbe in dir, Harry, ebenso wie Morgan. Was mich sehr stolz macht, Harry, ist, dass du immer wusstest, was das Richtige ist. Immer. Schon als kleines Kind konntest du besser zwischen Gut und Böse unterscheiden als viele Erwachsene. Nicht Geld, Macht und Talent sind das wahre Erbe der Potters, sondern Liebe, Mut und die Erkenntnis niemals auf der Dunklen Seite stehen zu wollen. Und diese Eigenschaften sind bei dir sehr ausgeprägt. Und im Gegensatz zu mir, warst du auch niemals so furchtbar arrogant", fügte er verschmitzt hinzu.
„Danke, Dad", sagte Harry, froh darüber, dass er wohl in keiner Vergangenheit die falsche Seite gewählt hatte. „Morgan ist auch eine Gryffindor, oder?"
„Hmmmm", sagte James. „Kannst du dir etwas anderes vorstellen? Im Gegensatz zu dir ist sie allerdings mir nachgeschlagen und Jägerin."
„Tja, dafür war ich der jüngste Hausspieler Hogwarts' seit einem Jahrhundert", feixte Harry lächelnd und liebte es bereits in diesem Moment, sich mit seinem Vater zu kabbeln.
„Uhhhu, das war auch kein Wunder bei dem ganzen Training in deiner Kindheit", lachte James laut und schlug seinem Sohn kameradschaftlich auf den Rücken.
Harry musste an die Worte seiner Mutter denken.
„Ich war es auch in der anderen Vergangenheit. Ohne Training."
Sein Vater riss die Augen weit auf und wurde ein wenig blass um die Nase.
„Du.... du... bitte.... WAS???", stotterte er, stand auf und ging zu einem der Regale und kam mit einem gefüllten Glas zurück.
„Du warst, ohne als Kind jemals auf einem Besen gesessen zu haben, jüngster Hausspieler des Jahrhunderts?", fragte er, nachdem er einen tiefen Schluck Feuerwhiskey genommen hatte.
Harry lachte laut.
„Ja, das war ich. McGonagall hat mich nach meiner ersten Besenflugstunde dazu verpflichtet."
„McGonagall? Na, das wird ja immer besser", schüttelte James vollkommen perplex den Kopf. „Kaum zu glauben. Bei Merlin, ich könnte doch eh schon platzen, so stolz bin ich auf dich, mein Sohn. Ich glaube, bei Gelegenheit sollten wir mal ein Quidditchmatch spielen. Alt gegen Jung." James grinste.
„So, und nun sollten wir mal schauen, was deine Mutter zum Abendessen vorbereitet hat. Ich sterbe vor Hunger."
Lachend folgte Harry seinem Vater nach oben.

„Du kannst dich wirklich so gar nicht erinnern? An nichts?", bohrte Morgan beim Abendessen erneut.
Bedauernd schüttelte Harry den Kopf.
„Ich kann mich erinnern, aber es ist einfach alles anders. Niemand von euch existiert."
„Das muss komisch sein. Aber wir werden dir alle helfen. Gut, dass du noch weißt, dass du ein Zauberer bist, stell dir mal vor, du würdest am ersten September im Ministerium stehen und könntest nicht mehr zaubern."
Erschrocken riss Harry die Augen auf.
„Ich habe nicht versucht zu zaubern seit..."
Automatisch griff er in seine Umhangtasche und seinen Zauberstab heraus. Ein unterdrückter Laut entfuhr ihm.
„Alles in Ordnung?", fragte Lily besorgt.
„Das ist nicht mein Zauberstab", antworte Harry panisch.
„Doch, natürlich, Schatz. Wir haben diesen Zauberstab im August 1991 bei Ollivander gekauft. Ich gebe zu, er sieht ziemlich neu aus, aber das liegt nur daran, dass ich ihn regelmäßig pflege. Ihr denkt ja alle nie daran", verteidigte Lily sich.
„Das ist nicht mein Zauberstab", wiederholte Harry. „Mein Zauberstab ist Stechpalmenholz und Phönixfeder. Und der hier..."
„ist aus Schwarznuss und der Kern ist Drachenherzfaser, erstaunlicherweise wie bei allen hier am Tisch", unterbrach ihn seine Mutter. In ihren grünen Augen spiegelte sich Sorge wieder.
„Aber... mein Zauberstab... er..." Harry blickte auf den Holzstab in seinen Händen und wartete darauf, dass dieser sich falsch anfühlte, aber erstaunlicherweise tat er genau das eben nicht.
„Vielleicht probierst du den, den du in den Händen hältst, einfach mal aus", schlug sein Vater vor.
Einen Moment war Harry unschlüssig, er wollte nicht vor seinen Eltern zaubern, nicht mit einem Zauberstab, den er nicht kannte, dem er nicht vertraute. Sie waren so großartige Talente und er wollte sich nicht blamieren. Doch dann schüttelte er innerlich über sich selbst den Kopf. Dies waren seine Eltern, niemand vor dem man sich schämen musste, trotzdem beschloss er, einen ganz einfachen Zauber durchzuführen. Langsam hob er den Zauberstab.
„Lumos", sagte er. Der Zauberstab begann sofort hell zu leuchten und fühlte sich in seiner Hand warm und erstaunlich vertraut an. Verwundert starrte Harry auf seine Hand.
„Entschuldigt mich bitte einen Moment", brachte er hervor und stand auf.
Bevor seine Familie auch nur reagieren konnte, war er aus dem Haus gestürmt. Er wusste nicht warum, aber es war zu viel für ihn. Er lief die Straße hinab, vorbei am Friedhof, wo er vor etwas mehr als einem halben Jahr mit Hermine am Grab seiner Eltern gestanden hatte. Harry umklammerte seinen Zauberstab fester, als er den nahegelegenen Wald erreichte. Dann verschwand er mit einem leisen Plop.

James Potter und das Erbe GryffindorsTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang