♡90. Milicent Bagnold

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„Severus", flüsterte sie leise. In ihren grünen Augen glitzerten Tränen. Bis zu dem Tag, als Severus mit den anderen Todessern gemeinsam im Haus der Lestranges gesichtet worden war, hatte Lily nicht glauben wollen, dass er wirklich und wahrhaftig auf die Seite des Dunklen Lords gewechselt war. Schon während der ersten Schuljahre hatte sie seine Freundschaft zu Rabastan Lestrange, Phillip Avery und Donal Mulciber überhaupt nicht verstanden. Immer wieder hatte sie mit ihm darüber gestritten, doch Severus hatte an diesen Freundschaften festgehalten. Warum, das hatte er nie erklärt. Eine Zeitlang hatte Lily vermutet, dass Severus für sie selbst mehr als nur Freundschaft empfand, dass er sie liebte. Auch wenn sie selbst diese Gefühle nie erwidert hatte, hatte sie der Verlust ihres besten Freundes hart getroffen. Nie in ihrem ganzen Leben würde sie den Tag vergessen, an dem er sie am See als Schlammblut beschimpft hatte. Ausgerechnet Severus, ihr erster Kontakt zur Zaubererwelt. Er hatte ihr gesagt, dass es keinen Unterschied mache, ob man muggelgeboren sei oder nicht, damals als sie Angst hatte, dass man sie in Hogwarts deswegen ausgrenzen würde. Severus, ihr bester Freund, der Mensch, dem sie ihr Leben anvertraut hätte. Ein einziges Wort hatte alles verändert. Schlammblut! Der Klang dieses Wortes, in der für Severus typischen schleppenden Sprechweise, hallte bis heute in ihren Ohren nach. Eine einzelne Träne rann über ihre Wange. Eine Träne für Severus, der den falschen Weg gewählt hatte. Eine Träne für den Mann, der das Leben seiner ehemaligen besten Freundin mitsamt ihrer eigenen Familie aufs Spiel setzte, um selbst bei seinem Meister besser dazustehen.
Ihr Blick glitt zu James. Auch wenn er Severus nie gemocht hatte, wusste sie, dass er mit ihr gemeinsam um den Verlust eines Freundes trauerte. Während sie ihren Mann betrachtete, wurde ihr klar, warum sie niemals Severus ähnliche Gefühle entgegen bringen hatte können wie James. James wäre niemals so schwach gewesen, andere zu verraten. Er würde nur aus einem einzigen Grund töten: um andere zu schützen. Und er würde jederzeit sein eigenes Leben geben, wenn er damit einen Freund retten könnte. Loyalität, Freundschaft und Liebe gingen James über alles. Werte, die Severus wohl nicht zu schätzen wusste. Lily verdrängte die Erinnerungen und fasste sich wieder. Ihre Hand strich sanft über ihren mittlerweile ziemlich dicken Bauch. Der Wunsch, Harry zu beschützen, war beinahe übermächtig.
„Albus, wir müssen einen Weg finden, Voldemort auszuschalten. Koste es was es wolle. Ich kann nicht zulassen, dass unser Sohn sterben muss, um ihn zu töten." Lily versuchte, ihrer Stimme Tapferkeit zu verleihen, es gelang ihr nur mäßig. Die Augen des Schulleiters flackerten kurz.
„Ich weiß, Lily, ich weiß. Und wir werden einen Weg finden. Bis es soweit ist, werdet ihr, aber auch die Longbottoms, Euch verstecken müssen. So leid es mir tut, Lily. Keine Ausflüge mehr, keine Missionen. Denk an Deinen Sohn", sagte Albus mahnend. „Das gilt auch für dich, James. Ihr dürft euch auf keinen Fall trennen. Habt jederzeit den Zauberstab griffbereit. Ihr könnt euch sicher sein, dass euch nichts passiert, solange ihr euch im Haus von Willow und Primus befindet. Man hat mir versichert, der Geheimniswahrer sei absolut vertrauenswürdig." Er zwinkerte ihnen leicht zu, so als wolle er die Situation etwas auflockern. Doch Lily verstand plötzlich. Die Schrift, die ihr so bekannt vorgekommen war, damals als sie die Potters an Weihnachten besucht hatte.
„Du? Du bist der Geheimniswahrer?"
„Aber natürlich. James ist mein Patensohn, Willow und Primus zählen zu den wenigen Menschen, die mir wirklich nahestehen. Ich würde jederzeit für jeden einzelnen von ihnen sterben. Und das gilt ebenso für dich und Harry."

Lily starrte Dumbledore an. Sterben? Dieser hochbegabte Zauberer würde für sie und ihren ungeborenen Sohn sterben? Erneut traten ihr Tränen in die Augen. Diese verfluchten Hormone würden sie noch in den Wahnsinn treiben.
„Hast du was von Remus gehört?" wechselte sie schnell das Thema, bevor sie vollends in Tränen ausbrach.
Dumbledore schüttelte leicht den Kopf.
„Nein, leider nicht. Sicherlich ist es zu gefährlich, uns eine Nachricht zukommen zu lassen und er will einfach seine Tarnung nicht auffliegen lassen. Hätte man ihn als Spion entlarvt, würden wir dies schon wissen."
Lily nickte, keinesfalls beruhigt, aber logisch betrachtet hatte Dumbledore Recht. Die Todesser hätten sicherlich verkündet, wenn sie einen Spion niedergestreckt hätten.

Weder der Rest des Abends, geschweige denn der folgende Morgen schafften es, die ernste und auch angstvolle Stimmung im Hause Potter zu vertreiben.
Willow und Primus hatten mittlerweile ihren Kamin vom Flohnetzwerk getrennt und den Tagespropheten abbestellt. Sie meinten, es sei zu gefährlich. Eulen könnten vom Zaubereiministerium überwacht werden. Ebenfalls aus diesem Grund würden ab sofort keine Eulen mehr das Anwesen verlassen. Sie waren vorerst im ehemaligen Astronomieturm eingesperrt. Und so erreichten die neusten Nachrichten die Familie erst nach dem Frühstück, nachdem Abby einen Tagespropheten erstanden hatte. Die Hauselfen waren nun die einzigen Geschöpfe, die das Haus gefahrlos verlassen konnten, denn sie wurden von Zauberern selten ernst genommen und ihre eigenen Zauberkräfte vollkommen unterschätzt.

Abby überreichte mit hängenden Ohren ihrem Herrn den Tagespropheten. Willow sah ihr kurz irritiert hinterher, bevor er einen Blick auf die Titelseite warf. Sein Gesicht erbleichte.
„Sie haben den Tagespropheten", murmelte er.
Sekunden später standen alle hinter ihm, um die Titelstory zu lesen.

'Milicent Bagnold neue Zaubereiministerin nach feiger Flucht der Potters - von Rita Kimmkorn

Am heutigen Morgen wurde Milicent Bagnold, bisherige Leiterin der Abteilung für Magisches Transportwesen, zur neuen Zaubereiministerin ernannt. Diese Maßnahme wurde nötig, nachdem gestern die bis dahin amtierende Zaubereiministerin Potentia Silverstein, Schwester von Willow Potter und Schwägerin von Primus Potter, ehemaliger Leiter der Aurorenabteilung, plötzlich verschwand. Der feigen Flucht von Mrs. Silverstein, welche von ihrem Schwager persönlich und einigen seiner hochrangigen persönlich unterstützt wurde, war ein Angriff auf das Zaubereiministerium vorangegangen. Statt an vorderster Front zu kämpfen, zog es Primus Potter vor, sein eigenes Leben zu schützen und ließ das Zaubereiministerium in den Händen der Angreifer zurück. Zwei Auroren ließen bei diesem Angriff ihr Leben. Nur dem beherzten Eingreifen von Milicent Bagnold und einiger Auroren ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres geschehen ist.

Die designierte Zaubereiministerin versprach, die Vorgänge umfassend zu prüfen und die Verantwortlichen zu Rechenschaft zu ziehen. Zudem werde sie umgehend neue Gesetze schaffen, um das unter der bisherigen Zaubereiministerin verlotterte Ministerium wieder in den Griff zu bekommen.
„Mrs. Silverstein hatte scheinbar vollkommen die Kontrolle über das Ministerium verloren. Leider war sie so sehr damit beschäftigt, die angebliche Bedrohung, die wir als Er-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf kennen, zu jagen, dass sie die Leitung ihres Ministeriums und damit auch die Verantwortung gegenüber der britischen Zaubereigemeinschaft vollkommen vergessen hat. Dies wird sich von heute an ändern. Zu allererst werden wir die Familie Potter suchen und ihre Rolle in den Vorgängen der letzten Monate klären. Zudem müssen wir noch einmal darüber sprechen, ob Albus Dumbledore wirklich der Richtige ist, um Hogwarts zu leiten."

Nun weht also ein neuer Wind im Zaubereiministerium. Und den Potters / Silversteins kann man nur empfehlen: Verlasst das Land so schnell Ihr könnt, denn in Askaban sind schon einige Zellen für Euch reserviert!'

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now