♡187. Vieles ist anders

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Bevor Remus antworten konnte, klopfte es an der Haustür. Morgan sprang auf und lief zum Eingang. Die Stimmen, die dann im Flur erklangen, kamen Harry mehr als bekannt vor und tatsächlich standen wenige Sekunden später Ron, Hermine und Ginny in der Küche.
„Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen, Professor", sagte Hermine höflich, nachdem sich alle begrüßt hatten.
„Bei Merlin, Hermine, wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich Lily heiße." Lily lachte und strahlte dabei jene Wärme aus, auf die Harry so lange hatte verzichten müssen. „Und ihr wisst doch, dass ihr jederzeit willkommen seid."
„Entschuldigung, Prof... Lily". Hermine erntete einen amüsierten Blick von Ron und Ginny, die sich deutlich wohler in ihrer Haut zu fühlen schienen.
„Kann ich euch etwas anbieten? Tee, Kürbissaft, Butterbier?"
„Nein, danke, Lily." Ron betonte extra ihren Namen, was ihm einen wütenden Seitenblick von Hermine einbrachte. Harry musste grinsen. Was das anging, hatte sich also nichts verändert. „Wir wollten mit Harry sprechen."
„Wollen wir in mein Zimmer gehen?", fragte Harry schnell, neugierig, was die drei wohl von ihm wollten, dass sie einfach so auftauchten. Obwohl er sich auch nicht sicher war, ob das in dieser Gegenwart nicht vielleicht das normale Verhalten seiner Freunde war.
Hermine nickte leicht und ohne ein weiteres Wort folgten sie Harry die Treppe nach oben.

„Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmt", sagte Harry wenig später, nachdem sie alle in der Sitzecke in seinem Zimmer Platz genommen hatten.
„Es ist alles in Ordnung, Harry", beruhigte Hermine ihn, aber Harry konnte in ihren Augen ablesen, dass sie nervös war, denn darin lag jener Gesichtsausdruck, den Hermine immer gehabt hatte, kurz bevor sie eine Schulnote erfuhr.
Sein Blick wanderte zwischen Ginny, die sich neben ihn auf das Sofa gekuschelt hatte, und Ron, der wie Hermine auf einem der Sessel saß, hin und her. Beide wirkten deutlich entspannter als Hermine.
Er kniff die Augen zusammen und musterte seine beste Freundin durchdringend.
Sie wirkte anders als in seinen Erinnerungen, Harry konnte nicht genau sagen, was es war, aber irgendetwas war anders.
„Wir wissen nicht, in wie weit deine Eltern dir schon Einblicke in die Gegenwart gegeben haben", sagte nun Ron.
„Ich weiß nicht viel", gab Harry zu. „Ein paar Informationen über das Ministerium, über meine Familie sowie über eure." Bei seinen letzten Worten blieb sein Blick auf Ron gerichtet.
„Das ist allerdings nicht viel", bestätigte Ginny leise.
Hermine atmete hörbar ein.
„Aber du weißt, wie der erste Zaubererkrieg endete?", fragte sie dann.
„Ja, meine Eltern haben Voldemort besiegt."
„In der Tat", nickte Hermine. „Dieser Sieg hat mehr verändert, als dir jetzt vielleicht noch bewusst ist.
Nur noch wenig ist in unserer Welt so wie vor diesem Krieg, besonders weil ihn viele Menschen überlebt haben, die immer auf der guten Seite standen. Menschen, die die Geschicke unserer Gesellschaft in den letzten sechzehn Jahren maßgeblich beeinflusst haben."
Harry kniff die Augenbrauen zusammen. Alles, was Hermine ihm sagte, war ihm beswusst, aber er verstand nicht, worauf sie hinaus wollte.
„Was willst du damit sagen?"
„Ich will nicht zu viel vorweg greifen, deine Eltern haben einen Grund, warum sie dir die Geschehnisse nach und nach zeigen."
„Ich kann dir sagen, was sich nicht geändert hat", warf Ron von der Seite ein. „Ihre Liebe zu Regeln und ihre Besserwisserei." Er deutete mit dem Daumen auf Hermine, die darauf ein deutliches Geräuch des Unwillens von sich gab. Harry konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Manche Dinge änderten sich also doch nicht!
„Ron", tadelte Ginny ihren Bruder und Harry gluckste vergnügt, woraufhin sich ihm alle Köpfe zuwandten.
„Ihr habt euch auf jeden Fall nicht verändert", sagte er und gluckste erneut.
„Im Wesentlichen nicht", bestätigte Hermine, „aber unser, sagen wir mal, Umfeld hat sich geändert."
„Schleich nicht wie ein Kniesel um den Sahnetopf."
„Verdammt, Harry, das ist nicht so einfach", fuhr ihn Hermine heftiger an als beabsichtigt.
„Warte mal, ich habe einen Gedächtnisverlust, kann mich weder an meine Familie noch an meine wirkliche Vergangenheit erinnern, geschweige denn, dass ich weiß, wie diese Welt funktioniert und du sagst, dass es nicht so einfach ist?" Harry wunderte sich eine Sekunde über sich selbst. Früher – in seinem anderen Leben – wäre er explodiert, hätte Hermine angeschrien oder ihr harsche Vorwürfe gemacht, jetzt aber war er in der Lage, die Situation mit Humor zu nehmen und seiner langjährigen Freundin ein verschmitztes Grinsen zu schenken. Hatten die Veränderungen auch vor ihm nicht halt gemacht, obwohl er keinerlei Erinnerungen hatte?
„Du hast Recht", sagte Hermine und konnte ihre Überraschung dabei nicht ganz verbergen. „Es tut mir leid. Es gibt eine Sache, von der du wissen solltest, damit du dich nicht irgendwann in einer sehr unangenehmen Situation befindest." Sie zögerte kurz. „ Ich kann zwar nicht sagen, dass wir heute alle engste Freunde sind, aber Gryffindors und Slytherins sind keine Feinde mehr. Zumindest nicht alle."
Harrys Augen flackerten.
„Sprichst du von einem bestimmten Slytherin?"
Hermine nickte kaum merklich.
„Malfoy?", sprach Harry den so verhassten Nachnamen aus und Hermine nickte erneut.
„Du willst mir jetzt aber nicht sagen, dass Malfoy und ich befreundet sind?" Er schauderte bei dem Gedanken.
„Nein, du nicht", antworte Hermine leise.
Harry starrte seinen besten Freund an.
„Du etwa?"
„Es ist nicht Ron, Harry. Draco ist mein Freund", platzte es aus Hermine heraus, bevor Ron auch nur einen Mucks von sich geben konnte.
Harry wusste nicht, was er darauf sagen sollte, unzählige Gedanken rasten durch seinen Kopf.
„Freund?", krächtze er schließlich.
Hermine sah ihm direkt in die Augen.
„Draco und ich sind seit einigen Monaten ein Paar, Harry."
„Bei Merlin."
„Er ist nicht so, wie du ihn kennst, so wie er in der anderen Vergangenheit war. Sein Vater hat ihn nicht beeinflussen können. Aber ich bin ihm in den ersten Schuljahren mit gewaltiger Skepsis entgegengetreten, schließlich hatte ich ja Erinnerungen an ihn und sein anderes Ich. Wir sind immer wieder aneinander geraten. Ich konnte nicht glauben, dass ausgerechnet er dieses Gedankengut nicht teilte." Hermine atmete tief durch. „Draco stand – obwohl er bei seiner Mutter aufgewachsen ist – unter dem Einfluss seiner Tante Andromeda und von Sirius. Nicht zu vergessen Dorcas. Was glaubst du, wie er sich da entwickelt hat?"
„Ich habe ihn gesehen, bei Sirius zuhause, vor ein paar Tagen. Er hat mit Dorcas gescherzt und schien sich dort sehr wohlzufühlen."
„Er hat viel Zeit bei den Blacks verbracht. Immerhin ist Dorcas seine Cousine."
„Es ist etwas ernstes, oder?", fragte Harry schließlich, kannte aber die Antwort schon, bevor er die Frage formuliert hatte.
„Ja", antwortete Hermine schlicht.
„Ich freue mich für dich, Hermine, dass du jemanden gefunden hast, an dem dir so viel liegt. Aber musste es ausgerechnet Malfoy sein?" Ein bereites Grinsen nahm seinen Worten die Schärfe. „Erwarte bitte nicht, dass wir von einem Tag auf den anderen Freunde werden, aber ich bemühe mich, das verspreche ich dir."
„Das ist alles, was ich von dir erwarte, Harry." Sie sparte sich weitere Informationen, auch die, dass Harry und Draco als Kinder viel Zeit miteinander verbracht hatten. In diesem Moment hatte Harry genug zu verdauen und sie war schon froh damit, dass er ihre Beziehung so einfach akzeptierte.
„Und ich hatte angenommen, du rennst wütend aus dem Zimmer", sagte Ron und erntet dafür von seiner Schwester einen Tritt gegen das Schienbein.

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now