♡91. Sicherheit hinter Mauern

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Der Artikel im Tagespropheten löste eine absolute Schockstarre bei den Potters und deren Gästen aus. Nun kämpfte man nicht länger nur gegen Voldemort, sondern auch noch gegen falsche Gerüchte und eine Welt, der falsche Informationen vermittelt wurden. Sie wussten alle, dass es nun noch schwieriger sein würde, irgendwelche Erfolge für den Orden zu erzielen. Keiner von ihnen konnte mehr offen agieren, vor allem Dumbledore nicht mehr, denn würde er es tun, würde er sofort als Schulleiter abberufen. Und dann wären die Schüler in Hogwarts vollkommen ungeschützt. Denn eins war sicher: Voldemort hatte die Macht in der Zaubererwelt übernommen. Milicent Bagnold mochte eine einigermaßen tüchtige Hexe sein, aber sie hätte nie den Ministerposten angestrebt. Es war so gut wie sicher, dass sie unter einem Imperius-Fluch handelte, hasste sie es doch sonst, im Mittelpunkt zu stehen. Dies zu beweisen, würde für den Orden allerdings so gut wie unmöglich sein. Primus verachtete sich dafür, dass er seine Mitarbeiter im Stich gelassen hatte, obwohl er wusste, dass es für ihn keine Wahl gegeben hatte. Als Leiter der Aurorenabteilung war es seine Pflicht, bei einem Angriff auf das Ministerium zuerst die Zaubereiministerin in Sicherheit zu bringen. Und dies galt ebenso für seinen Stellvertreter – Alastor Moody, der mit ihm gemeinsam gehandelt hatte. Trotzdem hätte es Primus vorgezogen, bei seinen Leuten zu bleiben. Er wäre für sie gestorben, wenn er sie damit hätte schützen können. Nun konnte er nicht mehr zurück ins Ministerium, seine Familie wurde geächtet und gejagt und zwei seiner Leute waren tot. Sie waren gestorben, um das Ministerium zu schützen. Alles in allem hatte er keine Vorstellung, wie es noch schlimmer hätte kommen können. Der einst so stolze Mann verzweifelte fast daran. Willow versuchte auf ihn einzureden, aber zum ersten Mal während ihrer langjährigen Ehe zog er sich zurück. Er musste alleine damit klarkommen, dass er versagt hatte. Und sein Versagen brachte die Menschen in Gefahr, die er so sehr liebte. Er verkroch sich in seinem Büro und schloss die Tür hinter sich. Niemand würde ihn hier stören, seit jeher respektierten es alle, wenn Primus seine Bürotür schloss, denn dies tat er nur äußerst selten.
In den nächsten Wochen folgte eine Schreckensnachricht der anderen. Edgar Bones, ein Mitglied des Ordens, wurde mit seiner gesamten Familie durch die Todesser umgebracht. Zudem verschwanden immer mehr Muggelgeborene. Dazu hatte das Ministerium einen Erlass herausgegeben, dass alle Muggelgeborenen mit sofortiger Wirkung ihren Zauberstab abzugeben hatten und aus der Zauberergemeinschaft verbannt waren. Auf die Köpfe von Potentia, Primus, Kingsley, Moody sowie Lily und James war eine Belohnung ausgesetzt worden. Es schien eine vollkommen ausweglose Situation zu sein, in der sich der Orden gegen Ende Juli des Jahres 1980 befand.
Die Bewohner des Hauses saßen morgens am Frühstückstisch, als plötzlich Albus Dumbledore im Raum stand.
„Willow, wir brauchen dich. Alice bekommt ihr Kind." Willow sprang sofort auf. Auch Alice und Frank konnten, wie die Potters, seit Monaten ihr Haus nicht mehr verlassen und somit auch nicht ins St.-Mungo gehen, um Alices Kind zu entbinden. Lily lächelte, während Willow ihre Sachen packte, und strich sich über den mittlerweile unglaublich dicken Bauch. Seit Wochen konnte sie ihre Füße nicht mehr sehen. Morgen war der errechnete Geburtstermin für Harry. Es sah also alles danach aus, als müsse Willow zwei Kindern innerhalb von zwei Tagen auf die Welt helfen. Auch wenn es derzeit keine Welt war, in die man ein Kind setzen wollte. Lily hatte in den letzten Wochen oft darüber nachgedacht, aus Großbritannien zu fliehen. Nicht um ihrer selbst willen, sondern für Harry. Bei der derzeitigen Situation würde sie nicht einmal normal mit ihm spazieren gehen können. Er würde hinter Mauern aufwachsen – gefangen im goldenen Käfig der Potter-Villa. Und das war ganz und gar nicht das, was Lily für ihren Sohn wollte. Irgendwann würden sie eine Entscheidung treffen müssen. Offener Angriff auf Voldemort, die Flucht oder so leben wie bisher. Keine der drei Alternativen erschien Lily im Moment auch nur ansatzweise verlockend.

Willow kehrte erst spät am Abend zurück nach Hause. Erschöpft, aber mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Die Geburt von Neville Longbottom brachte einen winzigen Hoffnungsschimmer zurück in Willows Herz. Seit Jahren hatte sie kein Kind mehr auf die Welt geholt. Und wenn alles gut lief, würde sie Lily bald bei der Geburt ihres ersten Enkelkindes zur Seite stehen. Langsam ging sie zum Büro ihres Mannes. Er hatte sich oft verkrochen in letzter Zeit. Sie hatte die geschlossene Tür immer respektiert, doch nun war es Zeit, dass Primus sein Schneckenhaus verließ und wieder damit begann, für seine Familie zu kämpfen. Leise klopfte sie an und öffnete dann die Tür.
Primus saß in seinem Lieblingssessel und starrte auf den Kamin, in dem er, trotz der anhaltenden Sommerhitze, ein Feuer angezündet hatte. Willows Lächeln vertiefte sich. Primus hatte Kamine schon immer geliebt, was auch der Grund war, warum es in jedem Raum des Hauses – außer den Badezimmern - einen gab. Sie nahm auf dem Sessel neben ihrem Mann Platz und wartete darauf, dass er sie bemerkte.
Sechsundzwanzig Jahre waren sie nun verheiratet und sie liebte Primus wie am ersten Tag, stellte sie fest, während sie sein Profil betrachtete. Langsam hob Primus den Kopf und sah ihr in die Augen. Der Ausdruck darin schnürte Willow fast das Herz zusammen.
„Ich habe versagt", flüsterte er. Willow erwiderte den Blick ihres Mannes. Ihre grünen Augen verrieten nichts von der Angst um ihre Familie.
„Nein, das hast du nicht. Was hättest du anders machen wollen? Du bist vom Zaubereigesetz her verpflichtet, zuerst für die Sicherheit der Ministerin zu sorgen."
„Ich hätte mich gegen das Gesetz stellen müssen." Sie schüttelte vehement den Kopf.
„Primus Potter, was hätte das geändert? Voldemort wollte das Ministerium einnehmen und er hätte es bekommen, ob du nun da warst oder nicht. Es war kein fairer Kampf. Er wusste genau, dass kaum Auroren vor Ort waren."
„Mein Kopf weiß, dass du Recht hast, Willow", seufzte er, „aber mein Herz versteht das nicht. Ich muss diesen Fehler wiedergutmachen."
„Du hast nichts wiedergutzumachen." Willow griff nach Primus' Hand. „Aber, und das ist mir heute endgültig klargeworden, so wie in den letzten Monaten kann es nicht weitergehen. Wir können uns nicht länger feige hier verstecken. In den nächsten Stunden wird wahrscheinlich unser Enkelsohn geboren. So gerne ich ihn aufwachsen sehen würde, würde ich doch lieber mein Leben geben, als zu wissen, dass er sterben wird, um diese Welt zu retten." Primus nickte.
„Wie immer hast du Recht, mein Schatz. Harry hat es nicht verdient, in dieser Welt großzuwerden. Es wird Zeit, etwas zu unternehmen."

Gemeinsam und einträchtig starrten sie ins Feuer, jeder hing seinen Gedanken nach. Und so schreckten sie hoch, als plötzlich der Alarm losging, der verkündete, dass jemand ins Haus appariert war. Sofort griffen sie nach ihren Zauberstäben und liefen zur Tür. Von oben erklangen Schritte, die verkündeten, dass auch die restlichen Bewohner des Hauses den Eindringling bemerkt hatten. Fast gleichzeitig betraten alle mit gehobenen Zauberstäben die Eingangshalle. Doch mit der Person, die dort stand, hatte wohl niemand gerechnet.

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now