♡140. Misstrauen

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- 5. Januar 1982-

James eilte mit wehendem Umhang durch die verschlungenen Flure des Ministeriums. Einige Angestellte sahen ihm irritiert nach, aber davon ließ er sich nicht beirren. Einzig die Nachricht, die er erhalten hatte, war wichtig. Wieder und wieder pochten die Worte in seinem Kopf. Ungeduldig wippte er mit dem Fuß, während er auf den Aufzug wartete, und als endlich einer erschien, war er glücklicherweise leer. Lautlos setzte der Aufzug sich in Bewegung und hielt schließlich im neunten Stock. James nahm im Laufschritt die Treppe hinab zu den Gerichtssälen. Und immer noch hämmerten die Worte in seinem Kopf.
'Er hat Morgan und ihre Familie getötet.'
Genau dies hatte in der Nachricht gestanden, die er heute in aller Frühe auf seinem Schreibtisch gefunden hatte. Er stieß die Tür zum Gerichtssaal des Obersten Gerichts auf, ohne sich auch nur eine Sekunde darum zu scheren, welchen Eindruck dies machen würde. Die Verhandlung hatte bereits begonnen und das Zaubergamot hatte sich vollständig eingefunden. Er musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Sein ungehobeltes Verhalten hatte dafür gesorgt, dass die Verhandlung unterbrochen war und ihn alle anstarrten. Ohne den Angeklagten auch nur eines Blickes zu würdigen, trat er vor zum Platz des Gamotsvorsitzenden. Seine Mutter, die heute den Vorsitz führte, sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Bitte entschuldigen Sie mein überraschendes Eindringen", sagte James mit gefährlich ruhiger Stimme. Auch wenn er innerlich aufgewühlt war, so hatte er sich doch vollkommen unter Kontrolle. „Aber ich habe neue, sehr wichtige Informationen, die den Angeklagten betreffen und für diese Verhandlung entscheidende Bedeutung haben können."
„Bitte, James, sprich", erteilte ihm seine Mutter die Erlaubnis.
„Wie Ihnen allen bekannt sein dürfte, arbeitet meine Abteilung mit Hochdruck daran, die verschiedenen Morde während der Schreckensherrschaft von Tom Riddle einzelnen Mitgliedern seiner Anhänger zuzuordnen und die entsprechende Person dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Heute Morgen hat sich endlich ein Zeuge bei mir gemeldet, der aussagen wird, dass der Angeklagte die Morde an dem Ehepaar Oliver und Sophie Jones, sowie deren Tochter Morgan zu verantworten hat und auch gemeinsam mit einer weiteren Person eben diese Morde durchführte. Der Zeuge weilt derzeit nicht in London, wäre aber bereit, für seine Aussage hierher zu kommen."
„Halten Sie den Zeugen für vertrauenswürdig, Mr. Potter?", fragte eine Stimme aus den Reihen des Gamots.
„Absolut", bestätigte James, ohne zu zögern.
Willow nickte ihrem Sohn dankbar zu und er zog sich etwas zurück in den Hintergrund, um die Verhandlung weiter zu beobachten.
„Nun, Sie haben die Worte vernommen. Möchten Sie sich dazu äußern?", wandte Willow sich nun an den Angeklagten, der vollkommen ausgemergelt und eingefallen auf dem Stuhl in der Mitte des Saals saß. Dicke Fesseln umschlossen seine Hand- und Fußgelenke und mehrere von James' Leuten hielten ihre Zauberstäbe auf ihn gerichtet. Nicht, dass er hätte fliehen können, die Schutzzauber im Gerichtssaal waren hoch, so hoch wie nie zuvor. Wurde doch heute hier einer der engsten Diener des Dunklen Lords für seine Taten zur Verantwortung gezogen. James warf einen Blick in die Zuschauerbankreihen. Für eine Sekunde fing er den Blick von Dorcas auf, die ihm zunickte, dann galt seine Aufmerksamkeit wieder dem Angeklagten.
„Selbst wenn ich diese Morde verübt hätte, kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand gegen mich aussagt", erklang die hochmütige Stimme des Angeklagten.

Alte Gewohnheiten waren wohl nicht so einfach abzulegen, dachte James ironisch, auch wenn er sich wunderte, wie man nach mehreren Wochen in Askaban noch solch ein Verhalten an den Tag legen konnte. Während seiner vielen Besuche im Zauberergefängnis in den vergangen Wochen hatte er am eigenen Leib gespürt, wie grauenhaft dieser Ort war. Die Dementoren kannten keinerlei Mitgefühl und positive menschliche Regungen waren für sie eine Art Nahrung. James hatte bei jedem seiner Aufenthalte alle Gedanken an seine Familie und Freunde unterdrückt und nur an die schrecklichen Taten gedacht, wegen denen die vielen Verdächtigen dort einsaßen. Dennoch zerrten die vielen Befragungen an seinen Nerven. Viele ehemalige Todesser waren weiterhin glühende Verfechter der Lehren ihres Dunklen Lords und sie glaubten fest daran, dass er nicht tot war, sondern zurückkehren würde. Auch wenn James sie damit konfrontierte, dass man Voldemorts Leiche eingeäschert hatte, wichen sie von dieser Überzeugung nicht ab und so würden sie niemals einen der ihren verraten. Und doch hatte James es geschafft, eine der Insassinnen weich zu klopfen. Die Aussicht auf eine lebenslange Haftstrafe in Askaban hatte die ehemalige Todesserin bis ins Mark erschüttert und sie war bereit auszusagen, hatte sie doch ihren eigenen Worten zufolge niemals hinter den Thesen von Voldemort gestanden.

James Potter und das Erbe GryffindorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt