James Potter und das Erbe Gryffindors

♡ 49. Zeugnisse

Der Tag der Zeugnisausgabe kam für die Schüler des Abschlussjahrgangs schneller als ihnen lieb war. Der letzte Tag in Hogwarts, morgen würden sie die Schule verlassen und die meisten von ihnen niemals wiederkehren. Zudem fürchteten einige die Zeugnisausgabe, es war unwahrscheinlich, dass alle Schüler bestanden hatten. Doch es gab keine Möglichkeit, die UTZ-Prüfungen zu wiederholen. Hatte man versagt, musste man damit leben.
An diesem Mittag zogen sie zum letzten Mal ihre Schuluniformen an, die ihnen in sieben Jahren so vertraut geworden waren. Die Hauselfen hatten sie extra gewaschen und aufgebügelt. Ein letztes Mal würden sie stolz ihre Hauswappen und –farben tragen. Doch etwas war anders: anstatt wie sonst einen Zauberhut zu festlichen Anlässen würden sie heute zum Anlass ihres Abschlusses einen Doktorhut tragen. Diese hatten die Hauselfen schon zur Schuluniform gelegt.
Lily nahm sich Zeit beim Anziehen. Es war ein seltsames Gefühl, zum letzten Mal diese Uniform zu tragen. Als sie schließlich ihre Krawatte knotete, schoss ihr ein Bild durch den Kopf. Ein kleiner Junge, der stolz sein Gryffindorwappen auf der Brust trug. Er hatte James schwarzes zerzaustes Haar und ihre Augen. Sie schwelgte einen Moment in der Vorstellung, bevor sie lächelnd ihren Umhang überzog und den Hut aufsetzte. Sie war bereit. Bereit für die Welt dort draußen. Nicht ahnend, dass James soeben das gleiche Bild vor sich gesehen hatte, ging sie die Treppe nach unten in den Gemeinschaftsraum. James betrat ihn nur wenige Sekunden nach ihr . Die beiden Schulsprecher lächelten sich an und machten sich Hand in Hand auf den Weg, um James' Eltern zu begrüßen und ihre Zeugnisse in Empfang zu nehmen. Sirius schloss sich ihnen an.
In der Eingangshalle des Schlosses wimmelte es vor Menschen. Überall standen Eltern und Geschwister der Absolventen. Man konnte deutlich erkennen, wer Muggel und wer Zauberer war. Die Muggeleltern waren alle in Anzügen und Abendkleidern erschienen, während die Zauberereltern Festumhänge trugen. Viele von Ihnen hatten sogar ihre alten Schulkrawatten und Hauswappen ausgegraben und trugen diese heute. Wieder tauchte das Bild
des dunkelhaarigen Jungen vor Lilys innerem Auge auf. Dieses Mal war er deutlich älter. Statt des Schulumhang trug er die Quiddich-Kleidung, die ihn als Spieler von Gryffindor auswies. Auf seiner Brust prangte ein silbernes K, wie auch bei James seinerzeit. Der Junge strahlte und Lily hörte eine Menge jubeln, dann verblasste das Bild. Ein Blick in James' Gesicht verriet ihr, dass er das gleiche Bild vor Augen hatte. Die Verbindung wurde immer klarer.

Ohne zu wissen, dass sie anwesend waren, konnte Lily spüren, dass Willow und Primus die Eingangshalle betreten hatten. Die beiden umgab etwas, das scheinbar auch andere spürten, denn viele wandten sich zu ihnen um. Lily konnte es nicht genau beschreiben, es war ähnlich wie bei Dumbledore, wenn er einen Raum betrat: eine Art Aura. Auch Primus trug seine Schulkrawatte und das Wappen. Willow hatte sich für ein goldenes Abendkleid entschieden, das mit ihren Haaren zusammen eindeutig die Farben von Gryffindor wiederspiegelte. Darüber hatte sie einen schwarzen Umhang geworfen, auf dem Gryffindors Wappen prangte. Einige Paare umarmten die beiden herzlich, andere nickten ihnen nur respektvoll zu. Endlich erreichten die beiden ihren Sohn. Willow zog ihn in ihre Arme.
„James, wir sind so stolz. Ich könnte fast platzen", murmelte sie. Dann drückte sie Lily an ihre Brust.
„Lily, ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich darüber freue, dass du ein Mitglied unserer Familie wirst, auch wenn ich hoffe, dass du dich von Anfang an als eins betrachtet hast." Sie sah Lily freundlich an, diese konnte nur noch nicken. Dann war Sirius an der Reihe.
„Mein Sohn." Mehr hörte Lily nicht mehr, bevor Primus sie kräftig an sich drückte.
„Ich glaube, meine Frau hat schon sehr deutlich gemacht, was wir empfinden." Er lächelte.

Kurz darauf war es soweit. Die Tore zur großen Halle öffneten sich. Lily konnte sehen, wie die Muggeleltern ihre Augen in Erstaunen aufrissen. Die Tore waren von Dumbledore, der am anderen Ende der Halle auf dem Lehrerpodium stand, geöffnet worden. Die Decke der großen Halle strahlte ebenso wie der Himmel über dem Schloss. Alles war in den Farben der Häuser dekoriert. Es gab vier lange Reihen Stühle für die Mitglieder der einzelnen Häuser und deren Angehörige. Die Absolventen betraten die Halle als erste und nahmen die vorderen Reihen ein. Die Familien folgten, viele noch sprachlos vor Staunen. Lilys Blick wanderte über das Lehrerkollegium, welches vollständig erschienen war und nun auf dem Lehrerpodium saß. Dann fiel ihr Blick auf eine weitere Person: Potentia, die an McGonagalls rechter Seite saß und sich angeregt mit dieser unterhielt. Etwas verwirrt richtete sie ihre Augen wieder auf Dumbledore, der nun zu sprechen begann.
„Herzlich Willkommen in der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei zur Verleihung der UTZ-Zeugnisse an unsere diesjährige Abschlussklasse. Mein besonderes Willkommen gilt den Familien der Absolventen. Einige von Ihnen werden mich kennen, habe ich sie doch ebenfalls unterrichtet. Für diejenigen, die mich nicht kennen: Mein Name ist Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore, Schulleiter von Hogwarts, Orden des Merlin, Erster Klasse, Großzauberer, Hexenmeister Ganz hohes Tier, Internationale Vereinigung der Zauberer." Er machte eine kurze Pause und ließ seinen Blick lächelnd durch die Reihen schweifen. „Heute ist für Sie alle ein wichtiger Tag, besonders aber natürlich für die Absolventen. Einige von ihnen kennen kein magisches Leben außerhalb dieser Mauern. Heute geht diese Zeit zu Ende. Sie werden Berufe ergreifen und ein vollkommen anderes Leben beginnen. Viele von ihnen werden hoffentlich zurückkehren, manche als Lehrer, die meisten hoffentlich, wenn ihre eignen Kinder ihren Abschluss machen. Doch lassen Sie uns nun zum Wesentlichen kommen, und dafür möchte ich Dich bitten, zu mir zu kommen, Potentia." Potentia trat nach vorne und lächelte Albus freundlich an. „Unsere Zaubereiministerin Potentia Silverstein wird nun als Vertreterin des Ministeriums gemeinsam mit mir die Zeugnisse verteilen. Wir werden abwechselnd die Namen verlesen und bitten den Betreffenden, zu uns zu kommen und sein Zeugnis in Empfang zu nehmen."
„Abbott, Riley"war der Erste, den Potentia aufrief und ein stämmiger Teenager stand aus der Reihe der Hufflepuffs auf. Alle klatschen höflich, als er sein Zeugnis entgegennahm und sich dann wieder setzte. Sirius Black war schließlich der erste der Freunde, der sein Zeugnis stolz von Dumbledore entgegennahm. Er hatte es schon geöffnet, noch bevor er seinen Platz erreichte. Stolz hielt er es seinem besten Freund hin. Sechs UTZ, alles bestanden, sogar zwei Ohnegleichen, natürlich in Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste.
„Evans, Lily", ertönte schließlich die Stimme von Potentia. James drückte kurz die Hand seiner Verlobten, bevor sie das Podium betrat. Das Zeugnis schwebte auf Lily zu und Potentia reichte ihr die Hand, um ihr zu gratulieren. Kaum hatte Lily ihren Platz erreicht, streifte sie die Banderole in Hausfarben ab und rollte das Pergament auf. James warf einen Blick auf das Zeugnis und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
„Siehst Du, Evans, ich hab es dir doch gesagt." Er betonte noch einmal deutlich ihren Nachnamen.
Lily sah ihn fassungslos an. Sie hatte acht UTZ erreicht, alle Fächer bestanden und alle mit Ohnegleichen.

Nach Sirius und Lily folgten schließlich nach und nach Alice, Morgan, Sage, Frank und Remus. Allesahen durchweg zufrieden aus, als sie die Rollen geöffnet hatten. Und nach
„Pettigrew, Peter", der alles andere als glücklich aussah und Platz nahm ohne sein Zeugnis zu öffnen, war James endlich dran
„Potter, James." James betrat das Podium und blickte erst seinem Patenonkel und dann seiner Tante fest in die Augen, bevor er das Zeugnis entgegennahm. Wie auch schon sein bester Freund zuvor, riss er die Banderole schon auf dem Rückweg ab und entrollte das Pergament.
Sechs UTZ, sechs Ohnegleichen.
„Potter, du Streber", witzelte Lily, als er ihr das Zeugnis hinhielt.
„Zabini, Mason", war schließlich der letzte Schüler, der von Dumbledore sein Zeugnis überreicht bekam, bevor dieser wieder an sein Rednerpult trat.
„Und nun möchte ich unsere diesjährigen Schulsprecher zu mir nach vorne bitten. Miss Lily Evans und Mr. James Potter." Lily und James betraten Hand in Hand das Podium. Sie wussten, was nun kommen würde. Ihre Abschlussrede. Doch Albus schien noch nicht fertig zu sein.
„Miss Evans und Mr. Potter haben in diesem Jahr neben ihrem Amt als Schulsprecher viel geleistet. Sie haben drei Bälle organisiert, unter anderem den heutigen Abschlussball. Sie haben Nachhilfe erteilt, waren für alle Schüler jederzeit Ansprechpartner und Mr. Potter hat sein Quidditchteam als Kapitän zum wiederholten Male zum Pokal geführt. Neben diesen vielen Verpflichtungen haben sich die beiden auch noch als brillante Schüler erwiesen, denn sie sind tatsächlich die Jahrgangsbesten. Als einzige Schüler haben sie alle ihre UTZ mit einem Ohnegleichen abgeschlossen und ich möchte Ihnen herzlich dazu gratulieren." Die gesamte Große Halle brach in Applaus aus. Dumbledore machte eine kurze Pause, bis der Applaus verklungen war. „Und nun freuen wir uns auf die Abschlussrede unseres Schulsprecherpaars."
Gemeinsam traten sie ans Rednerpult.
„Liebe Mitschüler, liebe Familien. Sieben Jahre haben wir gemeinsam hart gearbeitet, teilweise Tag und Nacht, gute Freunde gefunden und manchmal auch wieder verloren, wir haben uns im Quidditch gemessen und für unser Haus gekämpft. Manche von uns haben hier ihre große Liebe gefunden. Hogwarts war unsere zweite Familie und unser Zuhause. Morgen ist diese Zeit, wie unser Schulleiter schon sagte, vorbei" begann James und Lily übernahm direkt.
„Morgen beginnt für uns eine neue Zeit. Wir werden die sicheren Mauern von Hogwarts verlassen, eine berufliche Laufbahn einschlagen, Freundschaften erweitern, Familien gründen. Das alles erfordert Mut, Loyalität, Weisheit und manchmal auch Tücke. Eigenschaften, die in Hogwarts immer geschätzt wurden. Alle diese Eigenschaften werden wir noch in einer weiteren Hinsicht brauchen. Auf uns alle warten dort draußen nicht nur die normalen Herausforderungen, leider wartet dort auch noch etwas anderes auf uns. Ich glaube, Ihr alle wisst, wovon ich spreche. Heute möchten wir Euch einfach nur daran erinnern, die Eigenschaften, die in Hogwarts so wichtig sind, niemals zu vergessen, egal was passiert.
Nun bleibt uns nur noch eins: Herzlichen Glückwunsch und Danke für sieben wundervolle Jahre!"
Wie auf ein Kommando warfen alle Schüler ihren Hut in die Luft und jubelten.