♡132. Traditionen und Geschenke

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Lily und James verließen das Restaurant erst spät am Abend. Das erste Mal seit dem Halloweenmorgen, an dem sich Lily plötzlich wieder an ihre Visionen erinnert hatte, hatten sie wirklich Zeit für einander gehabt. Lily hatte mit ihrer Vermutung, dass sie diesen Abend gebraucht hatten, mehr als richtig gelegen. Sage wartete bereits in ihrem Cottage auf die beiden und berichtete, dass Harry friedlich schlief. Mit einem wissenden Lächeln verabschiedete sie sich.

Mit völlig neuem Eifer stürzte Lily sich am nächsten Morgen in die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest, schließlich waren es nur noch wenige Tage. Mit Harry in seinem brandneuen Buggy zog sie los, um die ersten Lebensmittel für das Fest einzukaufen. Stundenlang schlenderte sie durch einen Muggelsupermarkt, etwas, das sie seit Jahren nicht mehr getan hatte, eigentlich nicht mehr seit dem Tod ihrer Eltern. Für Harry, den Lily in den Einkaufswagen gesetzt hatte, eröffnete dieser Besuch eine vollkommen neue Welt, hatte er doch keine Ahnung, was diese vielen Packungen und Gegenstände in den hohen Regalen sein sollten, denn schließlich hatten in den letzten Jahren die Hauselfen für die gesamte Verpflegung der Ordensmitglieder gesorgt. Hin und wieder griff er nach besonders bunten Paketen im Regal und manchmal ließ Lily auch eins davon in den Einkaufswagen gleiten. Und so kehrten sie viel später nach Hause zurück.

Lily verstaute gerade die Berge von Lebensmitteln in den Küchenschränken, als James die Küche betrat. Er steckte noch in seinem Arbeitsumhang und hauchte ihr einen Kuss auf den Mund.
„Huch, was machst du denn schon hier?", fragte Lily überrascht.
James lächelte.
„Dad und ich haben beschlossen, dass auch der Minister und der Leiter der Aurorenzentrale hin und wieder mal frei brauchen, um mit ihrem Sohn beziehungsweise Enkel loszuziehen, um Weihnachtsbäume auszusuchen. Dad kommt gleich rüber und wir wollen in den Wald, um unsere traditionellen Bäume zu schlagen." Lily konnte sehen, wie sehr James die Vorstellung berührte, die Familientradition mit seinem Sohn weiterleben zu lassen. Im letzten Jahr hatten sie der Tradition nicht folgen können. Pfeifend und ohne eine Antwort abzuwarten lief James die Treppe nach oben.
Keine halbe Stunde später machten sich James, Harry und Primus, alle dick eingepackt auf den Weg in den kurz hinter dem Cottage beginnenden Wald. Wie einige Häuser in Godric's Hollow gehörte er seit Generationen James' Familie und so konnten sie hier immer ihr Feuerholz und ihre Weihnachtsbäume fällen. Lily sah ihnen aus dem Küchenfenster hinterher, während sie lachend im Schnee herumalberten. Harry warf sich strahlend in den Schnee und machte mit James' Hilfe einen Schneeengel. Irgendwann waren sie außer Sichtweite und Lily war bereits klar, dass sie später erschöpft und durchgefroren wiederkommen würden. Also setzte sie vorsichtshalber schon einmal eine Kanne Tee auf, gab dem Radio mit dem Zauberstab einen kleinen Schubs und machte sich singend an ihr Werk.

Am ersten Feiertag stand Lily im Morgengrauen auf, um die letzten Geschenke unter den wunderschönen Weihnachtsbaum zu legen, den ihre Männer aus dem Wald mitgebracht hatten. Am Kamin hing Harrys Socke und sie ließ ein paar Süßigkeiten aus dem neuen Laden in der Winkelgasse, Magische Drops und mehr, der gerade einmal eine Woche nach Voldemorts Fall eröffnet worden war, hineingleiten. Mit einem zufriedenen Lächeln fuhr Lily mit den Fingerspitzen über die Socke. Willow hatte sie kurz nach Harrys Geburt für ihn gestickt und nun zierte sie zum ersten Mal den Kamin in ihrem Haus. Lily betrat die Küche und setzte eine Kanne Kaffee auf. In wenigen Stunden würde sich die gesamte Familie zum Frühstück in der Küche von James' Eltern treffen. Doch davor hatte Lily noch einiges für das Abendessen vorzubereiten. Gut gelaunt machte sie sich daran den Truthahn und die Unmengen an Beilagen vorzubereiten.
„Mama, der Weihnachtsmann war da", ertönte eine Kinderstimme aus dem Flur, als Lily gerade die letzte Schüssel in den Kühlschrank stellte. „Mama, komm schnell."
Ein Blick ins Wohnzimmer verriet Lily, dass Harry seine Geschenke gefunden hatte. Er saß mit strahlenden Augen unter dem Weihnachtsbaum, um ihn herum tollte Amber, der Kniesel. James tappte im Schlafanzug die Treppe nach unten, seine Haare standen in alle Richtungen. Ohne ein Wort zu verlieren, drückte Lily ihm eine Tasse Kaffee in die Hand, die er mit einem dankbaren Lächeln entgegennahm. Lily nickte ihrem Sohn zu.
„Nun mach sie schon auf", erlaubte sie und Harry riss das erste Geschenk auf, bevor seine Mutter es sich vielleicht anders überlegen konnte.
Wenig später saß Harry eingebettet zwischen Bergen von Geschenkpapier und einigem brandneuen Spielzeug. Lily hatte bei ihrem letzten Streifzug durch die Winkelgasse einen Spielzeugkessel mit entsprechendem Zubehör, einen kleinen Plüsch-Hippogreif, der sogar fliegen konnte und ein paar magische Kinderspiele erstanden. Zudem hatte sie für Harry auch ein paar Märchenbücher aus der Muggelwelt gekauft, denn er sollte niemals vergessen, dass auch die Muggelwelt in gewisser Weise sein Zuhause war. Außerdem wollte sie ihm die Märchen ihrer Kindheit vorlesen.

Mit dem neuen Hippogreif unter Harrys Arm stiefelten sie wenig später durch den Schnee zum Potter-Anwesen. Immer wieder musste sie Harry davon abhalten, den Hippogreif draußen fliegen zu lassen, denn die Gestalt des Plüschtieres hätten die Muggel noch als Sagengestalt abgetan, wenn er aber fliegen konnte...
Jauchzend hüpfte Harry schließlich vor ihnen her bis zum Haus seiner Großeltern. Die halbe Familie war schon in der Küche versammelt. Sirius und Dorcas saßen am Frühstückstisch und Harry begrüßte seinen Patenonkel stürmisch, begleitet von den Worten: „Schau mal, Siri, mein Hippo."
Remus, der neben den Beiden saß, grinste breit und verstrubbelte Harry das Haar.
Willow briet wie immer Unmengen von Pfannkuchen und hatte es tatsächlich einer Hauselfe erlaubt, sich um Eier und Speck zu kümmern. Primus, Potentia und Albus schienen sich über Politik zu unterhalten und wurden erst aufgeschreckt, als Harrys Hippogreif gegen die Wand flog, weil Harry nicht aufgepasst hatte. Lachend zog Primus seinen Enkel auf seinen Schoss und ließ sich erzählen, was der Weihnachtsmann gebracht hatte.

„Ich hoffe, du hast es dir nicht anders überlegt, Lily", fragte Albus, nachdem Willow das Frühstück aufgetischt hatte. Harry kam nach seinem Vater und griff zuerst nach einem Pfannkuchen.
„Nein, natürlich nicht", schüttelte Lily den Kopf. „Ich freue mich darauf. Willow wird sich um Harry kümmern, während ich unterrichte."
Sirius hob tatsächlich den Kopf und sah von seinem Teller hoch, dem er sich konzentriert gewidmet hatte.
„Unterrichten?" fragte er.
„Ich habe mich bereit erklärt, ab Januar Zaubertränke in Hogwarts zu unterrichten", bestätigte Lily.
„Du meine Güte, Krone. Eine Professorin als Frau? Das hätte ich niemals gedacht", nahm Sirius seinen besten Freund auf den Arm. „Nein, im Ernst, Lily, ich freue mich sehr für dich. Schön, dass du etwas gefunden hast, was dir Freude bereitet. Schließlich können wir nicht alle im Ministerium arbeiten."
Das Gespräch drehte sich bis zum Ende des Frühstücks um Lilys neue Herausforderung, bis Harry den riesigen Weihnachtsbaum mit den Geschenkebergen im Wohnzimmer seiner Großeltern entdeckt hatte und sich daran machte, noch mehr neue Sachen für sein Kinderzimmer auszupacken. Dieses Mal kam unter anderem ein neuer Spielzeugbesen zum Vorschein, war er doch mittlerweile viel zu groß für seinen alten geworden. Während Harry begeistert mit seinen neuen Sachen spielte, tauschten auch die Erwachsenen ihre Geschenke untereinander aus.

Lily verteilte ihre liebevoll verpackten Geschenke und öffnete dann ihre eigenen. Das erste war von James und war groß und weich, darin befanden sich mehrere kunstvoll bestickte Umhänge und dazu passende Zauberhüte.
„Ich dachte, das könntest du für deinen neuen Job brauchen", meinte ihr Mann und Lily dankte ihm mit einem Kuss. Andächtig strich Lily über die edlen Stoffe. Ein wunderbares Geschenk fand sie und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Remus ein kleineres Päckchen mit einer seltsamen Form von Willow entgegennahm.
„Frohe Weihnachten, Schätzchen", sagte sie leise und sanft zu Remus.
Remus wirkte aufgrund ihres Tonfalls einen Moment verwirrt, dann riss er das Geschenkpapier auf und zum Vorschein kam eine kleine Glasflasche. Darin schimmerte eine braun-goldene Flüssigkeit. Erstaunt riss er die Augen auf.
„Ist das...?", fragte er und Willow nickte fast sofort.
„Ich habe das Rezept von Damocles Belby vor ein paar Tagen erhalten und direkt einen größeren Vorrat für dich gebraut. Du musst eine Woche vorher jeden Tag eine Tasse davon heiß trinken. Damocles hat es während Voldemorts Herrschaft nicht gewagt, damit herauszurücken, dass es ihm gelungen war, den Trank zu brauen. Daher ist er erst jetzt an mich herangetreten, aber er hat ihn bereits erprobt." Willows Tonfall wurde etwas ernster. „Es ist kein Heilmittel, Remus. Das weißt du."
Doch auch diese Worte konnten das Lächeln auf dem Gesicht des jungen Mannes nicht vertreiben.
„Nein, Willow, es ist kein Heilmittel, aber es ist Hoffnung."

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now