♡167. Argwohn und Überraschungen

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James und Sirius folgten Elaine Greengrass durch die holzgetäfelte Eingangshalle, welche mit unzähligen Kunstwerken geschmückt war, zu einem hellen, freundlichen Wintergarten, durch dessen viele Glasscheiben auch der letzte Lichtschein nach innen dringen konnte. Clifford Greengrass saß in einem Ohrensessel im Licht der Frühlingssonne und las im Tagespropheten. Er erhob seine eindrucksvolle Gestalt sofort, als er seine beiden Besucher bemerkte und kam strahlend auf sie zu.
„James, bei Merlin, Sie sind Ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Es ist lange her, seit ich Sie das letzte Mal gesehen habe." Er reichte James die Hand und wandte sich dann an Sirius. „Mr. Black, vielen Dank, dass Sie sich herbemüht haben."
„Wir würden gerne aufbrechen, sobald Ihre Familie bereit ist, Mr. Greengrass", ignorierte James die Worte des Älteren. Clifford nickte kaum merklich.
„Meine Frau braucht noch einen Moment. Warum setzten Sie sich nicht und trinken ein Glas eisgekühlten Kürbissaft, während Sie warten?."
Er hatte den Satz kaum beendet, als auch schon ein Hauself ins Zimmer gehuscht kam und drei Gläser mit Kürbissaft servierte. Widerstrebend nahmen James und Sirius auf dem Sofa Platz.
„Ich kann Ihren Argwohn mir gegenüber nachvollziehen, James", meinte Clifford vollkommen überraschend, während er sich setzte.
„Entschuldigung?" James blickte ihn entgeistert an.
„Ich bin ein guter Menschenkenner, James. Außerdem sehen Sie Ihrem Vater nicht nur ähnlich, Sie haben auch teilweise die gleiche Mimik und Gestik wie er." Die Stimme von Clifford Greengrass klang vollkommen ruhig, während er sprach. „Ich bin mir sicher, dass Sie von der früheren Freundschaft Ihres Vaters und mir wissen. Einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen Freundschaft, ist Ihr Vater doch ein Gryffindor und ich ein Slytherin. Und natürlich ist Ihnen auch bekannt, dass die Freundschaft ein Ende gefunden hat und Sie fragen sich zwangsläufig, ob es daran lag, dass Ihr Vater und ich grundsätzlich unterschiedliche Ideologien vertreten."
James unterdrückte jede Regung bei den Worten des Älteren, aber natürlich hatte er voll ins Schwarze getroffen.
„Und jetzt, so viele Jahre nach dem Ende unserer Freundschaft, ist es ausgerechnet ein ehemaliger Freund, der bei der Wahl gegen ihn kandidiert. Natürlich stellen Sie sich Fragen und ich bin mir sicher, Sie haben auch Ihren Vater angesprochen. Was hat Ihnen Primus gesagt?" Clifford sah James unverwandt in die Augen. James erwiderte den Blick der fast schwarzen Augen ohne zu zögern.
„Dass er Ihnen vertraut", gab er dennoch eher widerwillig zu.
Ein zufriedenes Lächeln erschien auf dem Gesicht von Greengrass.
„Guter, alter Primus", murmelte er. „Ich kann verstehen, warum Sie es nicht tun, James, und ich an Ihrer Stelle, würde es auch nicht. Trotzdem möchte ich Ihnen ein paar Dinge sagen, damit Sie sich vielleicht etwas weniger Sorgen machen." Er krempelte seinen Ärmel nach oben und zeigte seine bloßen Unterarme. „Ich war nie ein Anhänger von Voldemort oder habe ihn in irgendeiner Weise unterstützt. Wäre ich ein Todesser gewesen, würden Sie das Dunkle Mal auf meinem Arm sehen. Meine Familie interessiert sich nicht dafür, welchen 'Blutstatus' jemand hat und meine Freundschaft zu Primus ist auch nicht aus diesem Grund in die Brüche gegangen. Warum wir nicht mehr befreundet sind, sollte er Ihnen allerdings selbst sagen."
James schüttelte verwirrt den Kopf.
„Warum haben Sie sich zur Wahl aufstellen lassen?"
„Nun, das ist relativ einfach. Was glauben Sie, wie eine Wahl ausgegangen wäre, in der Primus und Alfred Barnebee die einzigen Kandidaten gewesen wären? Barnebee hätte überall erzählt, dass Primus die Kandidatenaufstellung manipuliert und andere wahnwitzige Gerüchte, die Primus' Ruf zerstört hätten. Ich habe mich aufstellen lassen, weil ich will, dass Primus Zaubereiminister wird."
„Sie wollen mir also erzählen, dass sie sich überhaupt nicht dafür interessieren, diese Wahl zu gewinnen? Warum sollte ich Ihnen auch nur ein Wort glauben, selbst, wenn es einen Unterschied machen würde, was ich darüber denke?"
Clifford presste kurz die Lippen zusammen, bevor er antwortete: „Nicht ich habe unsere Freundschaft damals beendet, James, sondern Ihr Vater, und ich bedauere seine Entscheidung bis heute."

Ein Blick verriet James, dass es sein Gegenüber ernst meinte, er wurde allerdings einer Antwort enthoben, als Elaine mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm und gefolgt von zwei weiteren Personen den Raum betrat. Die drei Männer erhoben sich.
„James, Mr. Black, mein Sohn Simon und meine Frau Solange und meine bezaubernde Enkelin Daphne."
„Ich denke, Ihre Tochter und mein Sohn werden einmal gemeinsam nach Hogwarts gehen", wandte sich James an Simon Greengrass. Zu seiner Verblüffung lächelte der Slytherin.
„Mein Vater hat mir schon berichtet, dass unsere Kinder im gleichen Alter sind, aber ich fürchte fast, dass es bei ihrer und unserer Familiengeschichte eher unwahrscheinlich ist, dass sie im gleichen Haus landen werden." Es klang fast entschuldigend.
„Das weiß man nie so genau...", murmelte Sirius leise und sein Ton klang fast sarkastisch, aber glücklicherweise bekam es außer James niemand mit.
„Wir werden sehen", war dessen diplomatischere Antwort. „Ich würde vorschlagen, wir brechen nun auf ins Ministerium?"

Sie verließen das unter Apparierschutz stehende Haus ohne Zwischenfälle, um dann vom Garten per Seit-an-Seit-Apparieren direkt in den Eingangsbereich des Ministeriums zu gelangen. An der Besucherregistrierung mussten die Greengrasses, da sie keine Angestellten des Ministeriums waren, ihre Zauberstäbe zur Prüfung abgeben und bekamen danach entsprechende Plaketten. Danach geleiteten James und Sirius die Familie hinauf in den ersten Stock in die Zaubereiministeriumszentrale, die heute sowohl von Auroren als auch Mitarbeitern des Magischen Strafverfolgungskommandos besonders bewacht wurde. Sie gingen vorbei an den wenigen Türen, die hier oben im Allerheiligsten des Ministeriums noch zu finden waren, auch wenn jeder Mitarbeiter auf dieser Etage über ein eigenes Büro verfügte. James' Blick fiel im Vorbeigehen auf das leere Türschild am Büro des stellvertretenden Zaubereiministers. Sein Vater hatte sich bis jetzt standhaft geweigert einen Stellvertreter zu benennen mit der Begründung, dass er als provisorischer Zaubereiminister nicht das Recht dazu habe. Als der Name seines Vaters nun an dessen Bürotür in seinem Blickfeld auftauchte, musste James schlucken. 'Primus James Potter – Zaubereiminister' - prangte dort auf einem goldenen Schild an der riesigen Eichenholztür. Unwillkürlich drängte sich James die Frage auf, ob dort noch heute Abend ein anderer Name stehen würde und wie die Zukunft ihrer Welt dann aussehen würde, doch er versuchte sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Er war Leiter der Aurorenzentrale, verantwortlich für eine der wichtigsten Abteilungen im Ministerium und für den Schutz des Ministers – egal wie dieser heute Abend heißen würde. Wobei er sich ziemlich sicher war, dass er bei der Wahl einer Person am heutigen Abend sowieso keinen Job mehr haben würde, genauso wenig wie Sirius oder Dorcas. Er umklammerte den Zauberstab in seiner Umhangtasche fester und richtete den Blick stur geradeaus auf den Gang.
„Sie sollten etwas Vertrauen haben, James", erklang ganz leise die Stimme von Clifford Greengrass neben ihm und für einen Moment dachte James, er hätte sich verhört. Doch die schwarzen Augen des älteren Mannes ruhten so durchdringend auf ihm, als er sich ihm zuwandte, dass er tatsächlich etwas gesagt haben musste. „Glauben Sie wirklich, die Menschen wissen nicht, was sie Ihrer Familie zu verdanken haben?"

Statt zu antworten, öffnete James die Tür zu einem Besprechungsraum, der direkt neben dem Büro des Ministers lag und ließ Cliffords Familie den Vortritt. Clifford selbst blieb mit ihm zurück.
„Ich weiß es nicht", sagte James fast lautlos zu ihm, als dieser an ihm vorbeiging. Clifford schenkte ihm ein Lächeln und begab sich zu seiner Familie.
„Das war nicht anders zu erwarten", riss eine unwirsche Stimme James aus seinen Gedanken, kaum, dass er die Tür hinter sich und Sirius geschlossen hat. „Natürlich kommt Primus Potter als Letzter. Die anderen kann man ja warten lassen. Warum sollte nicht auch er schon die ganze Zeit im Ministerium sein und warten?"
James fuhr zu der Stimme herum und erspähte am Konferenztisch Barnebee, der mit einem hochroten Kopf seinem Unmut Luft machte.
Er atmete einmal kurz durch, bevor er antworte.
„Weil er der derzeit amtierende Minister ist, Mr. Barnebee."
„Nicht mehr lange", giftete der andere, aber James schüttelte nur den Kopf, dann verließ er mit Sirius wieder den Raum.

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now