♡78. Sirius Verzweiflung

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In den nächsten Tagen war es im sonst so fröhlichen Potter-Haushalt ruhig. Niemandem war wirklich zum Lachen zu Mute, hatten sie doch Regulus alle gekannt. Und jemanden zu verlieren, der den Weg zurück gesucht hatte, stimmte sie traurig. Sirius traf es besonders schlimm, er verkroch sich in seinem Zimmer und sprach tagelang nur mit James und Remus. Nicht einmal mit Peter wechselte er ein Wort. In Willows Gesicht hatten sich mittlerweile tiefe Sorgenfalten ob es Zustands ihres Ziehsohnes gegraben. Nicht einmal zu den Mahlzeiten gesellte er sich zu den anderen. Lily konnte ihn nur zu gut verstehen, hatte sie doch vor nicht allzu langer Zeit um ihre eigenen Eltern getrauert. Am fünften Tag klopfte sie entschlossen an Sirius' Tür. Sie würde nicht zulassen, dass er sich in der Trauer verrannte. Lily öffnete die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten – sie hätte sowieso keine bekommen. Sirius lag auf dem Bett und starrte die Decke an. Lily erschrak bei seinem Anblick. Der sonst so starke und fröhliche Sirius wirkte eingefallen und grau. Seine Haare waren ungekämmt und das sonst so typische Grinsen war verschwunden. Von seiner manchmal arrogant wirkenden Körperhaltung war nicht mehr das Geringste zu sehen. Es war mehr als deutlich zu sehen, warum sich James Sorgen um seinen besten Freund machte.
Lily trat an Sirius' Bett und zog mit einem Schlenker ihres Zauberstabs einen Stuhl vom Schreibtisch herbei. Entweder wollte Sirius sie nicht wahrnehmen oder aber er tat es wirklich nicht, denn er zeigte keinerlei Regung. Lily blieb einfach einen Moment stumm sitzen und wartete darauf, dass Sirius etwas sagte. Ihre Geduld wurde belohnt.
„Weißt du, Lily. Ich habe immer versucht, Regulus zu schützen", seine Stimme klang brüchig und Lily war sich sicher, dass er geweint hatte, kurz bevor sie gekommen war. Sanft griff sie nach seiner Hand. „Ich hätte mein Leben für ihn gegeben, wenn er zu mir gekommen wäre, auf der Flucht vor diesem elenden Scheusal. Doch er ist nicht zu mir gekommen. Mein eigener Bruder hat mir nicht vertraut. Nicht einmal als er dem Tod nahe war. Wie können James, du und Remus mir dann noch Vertrauen schenken? Wenn ich nicht weggegangen wäre, sondern dem Wunsch meiner Eltern gefolgt wäre. Wenn ich ein Todesser geworden wäre, dann könnte Regulus heute noch leben." Er brach ab. Lily konnte spüren, wie die Vorstellung, ein Todesser zu sein, seine schiere Vorstellungskraft überstieg. In seinen gerade noch verzweifelten Augen konnte sie pure Ablehnung lesen.
„Sirius, ich bin mir sicher, Regulus hat dir vertraut. Er ist aus einem einzigen Grund nicht zu dir gekommen. Weil er dich geliebt hat. So wie du James und Remus liebst. Du würdest nie, niemals ihr Leben aufs Spiel setzen, um dein eigenes zu retten." Sirius drehte den Kopf leicht zu Lily, während sie sprach. Seine grauen Augen fixierten ihre grünen. „Wenn Regulus auch nur einen Hauch deines Mutes und Deiner Loyalität in sich trug, hätte er niemals das Leben seines geliebten Bruders riskiert, um sich selbst zu schützen. Und was die Todesser angeht, Sirius. Du hättest dich doch lieber selbst umgebracht als einer von ihnen zu werden." Lily sah ihm fest in die Augen. „Dein Herz ist zu voll von Liebe, um solch ein Monster zu werden, Sirius Black. Ich würde dir mein Leben jederzeit anvertrauen, denn du bist der beste Freund, den man sich wünschen kann." Sie sah, wie Sirius die Lippen zusammenkniff, doch es war nicht die Trauer, die sein Gesicht zeichnete. Diesmal war es Rührung und auch ein Hauch Erleichterung. Es schien, als hätte Lily die richtigen Worte getroffen. Doch sie war noch nicht fertig.
„Weißt Du, als meine Eltern gestorben sind, dachte ich, mein Leben hat nicht mehr wirklich einen Sinn. Ich gab mir die Schuld, weil ich nicht bei ihnen war, als sie gestorben sind. Lange habe ich das mit mir rumgetragen, doch irgendwann ist mir klar geworden, dass meine Eltern mich viel zu sehr geliebt haben um zu wollen, dass ich mein Leben verschwende, weil mich die Trauer lähmt. Du musst leben, Sirius. Für James, für Remus, für Peter, für Dorcas, für Willow und Primus und auch für mich. Aber vor allem: für dich selbst." Einen Moment sagte niemand von ihnen ein Wort.
„Du hast vollkommen Recht, Lily. Aber du hast zwei Gründe vergessen." Ein Ansatz des alten Black-Lächelns trat auf sein Gesicht und Lily sah ihn fragend an.
„So, welche denn?"
„Zum einen muss irgendjemand damit beginnen, den Todessern gehörig in den Allerwertesten zu treten." Seine Augen funkelten. „Und noch viel Wichtiger: Harry! James hat mir versprochen, dass ich sein Patenonkel werde, wenn ich nur endlich aus diesem Zimmer rauskomme und wieder der alte Sirius bin."
Lily lachte übermütig.
„Nichts lieber als das, Sirius. Außerdem kann ich unmöglich zulassen, dass mein Mann sein Wort nicht halten kann."

Kurz darauf betraten sie gemeinsam die Küche, in der scheinbar gerade der Familienrat tagte. Zumindest saßen Remus, James, Dorcas, Primus, Willow, Potentia und Peter am Tisch und beratschlagten sich über irgendetwas. Keiner von ihnen sah wirklich glücklich dabei aus. James hob den Kopf, als die den Raum betraten und ein Grinsen trat auf sein Gesicht.
„Sirius", sagte er sanft. Die Gesichtszüge der anderen glätteten sich sofort und es war mehr als deutlich, dass ihre Sorgen Sirius gegolten hatten. „Lily hat es also geschafft, dir gut zuzureden."
Der Angesprochene lächelte leicht.
„Ja, hat sie. Außerdem: wer soll auch sonst deinem Sohn von dem ganzen Unfug erzählen, den wir in Hogwarts getrieben haben?" James grinste ihn breit an. Er wusste genau, worauf sein bester Freund abzielte.
„Es gibt niemand besseren für diesen Job als Dich, Sirius."

Wenig später brachen Lily und James zu ihrer Mission auf. Auch wenn Albus es für zu gefährlich hielt, hatte er sich doch ihrem Argument nicht verschließen können, dass es sicherer war, Bellatrix zu beobachten als von ihr verfolgt zu werden. Wieder war es ein Tag mit viel Bewegung im Hause der Lestranges. Doch etwas war anders, die Todesser zeigten nicht mehr offen ihre Gesichter, sondern versteckten sich hinter Kapuzen und Masken. Es war ein angsteinflößender Anblick. Noch dazu waren es viele. Viel mehr als sie angenommen hatten. Entweder hatte Voldemort seine Reihen massiv gestärkt oder heute waren zum ersten Mal tatsächlich alle Todesser anwesend. Lily und James tauschten entsetzte Blicke. Egal, was es war, es konnte nichts Gutes bedeuten.

Und sie sollten leider Recht behalten. Wenig später verließen die Todesser als gesamte Gruppe das Haus. Es war unmöglich auszumachen, ob sich Voldemort unter ihnen befand. James vermutete, dass sie einen Angriff planten und überlegte, wie er den Orden warnen konnte. Ein Patronus war zu auffällig, er würde sofort ihren Standort verraten. Doch plötzlich trennten sich die Todesser und schwärmten in alle Richtungen aus, als...
„Lily, wir müssen hier weg. Sofort", sagte er leise. Es sah tatsächlich so aus, als wüssten die Todesser, dass sie beobachtet wurden.

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now