♡97. Klare Momente

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Stunden über Stunden saßen sie in der Küche und warteten auf das Morgengrauen.
Peter wirkte nicht sonderlich glücklich bei der Vorstellung, der Geheimniswahrer zu werden. Seine Gesichtsfarbe glich einem Bettlaken und seine Augen waren weit aufgerissen. Sirius, der im Gegensatz zu den anderen nicht allzu viel Verständnis für Peters Ängste aufbrachte, sah ihn abschätzig an.
„Mach dir nicht in die Hose, Wurmschwanz. Der Vorteil ist, dass du dich verstecken kannst, ohne dass es dir jemand übel nimmt. Du bist raus aus allen Missionen und kannst dich im Haus deiner Eltern verkriechen, ohne eine Gefahr einzugehen." Sirius' Stimme klang kalt und einen Moment wunderte sich Lily darüber. Doch die Worte zeigten Wirkung. Peters Gesichtszüge entspannten sich und während er darüber nachdachte, schien ihm die Idee immer besser zu gefallen. Also beließ es Lily dabei und wies Sirius nicht für seinen harschen Tonfall zurecht.
Wenig später brachen James und Peter, verborgen unter dem Tarnumhang, auf, um den Fidelius-Zauber für das Cottage zu sprechen. Lily bereitete während dessen das letzte gemeinsame Frühstück zu. Immer wieder fiel ihr Blick nervös auf die Küchenuhr. Die Angst, dass James nicht zurückkehren würde, weil Todesser vor dem Haus herumlungerten, ließ sie keine Sekunde los. Nach einer halben Stunde waren die beiden immer noch nicht zurückgekehrt und Lily ein nervliches Wrack. Sirius war mit Dorcas oben, um die letzten Sachen zu packen. Remus war kurz nach dem Streit in der vergangenen Nacht gegangen, erst einmal zu seinen Eltern und dann ebenfalls ins Hauptquartier.

„Lily? Alles in Ordnung mit dir?" Vor lauter Schreck fiel Lily der Teller aus der Hand und zerbrach klirrend am Boden Willow stand hinter hier und erstaunlicherweise sah sie recht klar aus. In diesem Moment kamen auch Peter und James zurück. Lily hatte das Gefühl, eine zentnerschwere Last sei von ihren Schultern genommen, als sie ihren Mann in die Arme schloss.
„Hat alles funktioniert?" James nickte langsam, bevor er sich zu seiner Mutter umdrehte. Lily konnte sehen, wie er sich innerlich dagegen wappnete, wieder von Willow angeschrien zu werden, weil sie ihn nicht erkannte. Sie legte James eine Hand auf die Schulter, um ihm Beistand zu geben.
„Mom, was machst du hier unten?" Willow zog erstaunt die Augenbrauen nach oben.
„Ich wollte Lily beim Frühstück helfen. Warum sollte ich aber auch nicht hier unten sein? Wo warst du eigentlich? Du weißt, dass es viel zu gefährlich für euch ist, das Haus zu verlassen."
James schüttelte leicht den Kopf. Warum erinnerte sich seine Mutter plötzlich wieder daran, wer sie war? Sie wirkte wieder so vernünftig. Hatte Albus sich geirrt? Hoffnung keimte in ihm auf.
„Setz dich, Mom." Er wies auf die Essgruppe. „Ihr habt euch gestern sehr merkwürdig verhalten. Du hast einen Kessel in die Luft gejagt und dann habt ihr darum getanzt wie kleine Kinder. Und ihr konntet euch ans nichts mehr erinnern." James atmete tief ein. „Mom, du hast mich nicht mehr erkannt." In Willows' Gesicht zuckte ein Muskel.
„Das Gift der Gelbgiftnatter."
„Woher weißt du?"
„James, ich studiere seit Jahrzehnten Gifte und ihre entsprechenden Gegengifte, um Heiltränke herzustellen. Ich kenne die Wirkung und die Folgen von allen Giften, die derzeit bekannt sind, habe ich doch nicht selten selbst die Forschung betrieben. Leider weiß ich auch ganz genau, was die Wirkung von Gelbgiftnatterngift ist." Willows Blick wanderte zu Lily.
„Wirst du einen Heiltrank brauen?" Sie sagte das so selbstverständlich, als gäbe es keinen Zweifel daran, dass es Lily gelingen würde.
„Ich werde mein Bestes versuchen, Willow. Und ich werde es schaffen. Ihr müßt wieder gesund werden." Lilys Stimme klang fest. Zum ersten Mal glaubte sie tatsächlich daran, dass sie erfolgreich sein würde.
„Natürlich wirst du es schaffen. Ich habe noch nie eine so begabte Schülerin gehabt wie dich. Wenn dieser elende Krieg vorbei ist, musst du unbedingt eine Ausbildung zur Heilerin machen. Oder noch besser, direkt in die Zunft der Trankmeister und du unterrichtest. Deine Begabung muss genutzt werden, Lily, vergiss das bitte nie. Ich bin sehr glücklich darüber, dass James dich gewählt hat. Es gibt niemanden, der besser zu ihm passen könnte." Willow stand auf und kniete sich vor ihren Sohn.
„Egal was passiert, James. Du sollst wissen, dass wir dich jede Sekunde deines Lebens geliebt haben. Dein Vater und ich sind unglaublich stolz auf dich. Du und Lily werdet diesen Krieg zu unseren Gunsten entscheiden, da bin ich mir sicher." James stand auf und zog seine Mutter in die Arme.
„Ich liebe dich, Mom. Lily wird euch wieder gesund machen."
Willow lächelte leicht, doch Lily konnte auch die Angst in ihren Augen erkennen.
„Natürlich wird sie das. Ich gehe jetzt nach deinem Vater schauen. Ihr beiden dürft nie vergessen, wie sehr wir euch lieben und dass Liebe das Wichtigste auf dieser Welt ist. Versprecht mir das." Willow umarmte sie nochmal beide und ging langsam die Treppe nach oben. James hatte das Gefühl, als sei seine Mutter in der letzten halben Stunde um Jahre gealtert. Dennoch war er dankbar, dass er mit ihr hatte sprechen können. Denn nach wie vor war vollkommen unklar, ob Lily die Chance haben würde, den Trank zu beenden. Keiner der drei Vergifteten ließ sich im Laufe des Morgens unten blicken.

Nach dem Frühstück brachten Lily und James ihre Sachen in das Cottage. Es war ein komisches Gefühl, nach mehr als einem Jahr wieder hier zu sein. Über den liebevoll ausgesuchten Möbeln lag eine dicke Staubschicht und Lily musste ein Schluchzen unterdrücken. Voldemort hatte soviel zerstörte. So viele Träume und Pläne hatte er auf dem Gewissen. Wie sehr hatten Lily und James darauf gehofft, hier in diesem wundervollen kleinen charmanten Haus eine glückliche Familie zu werden. So sehr Lily das Haus auch liebte, hatte sie doch hier einige unschöne Momente durchleben müssen und sie würden hier den Tod finden. Sie erschauderte, bevor sie sich daran machte, die Küche vom Staub zu befreien. James war mit Harry im Obergeschoss. Harrys Zimmer musste als erstes gereinigt werden, sollte sich der Kleine doch wohl fühlen. Eine Stunde später blitzte und blinkte das Untergeschoss und sah aus, als hätten die Bewohner es nie verlassen. Lily sah sich zufrieden um und stieg dann die Treppe nach oben, um nach ihren beiden Männern zu sehen.

Sie fand James schlafend im Sessel neben dem Kinderbett, Harry saß auf seinem Schoß, den Kopf an die Schulter seines Vaters gelehnt und schlief ebenfalls tief und fest. Auf dem Boden vor den beiden lag ein aufgeschlagenes Kinderbuch. Lily lächelte und hob es auf. Die Märchen von Beedle dem Barden. Wie konnte es auch anders sein, dachte sie bei sich. Leise stellte sie das Buch zurück ins Regal. Dann nahm sie Harry sanft aus James' Arm und legte ihn in sein Bettchen. Zum Schluss zauberte sie noch eine Decke herbei und breitete sie über ihrem Mann aus. Danach ging sie in den Raum neben dem Kinderzimmer. Hier hatte sie sich, bevor sie zu James' Eltern umgezogen waren, einen kleinen Arbeitsraum eingerichtet. Behutsam strich sie über den Kessel, den Willow und Primus ihr zum ersten gemeinsamen Weihnachten geschenkt hatten. Da es im Potter-Anwesen genug Kessel gab, hatte sie ihn nicht mitgenommen. Doch eigentlich war sie froh, ihre Zaubertränke nun wieder in ihren eigenen Kesseln und besonders im Silberkessel brauen zu können. Diese Kessel und ihr Verhalten, wie schnell sie zum Beispiel die Hitze annahmen oder wieder auskühlten, kannte sie in- und auswendig. Mit fremden Kesseln zu arbeiten, war für sie ein wenig, wie das zaubern mit einem fremden Zauberstab. Es war immer ein wenig so, als würden die Kessel nicht ganz genau das machen, was sie wollte. Sie zog ein Zaubertrankbuch aus dem Regal mit ihrer mittlerweile recht umfangreichen Sammlung. Einen Moment blätterte sie darin, bis sie das richtige Rezept gefunden hatte. Der Heiltrank gegen Gelbgiftnattern. Sie nahm am Arbeitsplatz Platz und begann zu lesen.
Gemahlener Bezoar, Bilywig-Stachel, Feuersalamander-Blut, Joberknoll-Federn. Kein Problem, das hatte sie alles in ihrem eigenen Vorrat. Schwieriger wurde es schon mit Acromantulagift, Einhornhaar und besonders dem Erumpent-Horn. Der Handel mit letzterem unterlag strengen Kontrollen und daher war diese Zutat äußerst schwer zu bekommen. Noch schwieriger war allerdings das Lobaluggift. Nicht jeder durfte es erwerben. Hierfür war eine spezielle Lizenz des Zaubereiministeriums notwendig. Sie konnte nur hoffen, dass diese speziellen Zutaten in Hogwarts vorhanden waren, denn sonst würde es mehr als schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden. Ein Blick auf die Zubereitung verriet ihr, dass die einfacheren Zutaten zerkleinert werden sollten und gemeinsam mit Weinrautenessenz aufgekocht werden mussten. Danach musste der Trank vier Wochen köcheln und alle zwei Tage immer zur gleichen Zeit mit bestimmten Bewegungen umgerührt werden. Lily holte die entsprechenden Zutaten aus ihrem Vorratsschrank und beschloss, zu beginnen. Je früher sie anfing, umso früher wäre sie fertig. Hochkonzentriert machte sie sich an die Arbeit.

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now