♡ 7. Unerwartet

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James reichte ihr die Hand und zog sie von ihrem Stuhl hoch. Bei seiner Berührung durchzuckte Lily ein Stromschlag. Irritiert entzog sie ihm ihre Hand und lief hinter ihm her zum Schulsprecherraum. Dieser lag nicht weit vom Gryffindor-Turm entfernt ebenfalls im siebten Stock. Ob das wohl daran lag, dass eigentlich immer ein Schulsprecher aus dem Haus Gryffindor stammte, fragte sich James. Allerdings hing vor dem Eingang kein Portrait, sondern eine riesige Statue von Godric Gryffindor. „Eismäuse", sagte James und die Statue trat zur Seite. Der Schulsprecherraum ähnelte erstaunlicherweise dem Gryffindor-Gemeinschaftsraum und war auch fast genauso groß. In einer Ecke standen mehrere Bücherregale mit einer sehr großen Auswahl an Büchern zu allen möglichen Themengebieten. Es gab einen Kamin mit einem Sofa und Sesseln und zwei große Schreibtische. „Wow", entfuhr es Lily und James nickte.
„Das hier ist für zwei Dinge perfekt...."
„Potter, du wirst hier keine Partys feiern, " fiel ihm Lily ins Wort.
„Ach, Lily, du gönnst mir auch gar keinen Spaß. Na ja, aber zum Üben ist er wirklich perfekt. Komm, lass
uns direkt anfangen."
Wieder ergriff er ihre Hand und zog sie zu den Sesseln vor dem Kamin. „Womit hast du am meisten Probleme?" Lily überlegte kurz.
„Ich weiß auch nicht so genau. Irgendwie fehlt mir das Gefühl für dieses Fach. Aber die Abwehrzauber machen mir ab und an Probleme. Und..." Sie stockte kurz.
„Ja?" James sah sie fragend an.
„Ich würde so gerne einen Patronus können. Ich finde diese Dementoren so angsteinflößend. Aber ich nehme mal an, den werden wir wohl dieses Jahr dran nehmen. Vielleicht kannst du mir ihn beibringen, wenn es soweit ist." James lachte.
„Lily, ich kann ihn dir jetzt schon beibringen." Lily starrte ihn sprachlos an.
„Du kannst einen Patronus hervorbringen? Aber woher? Wieso?", fragte sie, als ihre Sprache wiedergefunden hatte. James lachte erneut.
„Mein Vater ist Leiter der Aurorenabteilung. Da schnappt man einiges auf. Ich glaube, mein Vater fände es auch nicht sonderlich erbaulich, wenn Verteidigung gegen die dunklen Künste nicht mein bestes Fach wäre." Wieder war Lily verwirrt. An einem Abend erfuhr sie mehr über James Potter als in den gesamten letzten sechs Jahren. Außerdem passten diese Informationen und sein Verhalten auch nicht wirklich zu dem Bild, das sie von ihm hatte. James grinste sie fröhlich an und in ihrem Bauch schienen jede Menge Schmetterlinge unterwegs zu sein. Was war nur los?
Er stand auf und ging zur Mitte des Raums. Lily folgte ihm.
„Zeig mir mal deinen Protego." Lily hob den Zauberstab und brachte einen ziemlich guten, aber nicht perfekten Schildzauber zustande. James hatte ihr aufmerksam zugesehen.
„Ich glaube, ich weiß, was das Problem ist. Du glaubst nicht an den Zauber." Lily sah ihn etwas verständnislos an.
„Was meinst du mit ‚nicht daran glauben'?"
„Ganz einfach. Du bist nicht vollständig davon überzeugt, dass du es kannst. Ich weiß nicht genau warum, denn du bist eine hoch talentierte Hexe." Lily errötete. Das war ihr noch nie in James' Gegenwart passiert.
„Du musst den Zauber mit mehr Überzeugung sprechen und vor allem denken. Ich zeig es dir." Nun hob James den Zauberstab.
„Protego." Mit selbstsicherer Stimme sprach er den Zauber und erzeugte einen perfekten Schutzschild.
Die nächste Stunde übte James mit Lily die verschiedenen Schutzzauber, bis auch sie sich sicher fühlte und die Zauber perfekt hervorbrachte. Darüber hatten sie vollständig die Zeit vergessen.
„Oh, es ist schon Zeit fürs Abendessen. Komm, wir können am Wochenende nochmal üben, wenn du magst." James machte Anstalten, den Raum zu verlassen. Diesmal war es Lily, die seine Hand nahm. James sah sie überrascht an.
„James, kannst du mir deinen Patronus zeigen? Ich habe noch nie einen gesehen." James hob abermals den Zauberstab.
„Expecto patronum!" Aus der Spitze von James' Zauberstab brach Licht hervor und ein riesiger Hirsch galoppierte einmal quer durch den Raum, bevor er sich in Luft auflöste.
„Wahnsinn, " flüsterte Lily andächtig. „Ich hätte nicht gedacht, dass du sogar einen gestaltlichen Patronus schaffst." Nun wurde James rot.
„Komm, lass uns essen gehen." Er drehte sich um und verließ den Raum, Lily folgte ihm in die Große Halle.
Als sie diese betraten, saßen die Rumtreiber und Lilys Freundinnen schon am Tisch.
„Hey, wir haben euch schon überall gesucht", meinte Sirius, als sie sich an den Tisch setzten „und wo kommt ihr überhaupt zusammen her? Und warum schreit ihr euch nicht an?" Er sah vom einen zum anderen.
„Schulsprecherkram." James wollte nicht preisgeben, dass er Lily geholfen habe, er wusste nicht, ob es ihr vielleicht peinlich war. Sie lächelte ihn dankbar an. Er hatte wohl das Richtige gesagt.
James stocherte nur in seinem Abendessen herum, er war vollkommen in Gedanken versunken. Lilys neues Verhalten verwunderte ihn. Plötzlich war sie freundlich zu ihm. Woher kam das? Am ersten Schultag hatte sie mehr mit ihm gesprochen wie im gesamten vorherigen Schuljahr. Auch Lily verspürte nur wenig Appetit. Ihr Blick glitt immer wieder zu James, der ihr gegenüber saß. James schien sich in den Ferien geändert zu haben. Der neue James gefiel ihr. Sehr sogar. Sie trank einen Schluck Kürbissaft. Er gefiel ihr sogar so gut, dass sie sich vorstellen könnte, „ja" zu sagen, wenn er sie das nächste Mal nach einem Date fragen würde. Vor Schreck prustete sie ihren Kürbissaft über den Tisch. Das riss sie aus ihren Gedanken und sie lief rot an.
„Entschuldigung." Murmelte sie verlegen. James hatte jede Menge Kürbissaft im Gesicht. Doch er lachte nur laut und unbekümmert. Sie konnte nicht anders und lachte mit.
Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass er sie nicht auslachte, sondern einfach über die Situation lachen musste. Und dieses Lachen war so ansteckend, dass Lily einfach mitlachte. Sie lachten so laut, dass sich die gesamte große Halle nach ihnen umdrehte. Irgendwann wurde ihr Lachen ruhiger und sie konnten aufhören. Alle schienen sie anzustarren. James zog seinen Zauberstab aus der Tasche und reinigte sein Gesicht und seinen Umhang. Er schien sich überhaupt nicht daran zu stören, dass ihn alle anstarrten und sich fragten, seit wann sich James und Lily so gut verstanden. James zwinkerte Lily einmal zu und widmete sich mit plötzlich großem Appetit seinem Abendessen. Es war, als hätte sich mit diesem Lachen plötzlich ein Großteil der Spannung der letzten Jahre entladen. Sirius konnte seinen besten Freund nur anstarren. Was war zwischen dem Ende ihrer Schachpartie und gerade geschehen? Wo waren die beiden überhaupt gewesen? Er brummte ungeduldig, stand auf und zog James vom Tisch weg.
„Hey....." weiter kam James nicht. Sirius hatte ihn schon aus der Großen Halle gezogen und Remus folgte ihnen auf dem Fuße.
Erst vor dem Schloss blieb Sirius stehen.
„So, und jetzt verrätst du mir, was ich da gesehen habe!" James war verwundert.
„Und dafür ziehst du mich jetzt von meinem Abendessen weg?"
„Du hattest genug Zeit zum Essen vor dieser Lachorgie." Remus war hinter die beiden getreten. James
zuckte nur mit den Schultern.
„Es ist nichts passiert. Wirklich nicht. Es sieht einfach nur so aus, als hätte Lily endlich ihr Kriegsbeil
begraben. Remus' Rat hat schneller funktioniert, als ich dachte. Sie hat mich vorhin gebeten, ihr in Verteidigung gegen die dunklen Künste zu helfen, das war alles." Remus schüttelte ungeduldig den Kopf.
„Nein, das war nicht alles. Das ist ein Riesenfortschritt! Sie hat mit dir geredet, sie hat deine Hilfe in Anspruch genommen und sie hat mit dir gelacht. Es hat sich alles verändert, James. Mach so weiter, dann könntest du wirklich ihr Herz gewinnen."

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now