♡93. Schwere Zeiten

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Während im Hause Potter sich das Leben hauptsächlich um den jüngsten Sprössling drehte, tobte draußen, außerhalb der heilen Welt des Anwesens, ein erbarmungsloser Krieg. Immer mehr Zauberer und Hexen wurden getötet oder verschwanden spurlos. Wer muggelstämmig oder ein Halbblut war, war entweder schon lange aus Großbritannien geflohen oder lebte versteckt. Doch auch eine Flucht in die Muggelwelt oder die angrenzenden Länder versprach keine Sicherheit mehr. Längst hatte der Krieg auch diese erreicht. Die Zeitungen der Muggel waren voll von rätselhaften Morden sowie erstaunlich hohen Selbstmordraten. Die Vermisstenlisten waren insbesondere unter ranghohen Politikern des Landes lang. Dazu hatte eine wirtschaftliche Depression nie gekannten Ausmaßes Großbritannien fest im Griff, dies alles erfuhren die versteckt lebenden Bewohner von Godric's Hollow nur durch die Zeitungen, die Abby oder Ramsey jeden Tag einschmuggelten oder die seltenen Nachrichten und noch selteneren Besuche von Albus Dumbledore. Das Zaubereiministerium war mittlerweile fest in den Händen von Voldemorts Anhängern, ebenso wie der Tagesprophet. Einer der wenigen sicheren Orte stellte Hogwarts dar, wenn auch leider nicht mehr für muggelstämmige und Halbblüter. Auch Albus hatte sich in gewisser Weise dem Druck Voldemorts beugen müssen, um wenigstens die verbleibenden jungen Hexen und Zauberer weiter ausbilden zu können und Hogwarts nicht zu einer Hochburg der schwarzen Magie werden zu lassen. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass Voldemort im Begriff war, die Macht über das Land vollständig zu übernehmen, doch war er bisher nicht ein einziges Mal öffentlich in Erscheinung getreten. Die mittlerweile alle im Verborgenen lebenden Mitglieder des Ordens waren einhellig der Meinung, dass dies nur einem einzigen Zweck dienen konnte: würde er öffentlich in Erscheinung treten, würden vielleicht die bisherigen Skeptiker, die nicht an eine Machtergreifung Voldemorts glaubten, sich gegen ihn stellen. Und mit ihnen auch die vielen Zauberer und Hexen, die zu viel Angst hatten.
Und doch, trotz der immer schlechter werdenden Nachrichtenlage, gab der Orden des Phönix nicht auf. Im Gegenteil: je auswegloser die Situation zu werden schien, umso mehr Mitglieder schlossen sich ihnen an. Auch wenn es für die betreffenden Zauberer und Hexen hieß, ihr bisheriges Leben vollständig aufzugeben und im Verborgenen zu leben, wollten doch viele den Kampf aufnehmen. Albus startete einige Missionen wieder und obwohl es keine Treffen mehr gab, wurden den Mitgliedern durch die Patronus-Kommunikation immer die wichtigsten Botschaften mitgeteilt. Es gelang ihm sogar, einige Mitarbeiter des Ministeriums für ihre Seite zu gewinnen, die ihn regelmäßig mit wichtigen Informationen versorgten und dabei ständig um ihr Leben fürchten mussten.
Monat um Monat strich ins Land, ohne dass man auch nur ansatzweise über einen Gegenangriff nachdenken konnte. Während des gesamten Winters wurde die Situation immer festgefahrener. Einige der wertvollsten und talentiertesten Mitglieder des Ordens saßen weiterhin im Anwesen der Potters fest. Mitglieder des Ordens auf Missionen verschwanden spurlos oder wurden getötet. Es traf Freunde und Bekannte. Menschen, denen man nahe stand. Molly Weasley verlor ihre beiden Brüder. Sie waren bei einem Kampf gegen einen der brutalsten Todesser - Antonin Dolohow - getötet worden. Erbitterten Widerstand hatten sie geleistet, aber vier weitere Todesser kamen Dolohow zu Hilfe und damit war das Schicksal der Prewett-Brüder besiegelt. Eine Beerdigung wie noch bei den Jones' fand nicht statt, es war zu gefährlich. Ein Ordensmitglied brachte sich schon in höchste Lebensgefahr, als er die Leichen zu Molly schaffte. Benji Fenwick, Alices Bruder, wurde lange vermisst, bevor man später einige Stücke von ihm fand. Lily, die mit Alice im Rahmen ihrer Möglichkeiten in Kontakt stand, versuchte ihr Bestes, um die Freundin zu trösten. Doch was Alice zu dieser Zeit am meisten half, war ihr kleiner Sohn Neville, der sich prächtig entwickelte.
Lily wurde sich ihres eigenen Glücks in dieser für alle grauenhaften Situation bewusst. Während Alice nur ihre eigenen Eltern, Frank und dessen Mutter um sich hatte und mit ihnen allen im nicht gerade riesigen Hause der Fenwicks ihren Sohn aufziehen musste, hatte Lily neben ihren Schwiegereltern noch ihre besten Freunde um sich. Das Haus der Potters war so groß, dass man sich problemlos aus dem Weg gehen konnte. Wenn man aber Gesellschaft suchte, weil die Last der Gedanken einen schier zu erdrücken schien, war in der Wohnküche eigentlich immer jemand. Nicht immer war die Stimmung im Hause wirklich gut, aber auch nur an wenigen Tagen wirklich schlecht. Alle gaben ihr Bestes, um trotz des tobenden Kriegs eine Art Zuhause zu haben und Harry eine schöne Kindheit zu ermöglichen. Zumindest soweit dies möglich war. Überhaupt war Harry der ungekrönte Prinz des Haushalts. Mit einem Gesicht, das James' Kinderfotos so sehr ähnelte, dass es schon fast unheimlich war und den gleichen abstehenden schwarzen Haaren, würde er niemals verleugnen können, ein Potter zu sein. Nur die Augen, die Augen verrieten, dass seine Mutter Lily Potter, geborene Evans, war. Denn aus Harrys zartem Gesicht leuchteten die gleichen grünen Augen wie die seiner Mutter. Er war ein wunderbar fröhliches Kind. Schon beim Aufwachen schenkte er seiner Mutter ein Lächeln und hin und wieder auch ein vergnügtes Glucksen. Stundenlang konnte er dem Mobile über seinem Bett, einem Überbleibsel aus James' Kindheit, zusehen und seine kleinen Ärmchen versuchten dann immer, nach den Besen zu greifen. Lily musste bei der Vorstellung, wie sehr er seinem Vater nicht nur äußerlich nachschlug, immer wieder innerlich grinsen. James hütete seinen Sohn wie seinen eigenen Augapfel. An manchen Tagen konnte man das Gefühl bekommen, er würde ihn am liebsten gar nicht loslassen. Zumindest einen Vorteil hatte die „Gefangenschaft" allerdings. Niemand konnte Harry mit materiellen Dingen überschütten. Lily wünschte sich, dass er nicht als verwöhnter Bengel, der alles hatte, aufwuchs, sondern soweit es möglich war, wie ein normales Kind. Dass sie niemals würde sehen können, wie sich ihr Sohn wirklich entwickelte, versuchte sie bestmöglich zu verdrängen. Und doch weinte sie sich manche Nacht in den Schlaf bei dem Gedanken, ihren Sohn nicht großziehen zu können. Noch schlimmer war allerdings die Vorstellung, was er wohl alles erdulden würde müssen in der Zukunft. Harry James Potter, der Junge, der Voldemort zu Fall bringen sollte.
Im Sommer hielt es kaum noch einer aus. Die Stimmung im Hause war mittlerweile auf dem Tiefpunkt. Sirius und James tigerten an manchen Tagen durch das Haus wie Löwen im Käfig und auch allen anderen war anzusehen, dass sie langsam aber sicher am Ende waren. Sages' Eltern waren die ersten, die im Juni wieder begannen, sich für Missionen zu melden und auch in ihr eigenes Haus, das sie unter den Fidelius stellten, zurückzukehren. Sage schloss sich schweren Herzens ihren Eltern an, auch wenn sie ihre beste Freundin ungerne verlassen wollte. Und auch für Sirius und Remus gab es irgendwann kein Halten mehr. Dorcas schloss sich ihnen häufig an. Einmal trafen die drei sogar tatsächlich auch auf Todesser und konnten dem Tod nur entgehen, weil Dorcas zwei Todesser schockte, während Sirius und Remus mit drei weiteren kämpften.

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now