♡137. Unbeantwortete Fragen

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- Gegenwart-

Wie in Trance tauchte Harry aus dem Denkarium auf und es dauerte einen Augenblick, bis er sich wieder vollkommen unter Kontrolle hatte. Seinen Eltern schien es überhaupt nichts auszumachen, dass sie in Erinnerungen versunken gewesen waren, weder Erschöpfung, noch Verwirrtheit oder ähnliches war in ihren Gesichtszügen zu lesen. Lily hatte sogar die Zeit, in der Harry etwas weggetreten war, genutzt, um ein kleines Fläschchen mit einem Zaubertrank aus einer der Vitrinen genommen.
„Hier, trink das, es wird dir helfen", sagte sie und setzte sich neben James auf das Sofa. Erst jetzt registrierte Harry, dass er mitten im Raum stand. Schnell nahm er in einem der Sessel Platz und trank das Fläschchen in einem Zug aus. Es schmeckte leicht nach Zitrone und Kräuter und fast sofort spürte er, wie seine Lebensgeister erwachten. Irritiert betrachtete er die kleine goldene Flasche in seiner Hand.
„Was war da drin?", fragte er. Es erschien Harry in diesem Moment so unendlich viel einfacher, über einen Zaubertrank zu sprechen, denn über das, was er soeben gesehen hatte.
Lily lächelte, so als wisse sie genau, was in ihm vorging.
„Energieelixier. Ist besonders gut geeignet, wenn man an die Grenzen seiner Magie gegangen ist."
„Davon habe ich noch nie gehört, wobei das nichts heißen muss, ich war leider nie sonderlich gut in Zaubertränke."
„Du kannst es auch nicht kennen, Harry. Es ist meine eigene Erfindung. Ich habe diesen Trank vor einigen Jahren entwickelt", sagte seine Mutter, nicht ohne einen gewissen Stolz. „Und gerade, wenn man solch starke magische Vorgänge hinter sich gebracht hat wie das Ansehen von Erinnerungen, ist das Elixier hilfreich." Sie machte eine kurze Pause und musterte ihren Sohn. „Etwas überrascht bin ich allerdings zu hören, dass du sagst, Zaubertränke seinen nicht dein Fach gewesen."
Harry wurde rot. Wie sollte man der eigenen Mutter, die über solch eine Begabung verfügte, erklären, dass man diese leider nicht geerbt hatte?
„Nun, ich weiß nicht genau, was ich sagen soll, aber es schien mir einfach nicht zu liegen", meinte Harry kleinlaut.
„Komisch, denn ich würde schon sagen, dass ein gewisses Talent bei Dir vorhanden ist, wenn du auch in deinen Stärken wohl eher nach deinem Vater gekommen bist", lächelte Lily. „Aber ich denke, wir sollten uns nun erst einmal den wichtigen Dingen widmen. Es gibt viele weitere Erinnerungen, aber es wäre zu viel für dich geworden, wenn wir uns diese heute noch angeschaut hätten. Wenn du möchtest, können wir dies aber gerne in den nächsten Tagen nachholen."
Harry nickte überschwänglich.
„Darf ich euch etwas fragen?"
„Alles, mein Sohn, alles was du wissen möchtest", antwortete James ihm.
„Wie habt ihr euch gefühlt, nachdem Voldemort endlich besiegt war? Es ist so unglaublich, was ich alles sehen durfte. Ihr Beide habt ihn zu Fall gebracht. So vieles, von dem ich immer geträumt habe, ist ganz plötzlich in Erfüllung gegangen. Ihr alle lebt. Ich habe eine richtige Familie", Harry runzelte nachdenklich die Stirn. „Als ich heute Morgen ..." Er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr, die zu seinem Erstaunen nicht mehr jene war, die Molly ihn zu seinem siebzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Warum war ihm das nicht vorher aufgefallen? „Nun, wohl eher gestern Morgen", korrigierte er sich selbst, „euren Brief erhalten habe, hat es mich schier umgeworfen. Ich wusste so wenig über euch. Das Einzige, was ich hatte, war ein Fotoalbum mit ein paar Bildern, das Hagrid mir im ersten Schuljahr geschenkt hat. Und dann erreicht mich dieser Brief, der mir sagt, dass ihr eure Erinnerungen für mich gesammelt habt, dass ich sehen konnte, wer ihr seid. Und während ich mir diese Erinnerungen angeschaut habe, ist mir wohl zum ersten Mal bewusst geworden, wie viel Voldemort mir wirklich genommen hat." Eine einzelne Träne rann über Harrys Wange. „Sirius und Remus haben in der Zeit nie wirklich viel über euch gesprochen. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie euch so sehr vermissten, dass alleine die Erinnerung an euch ihnen das Herz gebrochen hätte. Aber ich habe auch Sirius und Remus viel zu kurz gekannt." Harry presste fest die Lippen zusammen. Er wollte nicht weinen, nicht heute, nicht jetzt, wo er endlich das hatte, wofür er all die Jahre jeden Knut in seinem Verlies hergegeben hätte. Lily zog ihren Sohn zu sich auf das Sofa und in ihre Arme.
„Harry, niemals in unserem Leben hätten wir dich freiwillig alleine gelassen, ebenso wenig wie Sirius, Remus, Dorcas, Sage und deine Großeltern. Ich weiß nicht, was mit Dorcas und Sage in deiner Erinnerung geschehen ist, aber ich nehme an, sie wurden irgendwann, nachdem Voldemort uns überfallen hat, getötet. Ich kann dir nicht beschreiben, wie grausam es war, zu wissen, dass wir unseren eigenen Sohn niemals aufwachsen sehen würden und er in seiner fernen Zukunft auch noch gegen den kämpfen würde, der uns getötet hatte." Lily seufzte tief.
„Ich kann dir nicht beschreiben, was genau wir gefühlt haben. Im ersten Moment nichts. Irgendwann waren es Erleichterung, tiefe Erleichterung sogar. Und vielleicht auch etwas wie Freude. Insbesondere, als uns klar wurde, dass wir eine gemeinsame Zukunft mit dir haben würden", sinnierte James. „Wirklich schlimm getroffen hat uns, dass einer unserer engsten Freunde uns an Voldemort verraten hat. Es hat lange gedauert, bis wir wirklich darüber hinweggekommen sind. Und während des ganzen Krieges haben wir wohl nicht ein einziges Mal damit gerechnet, dass wir doch noch mit solch einem wundervollen Leben gesegnet sein würden."
„Diese Gabe. Habt ihr die heute noch?" Harrys Blick glitt zwischen seinen Eltern hin und her.
Ein schelmisches Grinsen trat auf James' Gesicht und strich sanft über Lilys Wange.
„Oh ja, wir verfügen immer noch über die Gabe. Ein Zeichen dafür, dass die Liebe am Ende alles ist. Im Laufe der Jahre ist die Verbindung sogar noch tiefer geworden, die Kraft noch stärker. Vielleicht, weil wir unsere Fähigkeiten immer weiterentwickelt haben, vielleicht auch, weil wir uns mit jedem gemeinsamen Jahr mehr lieben, vielleicht eine Mischung aus Beidem."
„Was ist mit dem Elderstab passiert und den anderen Heiligtümern des Todes? Was hast du gemacht, nachdem das Schuljahr vorbei war, Mom? Und du, Dad, leitest du immer noch die Aurorenabteilung? Und was ist mit meinen Großeltern?" Unzählige Fragen platzten aus ihm heraus, doch dann stockte Harry einen Moment. „Und Snape?"
Fast gleichzeitig brachen seine Eltern in ein fröhliches Gelächter aus.
„Später, mein Schatz", versprach Lily, „jetzt wird es erst einmal Zeit, dass wir alle ein wenig Schlaf bekommen. Und nachher, nach dem Frühstück, schauen wir uns weiter Erinnerungen an. Aber wir müssen Pausen dazwischen machen. Es ist zu gefährlich, sich zu lange am Stück im Denkarium aufzuhalten."
Harry nickte. „Eine Frage habe ich aber noch. Warum hat es euch kaum belastet, diese Erinnerungen anzusehen? Ihr saht danach genauso frisch aus, wie vorher, während ich fast zusammengebrochen bin."
„Das ist relativ einfach. Im Laufe des Lebens werden die eigenen magischen Fähigkeiten immer stärker. Man wächst sozusagen mit der Magie. Und wohl kein Zauberer oder keine Hexe in deinem Alter hätte sich so lange Erinnerungen anschauen können, ohne danach nicht ausgelaugt zu sein. Es ist eine Frage, der magischen Stärke. Vielleicht erinnerst du dich daran, wie ich zusammengebrochen bin, nachdem ich die Visionen am Halloweenabend hatte. Sogar mein Gedächtnis war beeinflusst. So ähnlich wie es mit den Erinnerungen ist es auch damit. Damals hatte ich noch nicht ausreichend Stärke. So, und nun lasst uns endlich ins Bett gehen."

James Potter und das Erbe GryffindorsUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum