♡ 65. Proteus

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Erschöpft ließ sich James gegen eine Häuserwand gleiten. Lily sank neben ihn. Mehrere leise 'Plops' verkündeten die Ankunft weiterer Mitglieder des Ordens. Doch weder James noch Lily nahmen dies wahr. James ergriff Lilys Hand. Er konnte nicht sprechen, doch Lily verstand ihn auch ohne Worte.
„Wir haben gerade gegen Voldemort gekämpft", flüsterte Lily irgendwann.
„Ja, und das auch noch äußerst gut." Primus hatte sich vor die beiden gekniet. An seiner Wange prangte eine blutige Schramme, aber sonst schien er unverletzt.
„Geht es allen gut? Woher wusstet ihr, dass wir Hilfe brauchen?" James' Stimme klang rau vor Erschöpfung.
„Nur leichte Blessuren, keiner hat ernsthafte Verletzungen davongetragen. Ollivander hat die Geräusche des Kampfs gehört und den Orden verständigt", verkündete Sirius und hielt seinem besten Freund die Hand hin. James ergriff sie und ließ sich von Sirius hochziehen. „Nichts, das deine Mum nicht mit etwas Diptam weg bekommt."
„Trotzdem müssen wir hier weg. Die Gefahr, dass sie wiederkommen, ist zu groß." Primus half Lily hoch. Erst jetzt bemerkte James, dass der halbe Orden sich versammelt hatte. Selbst Albus war da.
„Zum Hauptquartier", sagte Primus laut und alle disapparieten.

Das Hauptquartier sah aus wie immer. Molly Weasley stand am Herd und kochte Abendessen, um sie herum saßen drei rothaarige Jungs auf dem Boden und spielten mit kleinen verzauberten Quidditchfiguren. In einer Krippe daneben lagen zwei rothaarige Babys, Zwillinge. Die Szene wirkte sehr friedlich. Doch für James und Lily war nichts mehr friedlich und auch nichts mehr wie vorher.
James ließ sich an den großen Esstisch fallen, Lilys Hand fest umklammert. Lily sank auf den Stuhl neben ihm. Wortlos stellte jemand Feuerwhiskey vor sie. James nahm einen tiefen Schluck und blickte auf. Albus! Ausnahmsweise zierte kein Lächeln das Gesicht seines Patenonkels. Er sah ernst aus, sehr ernst.
„Wie ich gehört habe, habt ihr heute Tom Riddle kennengelernt?" sagte er, nachdem James sein Glas mit einem weitern Schluck geleert hatte.
„Tom Riddle?" Es waren die ersten Worte seit Stunden, die über Lilys Lippen kamen. Willow trat hinter die beiden und legte ihnen begütigend eine Hand auf die Schulter.
„Tom Riddle ist Voldemorts richtiger Name. Es gibt nur sehr wenige, die wissen, wie er wirklich heißt und wer er war, bevor er so tief in die Schwarze Magie versunken ist." Dumbledores Stimme klang ruhig, doch James konnte sehen, dass es in seinem Inneren arbeitete. „Was ist heute genau passiert? Ich bin verwundert, dass Voldemort selbst in Erscheinung getreten ist."
James berichtete in kurzen Worten von der Begegnung mit Rabastan und Bellatrix und dem plötzlichen Auftauchen von Voldemort und seinem engsten Kreis. Der gesamte Orden war mittlerweile im Hauptquartier eingetroffen und hörte schweigend zu. Keiner von ihnen war bisher jemals Voldemort persönlich gegenübergetreten. Dumbledore nickte bedächtig, nachdem James geendet hatte.
„Leider ist wohl das eingetreten, was ich befürchtet hatte. Zumindest vermuteich - und bei aller Bescheidenheit liege ich doch selten falsch - dass Voldemort herausgefunden hat, dass ihr über Kräfte verfügt, die ihm gefährlich werden könnten und er dem ein Ende setzen will, bevor ihr zu stark seid. Habt ihr diese Kräfte vor heute schon einmal eingesetzt oder darüber gesprochen?"
James schüttelte den Kopf.
„Eingesetzt nur in deinem Büro und hier im Hauptquartier. Außerhalb des Ordens weiß auch niemand davon. Ich habe es Sirius, Remus und Peter in Hogwarts erzählt und einigen wenigen bei Ordenstreffen."
„Da ich auf keinen Fall von einem Spion innerhalb des Ordens ausgehe, heißt dies wohl leider, dass euch jemand in Hogwarts belauscht hat. Ab heute müsst ihr vorsichtig sein, sehr vorsichtig. Ich hoffe, er hat die Tragweite eurer Kräfte noch nicht ganz verstanden." Er schien einen Moment nachzudenken. „Auf keinen Fall solltet ihr in der nächsten Zeit alleine draußen herumlaufen. Entweder ihr geht gemeinsam oder nehmt immer jemanden anderen mit. Willow, wir müssen die Schutzzauber des Hauses erhöhen. Primus, Kingsley, bitte verstärkt die Ausbildung der Beiden, dies sollte oberste Priorität haben." Albus warf einen weiteren Blick auf Lily und James. „Bitte seid vorsichtig und habt auf jeden Fall immer Euren Zauberstab dabei." James füllte sein Glas auf und nickte.
„Und nun sollten wir darüber sprechen, wie Bellatrix die Verstärkung gerufen hat." Albus bedeutete dem Rest des Ordens, Platz zu nehmen und sah James und Lily durch seine Halbmondbrille fragend an. „Ist euch irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Etwas, das uns einen Hinweis geben könnte?"
„Ich weiß nicht genau, ob es interessant ist oder nicht. Kurz nachdem Rabastan sie aus der Erstarrung erlöst hat, sah es so aus, als würde sie etwas Dunkles auf dem Arm berühren. Wenig später waren die anderen Todesser und Voldemort da."
Dumbledore starrte auf seinen verschränkten Finger.
„Natürlich... ich hätte es wissen müssen", murmelte er vor sich hin. „Warum bin ich nicht früher darauf gekommen." Er schien über sich selbst den Kopf zu schütteln, bevor er aufsah.
„Wir sollten davon ausgehen, dass die Todesser und Voldemort über einen Proteus-Zauber miteinander kommunizieren." Albus starrte wieder auf seine verschränkten Finger.
„Einen Proteus-Zauber? Also einen Zauber, bei dem sich alle gleich verzauberten Gegenstände nachahmen? Und die Todesser tragen dies auf dem Arm?" Lily sah den Professor überrascht an.
„Es scheint so, Lily, es scheint so."

Gefühlte Ewigkeiten später löste sich die Ordenssitzung auf und zurück blieben nur Albus, James, Lily und James' Eltern. Albus hatte sie gebeten, noch etwas zu bleiben und James war dankbar darum, wollte er doch mit ihnen etwas besprechen.
„Ich denke, es wäre besser, ihr würdet ein paar Tage zu Willow und Primus zieht. Deren Haus ist durch den Fidelius geschützt und dort kann euch niemand schaden." Lily nickte, der Schock über den Angriff der Todesser saß noch zu tief, um zu widersprechen. „Außerdem solltet ihr euch selbst überlegen, ob wir nicht auch auf euer Haus den Fidelius legen sollen."
„Darüber können wir später noch nachdenken, Albus. Wir werden auf jeden Fall einige Tage zu meinen Eltern gehen. Allerdings müssen wir heute noch etwas anderes mit euch besprechen. Etwas äußerst Seltsames. Lily hat eine Art Visionen." Er hatte dies gesagt, ohne es mit Lily abzusprechen und ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie damit nicht allzu glücklich war.
Alle Blicke wandten sich zu Lily, die nun zum ersten Mal nach dem Feuerwhiskey-Glas vor sich griff und einen großen Schluck nahm.
„Haltet mich bitte nicht verrückt, aber seit einigen Wochen, genauer gesagt seit der Abschlussfeier sehe ich immer wieder kurze Momente eines Jungen vor mir. Manchmal sind auch noch andere Personen bei ihm und ich sehe, wie es mir scheint, Ausschnitte aus seinem Leben." Sie atmete tief durch. „Ich habe ihn gesehen, an einem seiner ersten Schultage in seiner Hogwarts-Uniform. Er ist ein Gryffindor. Dann habe ich beobachtet, wie er den Quidditchpokal gewonnen hat, einige Jahre später. An unserem Hochzeitsmorgen hatte ich eine Vision von ihm mit einem rothaarigen Mädchen im Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Und heute im Zaubereiministerium habe ich in einer Vision ein Bild von ihm gesehen, viel mehr eine Art Steckbrief. Er wird gesucht, als Unerwünschter Nummer Eins." Lily sah James fest in die Augen - suchte Sicherheit, auch wenn sie sauer auf ihn war. James gab sie ihr sofort und griff nach ihrer Hand. Lily zögerte einen weiteren Moment. Sie sah schon die Heiler von St. Mungos vor sich stehen. Hatten Zauberer eigentlich auch Zwangsjacken? Oder würde man sie einfach mit einer gezielten Ganzkörperklammer außer Gefecht setzen? Lily nahm an, dass es wohl eher letzteres war. Sie atmete ein weiteres Mal tief durch.
„Sein Name ist Harry James Potter und er ist unser Sohn."

James Potter und das Erbe GryffindorsWhere stories live. Discover now