♡83. Trübe Stimmung

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Mitte November hielt der Winter Einzug in Großbritannien. Es wurde bitterkalt und schneite manchmal tagelang ununterbrochen. Es schien ein wenig so, als würde sich das Wetter der eisigen Stimmung der britischen Zauberergemeinschaft anpassen. Ende Oktober hatte die englische Quidditch-Liga vorerst den Spielbetrieb eingestellt, zu gefährlich waren die großen Ansammlungen von Zauberern und Hexen bei den Spielen. Die Sicherheitsvorkehrungen im Zaubereiministerium waren durchweg verstärkt worden. Besuche des Ministeriums waren für Nicht-Angestellte nur noch nach Überprüfung der entsprechenden Besucher und anschließender Genehmigung möglich. Ohne diese Genehmigung konnte man keinen der Besuchereingänge mehr benutzen. Einige Geschäfte in der Winkelgasse hatten geschlossen, nachdem es Angriffe durch die Todesser gegeben hatte. Hin und wieder wurde auch die Schließung von Hogwarts öffentlich diskutiert. Zu unsicher sei es, so viele junge Hexen und Zauberer an einem Ort auszubilden. Doch die meisten Stimmen sprachen sich dafür aus, dass es nirgendwo sicherer sein konnte als in Hogwarts. Auch die ständigen brennenden Kamine im Hause der Potters, die von den Hauselfen unermüdlich mit neuem Holz versorgt wurden, schafften es nicht, die trübe Stimmung vollständig draußen zu halten. Seit Monaten suchten sie nun Sicherheit bei Willow und Primus und an manchen Tagen wünschte sich Lily einfach nur zurück in ihr süßes kleines Cottage. Auch wenn es nur wenige hundert Meter entfernt war, kam es Lily vor, als hätten sie dort in einem anderen Leben gewohnt. Doch auch Remus, Dorcas, Sirius, Potentia und die Familie Kerr blieben vorerst in Godric's Hollow. Es war einfach zu unsicher in ihren eigenen Wohnungen, auch wenn Potentia weiterhin von mehreren Auroren bewacht wurde, sobald sie in die Öffentlichkeit trat. Auch wenn jeder von ihnen natürlich einen Fidelius-Zauber auf ihre Wohnungen hätte legen können, fühlten sie sich doch sicherer, solange sie zusammen blieben. Remus war zudem noch der Geheimniswahrer seiner Eltern, denn auch ihr Haus stand mittlerweile unter dem Fidelius. Ein weiterer Grund sich in Sicherheit zu bringen. Der Verlust der Jones hatte eine tiefe Wunde in den Orden gerissen und auch nach einem halben Jahr war sie immer noch nicht wirklich verheilt. Hestia hatte ihren Platz im Orden gefunden und so ähnlich sie Morgan in manchen Dingen war, sie konnte und würde ihre Cousine nie ersetzen. Lily und Sage vermissten das Lachen, die Witze und Morgans manchmal sehr forsche Art. Seit dem ersten Schultag waren sie Freundinnen gewesen. Und nun fehlte etwas, als sei ein Teil von ihnen gegangen. Und Morgans Tod würde in Lilys Leben auch für immer eine Lücke hinterlassen, bis zu ihrem eigenen Tod. Im Sommer hätte Morgan gemeinsam mit Alice und Frank ihre Ausbildung als Auror abschließen sollen, stattdessen hatte es bei der Abschlussfeier eine Schweigeminute gegeben. Einer der wenigen Momente, bei denen Lily und James sich in der Öffentlichkeit gezeigt hatten.
Anfang Dezember begann Willow wie immer mit den Weihnachtsvorbereitungen. Auch die Angst, die über das Land schwappte, konnte sie nicht davon abhalten. Nur der Enthusiasmus und die Vorfreude waren nicht die gleiche wie in den Jahren zuvor, denn selbst die sonst so unerschütterliche Willow war in den letzten Monaten oft abwesend und in sich zurückgezogen. Sie bemühte sich sehr, weiterhin die Seele und das Herz dieses Haushaltes zu sein, aber es fiel ihr an einigen Tagen sichtlich schwer. Trotzdem buk sie gemeinsam mit Lily Plätzchen und schmückte das ganze Haus festlich. Während die Gerüche nach Zimt und Orangen durch die Räume zogen, hatte Lily das Gefühl, mit jedem Tag müder zu werden. Zum ersten Mal war sie froh, dass sie die Villa nicht allzu oft verlassen konnten, denn wenn sie morgens aufstand, hatte sie das Gefühl, die halbe Nacht nicht geschlafen zu haben. In den letzten Monaten hatte sie sich oft ganze Nachmittage mit Willow in deren Büro zurückgezogen, um von ihrer Schwiegermütter mehr über die Kunst des Zaubertrankbrauens zu erlernen und auch während der Weihnachtsvorbereitungen nahm Willow sich Zeit dafür. Doch kaum hatten sie das Feuer unter dem Kessel entfacht und die ersten Zutaten vermischt, wurde Lily übel. Sie wechselten das Rezept, um einen anderen Trank zu brauen, aber auch den Geruch dieses Gebräus konnte Lily kaum ertragen. Angewidert schüttelte sie den Kopf und leerte mit einem Schlenker ihres Zauberstabs den Kessel.
„Ich fürchte, das macht heute keinen Sinn, Willow, mir wird sofort von dem Geruch schlecht." Willow zog die Augenbrauen nach oben, sagte aber nicht viel.
„Vielleicht legst du dich ein wenig hin. Du siehst müde aus."
Lily nickte und verließ den Raum. Das zufriedene Lächeln auf Willows Gesicht entging ihr dabei völlig.
Erschöpft schleppte sie sich die Treppe nach oben und ließ sich auf das große Doppelbett in ihren Räumen fallen. Kaum hatte ihr Kopf die weichen Kissen berührt, schlief sie auch schon ein.

So fand James sie schließlich zwei Stunden später. Liebevoll betrachtete er seine schlafende Frau. Ihre roten Haare hatten sich auf dem Kopfkissen ausgebreitet und bildeten einen starken Kontrast zur hellen Bettwäsche. Sie sah so friedlich aus. In den letzten Wochen schien es ihr nicht gut zu gehen und auch jetzt war ihr Gesicht blass. Sanft strich er ihr über die Wange, um sie vorsichtig zu wecken.
Es dauerte nicht lange, bis ihre strahlend grünen Augen den Blick auf ihn richteten.
„Hallo Schlafmütze", begrüßte er die aufwachende Lily. „Ist alles in Ordnung mit dir?"
Lily setzte sich langsam auf und lehnte sich gegen das Kopfteil. Sie wirkte so zerbrechlich, dass James sich einen Moment fragte, wie sie solch mächtige Zauber hervorbringen konnte.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Es ist alles bestens mit mir." Doch damit wollte James sich nicht zufrieden geben.
„Bist du wirklich sicher? Du bist immer so blass und müde. Und Mum hat vorhin gesagt, dass dir übel geworden ist. Sollen wir dich nicht vielleicht von einem Heiler untersuchen lassen?"
Lily lachte leise.
„James, deine Mutter ist Heilerin. Glaubst du nicht, sie hätte schon lange etwas gesagt, wenn es einen Grund gäbe, sich Sorgen zu machen?" James dachte einen Augenblick nach, bevor er langsam nickte. „Allerdings bin ich mir sicher, dass deine Mutter ganz genau weiß, was mit mir los ist", fuhr Lily fort und James riss die Augen auf.
„Es ist also doch etwas? Was fehlt dir?" Sein Gesicht hatte fast die gleiche blasse Farbe angenommen wie Lilys und sie musste sich fast ein Lachen verkneifen.
„Mir geht es gut, Schatz. Und mir fehlt auch nichts."
„Ich verstehe nicht...." James' Gesichtsausdruck spiegelte seine Verwirrung eindeutig wieder. Lily griff nach seiner Hand. Einen Moment überkam sie Panik. Wie würde James reagieren? Sie hatten nie darüber gesprochen. Nein, eigentlich hatte sie es immer als selbstverständlich genommen, dass er genauso dachte wie sie.
„James, ich bin schwanger." Ängstlich wartete sie auf seine Reaktion. Einen Augenblick geschah gar nichts und Lily rutschte das Herz in die Hose. Dann trat ein breites Grinsen auf James' Gesicht.
Strahlend zog er sie in seine Arme und Lily glaubte, vor Glück zu platzen.
„Ich werde Vater! Unglaublich! Auch wenn wir wussten, dass es bald soweit sein würde, ist es ein wahnsinniges Gefühl." Er hob sie vom Bett hoch und wirbelte sie lachend durch den Raum.
„Kannst du es glauben, Lily? Ich und Vater? James Potter, der wilde Rumtreiber - Ehemann und Vater!" Sanft setze er sie auf den Boden ab. „Meine Güte, ich kann gar nicht in Worte fassen, wie glücklich ich bin." Er sah Lily tief in die Augen. „Ich liebe dich, Lily Potter."
Ein breites Grinsen trat auf das Gesicht der Rothaarigen.
„Ich liebe dich auch, James Potter."

James Potter und das Erbe GryffindorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt