♡180. Dora

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Mit Beginn des neuen Jahres wurde es für Lily Zeit, nach Hogwarts zurückzukehren, etwas, das sie mit sehr gemischten Gefühlen tat. Einerseits freute sie sich darauf, endlich wieder zu unterrichten, anderseits fiel es ihr unendlich schwer, ihre beiden Kinder einfach bei Willow abzugeben.
Doch die wehmütigen Gedanken an Morgan und Harry verflogen recht schnell, als sie den Kamin in ihrem Büro in Hogwarts verließ. Alles war genau so, wie sie es verlassen hatte und in dem Raum hing der ganz eigentümliche Geruch, welchen das Schloss inne hatte. Mit einem freudigen Funkeln in den Augen eilte sie die Treppen hinab zum Kerker zu ihrer ersten Unterrichtsstunde des Jahres. In Gedanken ging sie dabei die Informationen, die ihr Severus über die einzelnen Schüler gegeben hatte, noch einmal durch. Direkt am Morgen hatte sie eine Erstklässler-Gruppe aus Slytherins und Hufflepuffs, unter ihnen Sirius' Großcousine Nymphadora Tonks, die im September des vergangen Jahres dem Haus Hufflepuff zugeteilt worden war.

Unzählige Schüler warteten schon vor dem Klassenraum, als sie endlich den Kerkergang betrat. Ein aufgeregtes Gemurmel schlug ihr entgegen, hin und wieder unterbrochen von einem leisen Lachen.
Lily bahnte sich einen Weg durch die Meute von Erstklässlern und kaum hatte sie die Tür aufgeschlossen, strömten alle zu ihren Plätzen.
„Guten Morgen und Euch allen ein frohes neues Jahr", begrüßte Lily ihre Schülern. „Mein Name ist Lily Potter und ab heute werde ich Eure Lehrerin in Zaubertränken sein. Professor Snape hat mich im ersten Halbjahr vertreten, weil ich in Mutterurlaub war."

Erstaunlicherweise stellte niemand Fragen über sie selbst, Lily vermutete, dass Severus die Klasse schon über alles informiert hatte, also ließ die Erstklässler eine einfache Funkenlösung brauen, um zu sehen, wie sie arbeiten. Dabei fiel ihr schnell auf, dass Nymphadora über genauso wenig Begabung für Zaubertränke verfügte wie Sirus. Schien in der Familie zu liegen. Hektisch suchte das Mädchen mit den orangefarbenen Haaren, die Sekunden vorher noch pink geleuchtet hatten, nach einer Zutat und warf dabei mit dem Ellbogen eine der kleinen Glasflaschen um, die sie zuvor nicht richtig verschlossen hatte. Ihre Sitznachbarin quiekte erschrocken und hüpfte mitsamt ihrem Stuhl einen Meter zur Seite, wobei sie wiederrum den Jungen anrempelte, der auf ihrer anderen Seite saß. Kessel klirrten, Glasflaschen zerbrachen und immer mehr Schüler sprangen entsetzt auf, bis Lily die unaufhaltsam scheinende Kettenreaktion mit einem Schlenker ihres Zauberstabs beendete.

Nymphadora starrte das Chaos mit weit aufgerissenen Augen an, während ihre Haare vor Schreck ganz weiß geworden waren.
Lily zwinkerte ihr ermutigend zu und ließ dann verschiedene Zaubersprüche wirken, um das Klassenzimmer in seine Ausgangslage zurück zu versetzen. Kurz darauf endete die Stunde.
„Miss Tonks, wenn Sie noch eine Minute hätten?", bat sie die Kleine zu sich, bevor sie mit ihren Freundinnen zusammen den Raum verlassen konnte.
Mit betretenem Gesichtsausdruck trat sie vor das Lehrerpult.
„Alles in Ordnung bei dir", fragte Lily sie sanft. Nun wo alle anderen Schüler gegangen waren, konnte sie Dora, wie sie am liebsten genannt wurde, auch vertraulicher ansprechen, kannten sie sich doch von verschiedenen Familientreffen.
„Ja, danke, Professor." Sie schluckte.
„Ich habe das Gefühl, dir fällt es etwas schwer, dich auf Zaubertränke zu konzentrieren."
„Immer wenn ich lange still sitze, werde ich so ungeschickt."
„Magst du Zaubertränke, Dora?"
„Ich weiß nicht, Professor, ich mache immer alles kaputt."
„Und du meinst, das liegt am langen Sitzen?"
Die Kleine hob den Blick und sah Lily in die Augen.
„Ja, Professor. In anderen Fächern habe ich diese Probleme nicht."
Lily nickte langsam.
„Gut, was hältst du davon, wenn du nach deinem Unterricht zu mir ins Büro kommst und wir versuchen gemeinsam einen Zaubertrank zu brauen – im Stehen?"
Dora wirkte überrascht.
„Einverstanden, Professor."
„Dann sehe ich dich nachher, Dora."

In den nächsten Wochen spielte sich mehr oder weniger eine Routine im Potter-Haushalt ein. Lily brachte ihre beiden Kleinen nach Lions High, bevor sie mittels ihres eigenen Kamins nach Hogwarts gelangte. Oft war James dann schon nicht mehr da, verließ er das Haus mittlerweile meistens weit vor Morgengrauen, um dann wieder früh bei seinen Kindern sein zu können. Das änderte sich ein wenig, als die hochschwangere Dorcas zwei Monate vor der Geburt schließlich vorerst aufhörte zu arbeiten. James teilte Sirius ihre bisherige Stelle als Leitende Aurorin zu, dennoch bedeutete es auch für ihn selbst etwas mehr Arbeit, denn eine Person weniger machte sich nach den herben Verlusten durch den Krieg in der Aurorenabteilung deutlich bemerkbar. Der neue Jahrgang an Aurorenanwärtern war noch lange nicht so weit, Außendiensteinsätze zu übernehmen. James versuchte bei jedem Treffen, Remus dazu zu überreden, in sein Team zu kommen, aber Remus hatte keinerlei Interesse am Beruf des Aurors. Er sei das Kämpfen leid, war die Antwort, die Remus seinem Freund jedes Mal gab. Stattdessen arbeitete er als Aushilfe in der Magischen Menagerie, was Lily für eine Verschwendung seines Talents hielt.

Ende Februar luden Dorcas und Sirius ihre Freunde zu sich nach Hause ein.
„Ein letztes mal Freiheit genießen", scherzte Dorcas, als sie durch die Tür in das unsagbar gemütliche Haus der Beiden kamen. „Ich weiß nicht, wie du das machst, Lily, ich fühle mich wie eine Tonne."
Lachend umarmte Lily ihre Freundin.
„Ich hätte in den letzten Wochen vor der Geburt auch nicht mehr arbeiten können. Aber irgendwann wollte ich einfach wieder unterrichten. Ohne Willow wäre das allerdings kaum möglich."
Dorcas beantwortete ihr Lächeln mit der gleichen herzlichen Geste.
„ Kommt erst mal herein. Sage, Jonathan und Remus sind schon da. Und ich denke Alice und Frank werden auch jeden Moment auftauchen." Es klopfte erneut an der Tür. „Geht schon mal vor in die Küche."

In der offenen Wohnküche stand sehr zu ihrer Überraschung Sirius am Herd und rührte in einem Topf. An der Esstheke, welche den Übergang zum Esszimmer bildete, lehnten bereits Sage, Jonathan und Remus. Die Szene wirkte so häuslich und freundlich, dass Lily einmal blinzeln musste.
„Übst du schon mal für deine väterlichen Pflichten, Black?", rief sie dann fröhlich in die Runde und Sirius drehte sich zu ihnen um.
„Pah", antworte er gespielt beleidigt. „Krone ist nicht der einzige der Rumtreiber, der zu mehr zu gebrauchen ist."
„Das hatte ich auch nicht angenommen", grinste Lily und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Hey, geht es dir gut?", fragte sie ihn dann.
„Außer dass ich vor Angst bald verrückt werde, ja", gab er zu, ohne dabei mit der Wimper zu zucken.
„Du wirst ein toller Vater, Sirius Black", versicherte ihm Lily und wandte sich dann den anderen zu, um sie zur Begrüßung zu umarmen.

„Na", sagte Lily schließlich zu ihrer besten Freundin. „Und wie sieht es bei Euch aus?
„Dorcas hat keine drei Sekunden gebraucht." Sage klang leicht überrascht.
Lily legte den Kopf schief.
„Hast du wirklich etwas anderes angenommen?"
„Zumindest hatte ich gedacht, es dauert etwas länger."
Lily lachte.
„Ich freue mich so für euch", sagte sie genau in dem Moment, als James hinter sie trat.
„Worüber?", begann er, doch dann fiel sein Blick auf Sage.
„Bei Merlin." Er umarmte erst sie und dann Jonathan. „Herzlichen Glückwunsch."

James Potter und das Erbe GryffindorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt