♡174. Veränderungen

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Harry apparierte in einen kleinen Park, der, wie er hoffte, ganz in der Nähe von Hermines Elternhaus liegen musste. Die wenigen Schritte bis zur Straße legte er im Eiltempo zurück, bevor er sich dann suchend nach der richtigen Hausnummer umsah. Gepflegte, große Häuser an einer schmalen mit Bäumen und Hecken gesäumten Straße erstreckten sich um ihn herum und an einem von ihnen entdeckte er die richtige Nummer. Er erklomm die beiden Stufen zum Eingang und drückte etwas zögerlich den Klingelknopf. Eine dunkelhaarige, zierliche Frau öffnete und lächelte ihn an.
„Harry", begrüßte sie ihn sofort mit einem Lächeln. „Welche Überraschung. Komm rein, Hermine hat mir gar nicht gesagt, dass sie dich erwartet."
„Vielen Dank, Mrs. Granger", bedankte er sich höflich und folgte ihr ins Haus. „Ehrlicherweise ist es ein Spontanbesuch, Hermine wusste nicht, dass ich kommen wollte."
„Wie auch immer", erwiderte Mrs. Granger freundlich. „Sie ist oben in ihrem Zimmer, du weißt ja, wo es lang geht."
Harry schluckte. Das hatte er nicht erwartet. Scheinbar war er in seiner anderen Vergangenheit des Öfteren bei den Grangers zu Gast gewesen. Trotzdem wanderte er die Treppe nach oben in den ersten Stock des Hauses und blieb dann etwas ratlos vor den vielen Türen stehen. Bevor er in die Verlegenheit kam, an eine der Türen zu klopfen und zu hoffen, dass es Hermines Zimmer war, kam ihm der Zufall zu Hilfe. Die hinterste Tür öffnete sich und Hermine trat in den Flur. Als sie Harry entdeckte, blieb sie abrupt stehen.
„Harry!", sagte sie, „was machst du denn hier?"
„Ehrlicherweise bin ich mir auch nicht so ganz sicher."
Hermine stieß das für sie typische Lachen aus und winkte ihn in ihr Zimmer. Sie deutete auf den Sessel, der neben dem Schreibtisch stand. „Setz dich", forderte sie ihn auf und nahm dann selbst auf dem Schreibtischstuhl Platz.
„Dein Zimmer ist genauso ordentlich, wie ich es mir immer vorgestellt hatte", sagte Harry unvermittelt, als er saß.
„Deswegen bist du aber nicht hergekommen, oder?" Hermine betrachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Nein, deswegen nicht."
„Geht es dir gut, Harry?", fragte sie sanft.
Er nickte. „Es ist alles in Ordnung, Hermine. Ich brauchte nur einmal ein vertrautes Gesicht um mich. Jemanden auf den ich mich verlassen kann, den ich kenne, der weiß, wie es war."
„Ich hatte darauf gehofft, dass du dich meldest, wenn du mich brauchst. So lange wollte ich dir Zeit geben, mit der neuen Situation klarzukommen."
„Nichts ist mehr so, wie ich es kenne, Hermine. Ich glaube, nicht einmal ich selbst."
Hermine legte den Kopf schräg und musterte ihn aufmerksam.
„Wie meinst du das?"
„Ich merke, dass ich beginne, mich anders zu verhalten. Offener, vertrauensvoller."
„Vielleicht gibt es doch ein wenig Erinnerung an die Vergangenheit mit deinen Eltern in dir. Dieser Harry ist in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen, natürlich würde er sich etwas anders verhalten als der Waisenjunge."
„Warum höre ich einige Dinge heute zum zweiten Mal? Mein Vater hat auch schon so etwas gesagt."
Hermine lächelte. „Dein Vater ist ein schlauer Mann."
Harry erwiderte ihr Lächeln. „Es scheint so." Seine Augen verdüsterten sich etwas. „Meine Eltern haben mich gebeten, nicht zu viele Fragen über die Gegenwart zu stellen. Sie wollen mir anhand von Erinnerungen wohl erst noch einige Dinge in der Vergangenheit zeigen."
„Das ist durchaus sinnvoll, Harry", nickte seine Freundin. „Aber ich kann mir vorstellen, dass sich alles in dir nach Antworten sehnt, oder? Ein geduldiger Mensch warst du jedenfalls nie."
„Das habe ich wohl von meinem Vater." Harry zog die Nase kraus. „Es ist schwierig. Ich weiß kaum etwas über meine Familie, zumindest bisher nicht darüber, wie sie in den letzten sechzehn Jahren gelebt haben und in der jetzigen Geschwindigkeit beim Erinnerungen ansehen werden wir noch Monate brauchen, bis ich die ganze Vergangenheit kenne. Wenn ich daran denke, dass ich Anfang nächsten Monats eine Stelle im Ministerium antrete und nicht einmal den aktuellen Zaubereiminister kenne, geschweige denn die Ereignisse der letzten Jahre, weiß ich nicht, wie ich das schaffen soll." Hilflos zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß nicht einmal etwas über dich."
Hermine legte ihm eine Hand auf den Arm.
„Deine Eltern wissen, was sie tun, Harry, so viel kann sogar ich dir versprechen. Ich habe in den letzten Tagen viel über Gedächtnisverluste bei Zauberern gelesen, auch wenn ich weiß, dass wir hier nicht von einem klassischen Gedächtnisverlust sprechen, so wird doch empfohlen, Erinnerungen langsam zu wecken oder aufzubauen." Ihre Worte ermutigten Harry etwas. „Und zu mir: Ich glaube, da gibt es kein Problem. Frag mich, was du willst!"
Er dachte einen Moment nach, was er unbedingt über Hermine wissen wollte.
„Welchen Beruf hast du gewählt?", war schließlich das Erste, was ihm durch den Kopf schoss.
Hermine verzog die Lippen zu einem angedeuteten, fast schelmischen Grinsen und für einen Moment blitzte jene Hermine hervor, die Harry im fünften Schuljahr verkündet hatte, es sei aufregend, alle Regeln zu brechen.
„Was glaubst du denn, was ich mache?", antworte sie immer noch mit dem Lächeln auf den Lippen.
Harry brauchte darüber nicht zu grübeln.
„Du setzt dich für die Rechte von Magischen Wesen ein."
„Und du glaubst, du weißt nichts über mich, Harry", sagte Hermine und sah ihm eindringlich in die Augen. „Ich werde wie du im September im Ministerium anfangen, im Büro für Internationales Magisches Recht mit dem Ziel, die Rechte der Magischen Wesen zu verbessern. Du hattest also vollkommen Recht."
„Das ist die Abteilung, in der meine Tante früher gearbeitet hat", stellte Harry fest und zögerte dann eine Sekunde. „Manche Dinge haben sich nicht geändert, oder?"
Hermine schüttele den Kopf.
„Nein, Harry, viele Dinge haben sich nicht geändert und was das Wichtigste ist: Deine Freunde sind die Gleichen. Dieser Teil deines Lebens hat sich nicht verändert genauso wenig, wie die Freunde selbst sich im Grundsatz geändert haben." Ihre Augen blitzten. „Nun, außer Neville vielleicht. Er ist mit deutlich mehr Selbstbewusstsein ausgestattet, nachdem er nicht bei seiner Großmutter aufwachsen musste. Und dann gibt es noch jene, denen du nie nahe gestanden hast, deren Leben sich durch den anderen Ausgang des Krieges ähnlich deutlich verändert hat wie dein eigenes."
Harry kniff die Augenbrauen zusammen.
„Wen meinst du?"
„Slytherins", antworte Hermine schlicht. „Theodore Nott, Grabbe und Goyle, Markus Flint...." Sie ließ die Namen einen Moment wirken. „Draco Malfoy."
„Nur weil ihre Eltern in Askaban gelandet sind, müssen sie sich noch lange nicht geändert haben", versetzte Harry.
„Natürlich nicht", bestätige seine Freundin sanft. „Aber der eine oder andere hat es. Manch einer ist vollkommen anders aufgewachsen, als er es in der anderen Vergangenheit war. Andere Werte, andere Ziele. Es hat sich vieles geändert, Harry."
„Mein Großvater hatte also Recht? Ein Gryffindor und ein Slytherin an der Spitze der Magischen Gesellschaft können gemeinsam viel ändern?"
Hermine nickte. „Ja, vielleicht hat sich sogar mehr geändert, als du dir im Moment vorstellen kannst oder magst."
Harry ließ diesen Gedanken durch seinen Kopf kreisen.
„Bei Merlin", seufzte er schließlich fast resigniert.
„Du wirst das schaffen, Harry. Du hast Freunde, eine wunderbare Familie. Jeder von uns steht fest an deiner Seite und das haben die Meisten von uns auch schon bewiesen."
Einen Moment hingen die Blicke der beiden Freunde fest ineinander, keiner von ihnen sagte ein Wort.
„Ich weiß nicht, ob ich dir das jemals gesagt habe, Hermine, aber du gehörst zu den wenigen Menschen, denen ich mein Leben anvertrauen würde."
Ein verschämtes Lächeln glitt über Hermines Gesicht.
„Das hast du doch schon", scherzte sie. „Ich beginne zu ahnen, was du damit meintest, dass du beginnst, dich anders zu verhalten. Wobei es für den Harry, der bei seinen Eltern aufwachsen durfte, nie ein wirkliches Problem war, über Dinge zu sprechen. Ich habe selten erlebt, dass du etwas in dich hineingefressen hast. Du bist in einer fröhlichen, lauten, talentierten, selbstbewussten Familie aufgewachsen, die immer zusammengehalten hat und für einander da war. Und genau so habe ich dich kennengelernt – offen, vertrauensvoll, fröhlich, selbstbewusst."
„Es ist nicht einfach, mir vorstellen, dass ich so anders gewesen sein soll. Andererseits hat mich meine Kindheit bei den Dursleys sehr geprägt."
„Es gibt übrigens auch Eigenschaften, die gleich geblieben sind."
„Wirklich?", fragte Harry neugierig.
Hermine nickte.
„Bescheiden, aufopfernd, neugierig, freundlich, mutig, hitziges Gemüt, nichts davon hat sich geändert. Auch nicht die Neigung, Regeln zu brechen." Hermine grinste und zum ersten Mal seit seinem Geburtstag fiel Harry ein riesiger Stein vom Herzen.

James Potter und das Erbe GryffindorsDonde viven las historias. Descúbrelo ahora