♡ 44. Die letzte Prüfung

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James' Hand zitterte, ein deutliches Zeichen, dafür, dass er nervös war. Und das hatte nichts mit den Prüfungen zu tun, die er gleich ablegen musste. Der letzte Prüfungstag. Endlich. Sieben Jahre hatten sie darauf hingearbeitet. Es galt heute nur noch die praktischen Prüfungen in Zauberkunst und Verteidigung gegen die dunklen Künste abzulegen. Zauberkunst hatten sie bereits am Vormittag hinter sich gebracht und Lily, Remus, Sirius, Alice, Brandon, Dorcas, Sage und Morgan, die alle im Alphabet nun einmal vor ihm kamen hatten auch ihre Prüfungen in Verteidigung gegen die dunklen Künste schon abgelegt. Außer Lily, Remus und Sirius waren alle auch schon nach draußen geflüchtet. Es war ein wunderschöner Sommertag, warm und sonnig. Genau richtig für das, was er vorhatte. Neben ihm saß Peter, der wohl mit ihm gemeinsam die Prüfung ablegen würde, und schluchzte ängstlich.

„Pettigrew, Potter, Sie sind die Nächsten", konnte James den Prüfer des Zaubereiministeriums hören. James warf ihm einen Blick zu und nickte, dann wandte er sich an Lily.
„Triff mich bei Sonnenuntergang am Eingangsportal", flüsterte er ihr ins Ohr, bevor er sich auf zu seiner Prüfung machte. Dann klopfte er Peter noch einmal aufmunternd auf die Schulter und schloss die Tür der Großen Halle von innen. Zurück ließ er eine vollkommen verwirrte Lily.

Fünfzehn Minuten später verließen sie die Große Halle. Wie von James erwartet, war die praktische Prüfung in seinem Lieblingsfach ein Klacks gewesen. Die Prüfer hatten sich tief beeindruckt von der Perfektion seiner Arbeit gezeigt und ihm sogar Bonuspunkte gegeben. Das Ohnegleichen in diesem Fach dürfte ihm wohl sicher sein. Sirius und Remus warteten wie besprochen vor der Großen Halle auf ihn und Peter. Von Lily war nichts zu sehen.
„Sage und Morgan sind mit ihr in Hogsmeade." Sirius schien mal wieder seine Gedanken erraten zu haben.
„Super, dann auf ihr drei, wir haben viel zu tun."

Triff mich bei Sonnenuntergang, hatte er gesagt. Lily stand am Eingangsportal und wartete. Die Sonne hatte gerade angefangen im See zu versinken. Es war immer noch sehr warm und sie hatte sich für ein kurzes Sommerkleid entschieden. Nun, nach der letzten Prüfung würden sie ihre Schuluniformen nur noch ein einziges Mal tragen müssen. Zur feierlichen Verleihung ihrer Abschlusszeugnisse in zwei Wochen.
Sie sah eine Gestalt auf sich zukommen. James! Wie immer stand sein Haar unverkennbar in alle Richtungen. Bei seinem bloßen Anblick klopfte ihr Herz schneller. Er blieb vor ihr stehen und lächelte sie an. James trug eine Jeans, die seine schmalen Hüften betonte und dazu ein hellblaues Hemd. In diesem Moment freute sich Lily zum ersten Mal auf die Zeit nach Hogwarts, wenn sie endlich wieder etwas Zweisamkeit haben würden.
„Hattest du einen schönen Tag?" Lily nickte. Sie konnte das gleiche Zittern seiner Hände erkennen wie bereits am Mittag. Was hatte das zu bedeuten? Er griff nach ihrer Hand.
„Komm, lass uns ein Stück gehen. Die letzten Sonnenstrahlen am See genießen." Lily hatte das Gefühl, dass ihr Mund staubtrocken war. So trocken, dass sie ihm nicht antworten konnte. Aber James schien das nicht weiter zu stören.

Hand in Hand liefen sie auf den See zu. Der See, an dem sie sich so oft gestritten hatten. Wo sie ihm ins Gesicht geschrien hatte, dass sie lieber mit dem Riesenkraken ausgehen würde als mit ihm. Der See, an dem sie sich das erste Mal richtig geküsst hatten. Der See, an dem sie zusammen gekommen waren. An diesem Abend war er durch die Sonne in ein wunderschönes Rotgold getaucht und wirkte ein wenig, als würde er in Flammen stehen. Nur noch zwei Wochen in Hogwarts. James hielt direkt auf ihren Lieblingsplatz zu, die Buche.
Dort angekommen stockte Lily der Atem. In der Luft schwebten unzählige brennende Kerzen und direkt unter der Buche stand ein eingedeckter Tisch mit zwei Stühlen. Von irgendwoher klang leise Musik und etwas versteckt hinter einem Baum konnte sie Abby sehen, die Hauselfe der Potters.
„James, was...?" Mehr brachte sie nicht hervor.
„Du hast dich in den letzten Wochen so verrückt gemacht wegen den Prüfungen. Hast Tag und Nacht gelernt. Und ich dachte einfach, dass ein romantischer Abend dich auf andere Gedanken bringen würde. Außerdem hast du es dir wirklich verdient." Er strich ihr sanft über die Wange.
„Komm, setz dich. Ich wollte eigentlich eine Hauselfe von Hogwarts bitten mir heute etwas zur Hand zu gehen, aber ich fürchte, Abby wäre tödlich beleidigt gewesen." Das schien Abbys Stichwort gewesen zu sein, denn sie huschte hinter dem Baum hervor, knickste kurz vor Lily und zog ihr den Stuhl zurecht.

James schien wirklich an alles gedacht zu haben. Der Tisch war festlich eingedeckt und Abby servierte sogar Champagner. Er hatte sich also daran erinnert, wie sehr sie diesen bei ihrem Date an Weihnachten gemocht hatte. Abby verschwand einen Augenblick und sie genossen einfach nur die Stille am See. Kurz darauf kehrte Abby mit einer Vorspeise zurück. Lily aß zwar, hätte hinterher aber nicht sagen können, was sie gegessen hatte. Sie war zu sehr von James Augen fasziniert, die in der untergehenden Sonne glänzten. James hingegen stocherte nur in seinem Essen, was Lily aber auch nicht bemerkte. Abby servierte nach und nach noch einen Hauptgang sowie ein Dessert und zwischendrin Elfenwein. Irgendwann hatten sie aber auch das Essen beendet. Abby räumte den Tisch ab und war mit einem 'Plopp' verschwunden. Lily war viel zu entspannt, um sich darüber zu wundern, dass Abby auf dem Schulgelände apparieren konnte. Mittlerweile war die Sonne untergangen und nur noch die Kerzen und die Sterne erleuchteten den Platz, an dem sie saßen.

James stand auf und zog Lily von ihrem Stuhl hoch. Ihre Hände ließ er nicht los und Lily konnte wieder das Zittern spüren. Dann sah sie, wie er schluckte, bevor er schließlich mit rauer Stimme zu sprechen begann.
„Lily, wir kennen uns jetzt schon fast sieben Jahre. Manchmal kommt es mir wie gestern vor, als ich dich das erste Mal im Zug gesehen habe. Die ersten sechs Jahre hast du mir manches Mal das Leben zur Hölle gemacht, doch ich konnte einfach nicht aufgeben. Der schönste Moment in meinem Leben war wohl, als wir uns genau hier geküsst haben. Ich konnte nicht glauben, dass du doch etwas für mich empfindest. Acht Monate ist dies jetzt her. Wundervolle acht Monate. Lily, ich liebe dich mehr als mein Leben, das weißt du." Er sah aus, als müsse er sich kurz fassen, bevor er weitersprechen konnte. Mittlerweile zitterten auch Lilys Hände. Tränen der Rührung glitzerten in ihren Augen.
„Lily, ich habe dir versprochen, dass du vor Ablauf dieses Schuljahres weißt, wo du hingehörst. Ich möchte, dass du zu mir gehörst." James sank vor ihr auf die Knie und zum ersten Mal dämmerte Lily, was er wohl vorhatte. James griff in seine Hosentasche und holte ein rotes Samtkästchen hervor. „Lilly Evans, würdest du mir die Ehre erweisen und meine Frau werden? Bitte, heirate mich." Er öffnete das Kästchen, darin glitzerte der schönste Ring, den Lily jemals gesehen hatte. Doch das war egal. Sie zog James nach oben, auch seine Augen glitzerten verdächtig.
„Ja, James." Ihre Stimme klang aufgeregt und sie wunderte sich, dass sie überhaupt ein Wort hervorbrachte. „Jaaaa", rief sie freudig aus. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als deine Frau zu werden."
James stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, zog sie fest in die Arme und küsste sie sanft.
Dann nahm er den Ring aus dem Kästchen und steckte ihn Lily an den Finger. Er passte perfekt. Lily nahm sich einen Moment um ihn zu bewundern. Drei nebeneinander angeordnete Diamanten in Smaragdschliff auf einem Ring in Weißgold.
„Ich hoffe, er gefällt dir. Es war der Verlobungsring meiner Großeltern. Ich habe meine Mutter an Weihnachten darum gebeten."
„Er ist einfach wunderschön und einfach perfekt." Sie erstarrte einen Moment, als ihr bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. „An Weihnachten? Du hast den Ring seit Weihnachten?"
„Ja, ich habe den Ring seit Weihnachten. Eigentlich hatte ich darüber nachgedacht, dir Silvester einen Antrag zu machen, aber dann kam dieser dämliche Zeitungsartikel und es schien mir unpassend."
„Du wusstest schon an Weihnachten, dass du mich heiraten willst?"
„Nein, das wusste ich schon bevor wir zusammen waren." Lily sah ihn sprachlos an.
„Ich komme mir so dumm vor. Wie konntest du dir deiner Gefühle so sicher sein und ich so daran zweifeln?" James legte ihr einen Finger auf die Lippen und zog sie dann auf eine Decke am Seeufer, die Lily vorher gar nicht aufgefallen war.
„Du bist alles andere wie dumm. Du hast einfach eine schwere Zeit durchgemacht."
„Ich habe nicht verstanden, was du damit meintest, dass ich zum Ende des Schuljahres weiß, wo ich hingehöre, als wir im Januar nach Hogwarts zurückgekehrt sind. Aber nie hätte ich angenommen, dass es das ist, was du meinst."

James Potter und das Erbe GryffindorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt