141: Vergangene Zeiten

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"Pssst", zischte es in die Nacht hinein und hallte im Kerkerraum wider.

Sofort war ich hellwach und spitzte die Ohren. Was war das? Ich riss die Augen auf. Mein Blick schweifte durch den Raum. Direkt vor unserer Zellentür blieben meine Augen hängen. Im Licht einer Öllampe, die er in der Hand hielt, stand niemand Geringeres als Cutler Beckett.

"Was machst du denn hier?!", wisperte ich überrascht, entfernte Jacks Arm vorsichtig von meinen Schultern und kroch auf den Knien zur Tür; erst jetzt sah ich den Schlüsselbund in seiner Hand.

"Ich befreie dich, Leandra. Oder denkst du, ich würde dir dabei zusehen, wie du zum Galgen schreitest? Ich habe eingesehen, dass dein Herz niemals mehr mein sein kann. Aber ich empfinde immer noch etwas für dich. Und dich tot am Galgen hängen zu sehen, würde mir das Herz brechen. Ich würde alles für dein Leben geben und alles akzeptieren, was dich glücklich macht, auch, wenn es mir noch so weh tut. Vertrau mir, Leandra. Komm mit mir. Ich befreie dich. Das bin ich dir schuldig", erklärte Beckett mit gedämpfter Stimme.

Wow - ich war überwältigt und starrte Beckett mit großen Augen an. "Du befreist mich? Du willst mir helfen?" Ich hatte tausend Fragen, unter anderem, wie er es geschafft hatte, von der Flying Dutchman zu flüchten, doch nur diese beiden konnte ich in diesem Moment aussprechen.

"Ja", sagte er bloß.

"Und was ist mit Jack?", fragte ich sofort. "Ich kann ihn nicht hier lassen."

"Es würde zu lange dauern, ihn zu wecken. Wir haben nicht viel Zeit", sagte Beckett und schloss endlich diese verfluchte Zelle auf. "Mich hat nämlich unglücklicherweise jemand gesehen. Wir müssen jetzt schnell sein."

Ich sprintete hinaus. Ich war frei.

"Du musst ihn am Galgen retten. Dir bleibt keine andere Möglichkeit. Wir müssen jetzt so schnell wie möglich weg von hier! Und du hast es ja schon damals geschafft, jemanden vor dem Galgen zu bewahren...", erklärte er und schloss die Zelle wieder ab.

Und schon hörte ich Schritte auf der steinernen Treppe, die hierher führte; Beckett löschte die Öllampe und zog mich sofort in den nächsten Gang, der so dunkel war, dass ich die Hand vor Augen fast nicht mehr erkennen konnte. Beckett drückte mich gegen die kühle Steinwand. Eiskalt lief es mir den Rücken hinab und ich musste aufkeuchen. Dann umfasste Beckett mit seinen Händen meine Unterarme.

"Sei leise und halt ganz still!", hauchte er mir kaum hörbar zu.

Dann kam er mir näher und immer näher. Ich spürte seine Nase links neben meiner und seinen heißen Atem auf meinen Lippen. Langsam berührten seine Lippen nun sanft die meinen und ich war der Meinung, dass ich ihn dieses eine Mal nicht stoppen musste, da er genau wusste, dass ich nie wieder das gleiche für ihn empfinden würde und sich selbst unterbrechen würde. Außerdem war ich ihm dankbar für seine Hilfe. Und ich hatte Recht, denn Beckett hatte mir wirklich nur einen ganz kurzen Kuss gegeben.

"Verzeih, Leandra. Ich muss mich zurückhalten", sagte er sofort mit gesenkter Stimme.

"Allerdings", antwortete ich zustimmend, lächelte aber ein wenig. 

"Es ist nur so, dass ich-"

"-dass du immer noch etwas für mich empfindest, ich weiß", vollendete ich den Satz für ihn.

"Wir hatten eine wunderbare gemeinsame Zeit", sagte er.

"Lass uns das bitte später klären. Wir sollten hier nämlich möglichst schnell raus", schlug ich ihm vor.

"Du hast ja Recht", meinte er, ergriff mein Handgelenk und führte mich aus dem Kerker hinaus in die sternklare Nacht.

Es war kühl und ein leichtes Lüftlein wehte. Beckett führte mich an einen Platz in der Nähe des Hafens von Port Royal.

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt