69: Die rote Tinte

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"Wow!", sagte ich beeindruckt, hielt die Öllampe höher und starrte fasziniert in die große Höhle.

Mein 'Wow' hallte von den Wänden wider. Irgendwo tropfte es, das hörte man. Die Wände waren übersät mit vielen winzigen, glitzernden, grünen Kristallen. Hier und da standen Tropfsteine herum. Wie hießen die Dinger noch gleich? Stalag-stalag... Stalag...

"Oh", meinte Jack und seine Stimme hallte durch die Höhle. "Ganz viele Stalagmiten und Stalaktiten."

Achja. So hießen die Dinger.

"Ich konnte mir noch nie merken, welche nach oben und welche nach unten wachsen", tat ich gleichgültig kund.

"Nun, das ist sehr einfach, Liebes. Lass es mich erklären", laberte Jack drauf los. "Guck dir doch mal das 'M' von Stalagmiten und das 'T' von Stalaktiten an. Es sieht aus, als hätte das 'M' zwei Berge. Von unten nach oben. Stalagmiten also. Das 'T' hängt nach unten. Von oben nach unten, also Stalaktiten, klar soweit?!"

"Ich denke schon", sagte ich langsam nickend, mit der Gesamtsituation leicht überfordert. Doch ich verstand seine Erklärung. Wunderbar. Endlich konnte ich mir diese wirren Fakten merken.

Wir traten nun etwas weiter in die Höhle hinein. Hatte ich ein Glück, dass ich anstelle meines Kleides ein Hemd und eine Hose angezogen hatte. Sonst hätte ich jetzt echt ein Problem. Und meine langen, braunen Haare hatte ich zu einem Flechtzopf, der mir über die Schulter fiel, zusammengebunden, damit sie nicht so durch die Gegend flogen. Sehr praktisch diese Haarbänder, aye?!

Wir gingen einen Gang entlang. Die Wände glitzerten im Licht der Öllampe. Ich wurde neugierig und berührte mit einem Finger die Wand. Sie war ganz kalt. Kalt wie Eis!

"Fühl mal", flüsterte ich.

Jack folgte meinem Beispiel und fasste die Wand ebenfalls an. Ich nahm den Finger wieder von der Wand und betrachtete ihn. Ich stellte fest, dass er nun ebenfalls glitzerte. Ich rieb mit meinem Daumen darüber, doch das Glitzern wollte nicht verschwinden. Im Gegenteil: mit dem Reiben verbreitete es sich sogar. Naja, es war ja nicht weiter schlimm.

"Ich will nicht glitzern", beschwerte sich Jack und betrachtete empört seinen Zeigefinger.

Ich kicherte leise, hob die Öllampe ein Stück an und schritt weiter. An den sich nähernden Schritten stellte ich fest, dass Jack mir folgte. So schlichen wir schweigend durch den Gang. Und er zog sich unheimlich in die Länge... Mir wurde langweilig. Und was half gegen Langeweile? Natürlich. Singen.

Also sang ich: "If birds are flying south it's a sign of changes. I'm standing on the edge and I don't know what else to give."

Es war schön, in der Höhle zu singen. Meine Stimme hallte von den Wänden wider, was für ein tolles Echo sorgte. Das ließ das Ganze wirklich ziemlich schön klingen.

"Do you know what it feels like loving someone that's in a rush to throw you away? Do you know what it feels like to be the last one to know the lock on the door has changed? Do y-", ich brach ab. "Oh mein Gott! OH MEIN GOTT! Jack! Sieh mal!"

Ich deutete auf das Ende des Ganges. Dort befand sich ein großer, runder Hohlraum in den locker ein Schiff passen könnte. Wir mussten mittlerweile wohl fast in der Mitte des Berges sein. Oben an der Decke des Hohlraums war ein Loch, durch welches das Mondlicht drang und den Raum erhellte. Das Licht fiel auf den Boden und genau dort zeigte auch mein Finger hin. Dort auf dem Boden befand sich ein Text aus roter Tinte. Ich rannte darauf zu und kniete mich davor.

"Jack, weißt du was das ist?!", fragte ich aufgeregt, als er sich neben mich kniete. "Das ist dieselbe Schrift und dieselbe Tinte, wie auf der Schatzkarte. 'Felicitaciones'! Das heißt 'Glückwunsch'. Wir haben es geschafft!"

"Sieht ganz so aus, aye?!", sagte Jack grinsend. "Und weißt du, was ich glaube, Liebes?!"

Ich sah ihn erwartungsvoll an.

"Wenn hier in der nächsten Nacht der Vollmond durch das Loch dort oben scheint, steht hier das Schiffswrack."

Ich lächelte zufrieden. "Ja, so wird es wohl sein. Komm, wir gehen zurück; das kriegen wir morgen doch mit Sicherheit hin."

"Aye, das schaffen wir mit links. Aber damit wir den Weg nicht vergessen", meinte Jack, "werde ich ihn noch mit ein paar Steinen markieren, während wir zurück gehen."

Also gingen wir den Weg wieder zurück. Alle paar Meter hockten wir uns hin und legten aus herumliegenden Steinchen einen Pfeil in die Richtung, wo wir morgen das Schiff vermuteten.










"Da seid ihr ja!", begrüßte uns Elizabeth. Sie war eine der wenigen, die noch wach waren. "Und? Ihr wart ganz schön lange weg. Habt ihr wenigstens etwas entdeckt?"

Ich grinste und spielte an meinem Flechtzopf herum. "Ja, das haben wir, stimmt's, Jackie?!"

"Allerdings", bestätigte Jack. "Wir wissen jetzt, wo wir morgen hin müssen. Wir wissen, wo das Schiffswrack stehen wird. Wir müssen nur noch den Schatz finden. Und das wird eine Leichtigkeit", erklärte er und legte mir stolz seinen Arm um die Schultern.

Elizabeth lächelte und murmelte ein 'Super!'. Dann ging sie davon und gesellte sich zu den anderen.

"Ich bin müde", sagte ich und blickte zu Jack empor.

"Ich auch", meinte Jack. "Und Schätzchen, wir schlafen am Strand. Weißt du noch? Wie damals." Er grinste und setzte sich in den Sand.

"Klar, wie könnte ich das vergessen?!", antwortete ich lächelnd.

Er ergriff mein Handgelenk und zog mich langsam zu sich herunter. Er ließ sich langsam in den Sand zurück fallen und  zog mich hinterher, sodass ich direkt auf ihm landete. Ein wunderbarer Einfall, Captain Sparrow.

"Morgen haben wir endlich den Schatz, Jessie, Liebes."

"Das will ich doch hoffen", sagte ich.

Und ohne Vorwarnung drehte sich Jack einmal, sodass er nun auf mir lag. "Na, hör mal. Ich glaube, du vergisst, wer ich bin. Captain Jack Sparrow, klar soweit?!", meinte er leicht empört.

Ich lachte leise. "Du bist doch verrückt."

Jack griff nach meinen Händen und legte seine Finger zwischen meine. Unsere Hände lagen nun nutzlos rechts und links neben meinem Kopf. Jack sah mir erst in die Augen. Dann senkte er den Blick und begann erst, meine Wange und dann auch noch meinen Hals zu küssen. Ich war froh, dass wir weit genug von den anderen entfernt waren, denn das sorgte dafür, dass ich mich total entspannen und komplett auf ihn fokussieren konnte. Ich schloss die Augen und genoss das, was er tat.

"Du machst mich verrückt", flüsterte ich.

"Das will ich doch hoffen", sagte Jack leise und ließ von meinem Hals ab.

Ich öffnete die Augen. Wir blickten uns an. Dann grinste Jack. Ich erwiderte es. Seine Hände glitten an meinen Armen entlang und fuhren dann an meinen Seiten herunter bis zu meiner Hüfte. Nun drehte ich mich plötzlich um, sodass Jack wieder unten lag. Doch sofort tauschten unsere Aufenthaltsorte wieder.

"Mistkerl", murmelte ich grinsend und kurz darauf fand ich seine Lippen auf meinen vor.

Na schön, wollen wir mal nicht so sein. Außerdem konnte ich aus meiner Position die Sterne viel besser sehen, aye?! Ein Vorteil für mich.

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Lied: Enrique Iglesias - Do You Know

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt