33: Liebeskummer

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Als ich am nächsten Tag aufwachte, schlug ich sofort die Decke zurück und stieg aus der Koje. Jack war nicht mehr da. Anscheinend war er schon an Deck. Ich reckte mich, gähnte einmal und schlang dann meine Arme um meinen Körper. Meine Augen huschten suchend durch die Kajüte. Es interessierte mich, wie ich wohl aussah. Allerdings fragte ich mich auf der anderen Seite auch, ob ich das wirklich wissen wollte... Als ich feststellte, dass auf dem ersten Blick allerdings kein Spiegel zu finden war, öffnete ich auf gut Glück den Kleiderschrank und fand an der inneren Schranktür tatsächlich einen Spiegel vor. Ich betrachtete mich: meine Augen waren rot und geschwollen und auf meinen Wangen konnte man Tränenspuren erkennen; ich sah schrecklich aus. Ich sah wirklich schrecklich aus.

Ich seufzte und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich konnte mich nicht dauerhaft hier drin verkriechen. Irgendwann musste ich sowie so mal hier raus kommen und mich meinem kleinen Problemchen stellen. Also, warum nicht jetzt? Umso eher hatte ich es hinter mir. Also ging ich durch den Raum und öffnete die Flügeltür. Die salzige Meeresluft wehte mir entgegen und trug somit meine Haare mit sich. Ich schloss für einen Moment die Augen und ließ die frische Luft durch meine Lunge strömen - Hendric hatte immer gesagt, das solle erlösen und den Kopf frei machen. Und wieder war ich gedanklich bei ihm. Ich liebte meinen besten Freund einfach zu sehr - freundschaftlich versteht sich. Kein anderer Mensch der Welt konnte an ihn herankommen. Und ich würde ihn heiraten, wenn wir nicht viel zu sehr wie Bruder und Schwester wären. Warum waren wir das eigentlich? Wären wir es nicht, wäre alles viel einfacher gewesen. Und warum konnte ich jetzt nicht einfach bei ihm sein? Jetzt, wo Jack mir so sehr weh getan hatte. Er wüsste bestimmt, was jetzt zu tun wäre. Ich seufzte erneut. 

Dann öffnete ich meine Augen wieder und schloss die Tür. Ich ging über das Deck hinweg auf das Achterdeck zu, denn dort stand Jack. Und es tat weh, ihn zu sehen. Ihn, der mich betrogen hatte. Und ja, ich nutzte das böse Worte. Betrogen. Schließlich hatte ich keine Ahnung, wie weit es bei den beiden gestern noch gegangen war. Ich zögerte noch einen Moment, bevor ich zu ihm empor stieg.

"Guten Morgen, Schätzchen, gut geschlafen?", begrüßte er mich freudig und ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

"Spar dir dein 'Schätzchen', Jack", sagte ich ruhig und bestimmt und es bildeten sich Tränen in meinen Augen.

"Was?", fragte Jack verwirrt und drehte sich fragend zu mir.

"Ist das alles, was dir dazu einfällt? Ich will dich nicht mehr sehen! Hast du eigentlich mal an mich gedacht, wie ich mich fühle?", sprudelte ich los.

"Warte, was? Wovon redest du eigentlich, Liebes?"

"Du vergnügst dich mit IHR, obwohl du MICH hast! Ich habe gesehen, wie du sie geküsst hast. Gestern Abend. Genau hier. War es gut? Hat es sich richtig angefühlt?"

Jack starrte mich an. Ich kam mir vor, wie bei einem Überfall. Er hatte wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass ich sein kleines Rendezvous mit Angelica bemerken würde. 

"Na, sag schon! Oder willst du es verleugnen? Denn wenn das der Fall ist, dann kannst du es dir sparen. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen."

"Ach, das meinst du", meinte er, grinste und winkte kurz ab. "Jessie, ich... das ist... ein Missverständnis-"

"Ein Missverständnis?!", schrie ich schrill und die Tränen kullerten mir die Wangen herunter. "Ich weiß doch, wie es aussieht, wenn zwei Menschen sich küssen, Jack! Ich kann es nur... einfach nicht glauben. Ich habe dir blind vertraut, dich geliebt. Wie konntest du mir das nur antun? Weißt du, wie ich mich fühle? Du hast mich benutzt! Die ganze Zeit nur benutzt. Du bist wahrscheinlich eh nicht in der Lage, so etwas wie Liebe zu empfinden. Du wolltest doch nur deinen Spaß, hab ich Recht?"

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt