43: Das Schiff am Horizont

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Jack, der darauf bestanden hatte, dass ich das Kleid wieder anzog - ich schwöre, ich hatte protestiert, denn er sah in meinem Kleid wirklich richtig süß aus - und ich hatten nun schon drei Tage auf dieser verfluchten Insel verbracht. Jeden Tag gab es eine Flasche Rum für jeden von uns - es war zwar nicht gerade intelligent, da der Alkohol uns bloß nur noch mehr Wasser entzog, aber auf der anderen Seite, konnte man unsere Situation so deutlich besser aushalten - und ein bis zwei Mahlzeit pro Tag: Fisch, den ich mittlerweile, wie ihr euch sicher denken könnt, auch schon mehr als satt hatte. Aber abgesehen davon war es eigentlich ganz schön mit Jack allein auf einer einsamen Insel zu sein. Und das über eine so lange Zeit. So etwas konnte zwei Menschen schon irgendwie zusammenschweißen. Daraus folgte also, dass Jack und ich uns meiner Meinung nach noch vertrauter geworden waren. Und so zu denken, war verdammt schön! Aber auf der anderen Seite waren wir uns auch schon gegenseitig etwas auf den Keks gegangen. Es wurde Zeit, dass wir wieder hier weg kamen.

Momentan saß ich am Meer und spielte mit kleinen Steinen, Muscheln und Stöcken im Sand, wie ein kleines Kind - ich hatte nichts Besseres zu tun, da Jack keine Zeit für mich hatte; er machte gerade irgendein Experiment mit Palmen, Holz, Kokosnüssen und seinem Schwert... was auch immer sein Ziel war... Und um ehrlich zu sein war es mir im Moment sogar ganz Recht, dass er beschäftigt war. Denn gerade eben waren wir uns gegenseitig auf den Keks gegangen und ich hatte im Moment keine Lust auf sein Geplapper.

Ich nahm den Stock nun in die rechte Hand und schrieb in den Sand: 'Jack und Jessie waren hier'. Aye, wir waren hier.

"Jessie!", rief auf einmal Jack.

"Was denn?", fragte ich tonlos und hob nicht mal den Kopf.

"Sieh mal, was ich hier hab!", rief er gut gelaunt.

"Ein Glas voll Dreck und ich soll raten, was da drin ist?", riet ich abwesend und ohne jegliches Interesse zu zeigen.

"Natürlich nicht", sagte Jack und ich schrak kurz zusammen, als er sich neben mich in den Sand plumpsen ließ.

"Was denn?", fragte ich weiterhin abwesend.

"Eine Kokosnuss!", antwortete Jack und sorgte somit dafür, dass ich ihn ansah und sehen konnte, wie er mir strahlend eine Kokosnuss unter die Nase hielt.

"Wie hast du das denn bitte geschafft?", fragte ich völlig perplex.

"Ich bin die Palme hochgeklettert", antwortete er, als wäre es etwas Selbstverständliches, mal eben so eine Palme hoch zu klettern - von wegen.

"Du bist verrückt!", sagte ich kopfschüttelnd. "Jetzt musst du das Mistding nur noch auf kriegen." Mit einem Grinsen im Gesicht sah ich, wie Jack mit der Kokosnuss kämpfte; dann wandte ich mich von ihm ab und blickte gen Horizont.

Wo Vater jetzt wohl war? Und was er nur von mir denken würde? Entweder würde er von mir enttäuscht sein, oder er würde endlich verstehen, dass ich Jack liebte und er mir nicht wieder weh tun würde. Vielleicht dachte er sogar über meine Worte nach. Aber wie bereits festgestellt, konnte ich ihn irgendwo doch verstehen. Schließlich hatte Jack meine Mum entführt woraufhin sie von Davy Jones getötet wurde. Wenn mir irgendjemand Jack entführen würde und er dabei sterben würde, würde ich seinen Entführer schließlich auch verfluchen. Aber wenn ich dann eine Tochter hätte, die sich in Jacks Entführer verlieben würde... Würde ich dann so reagieren, wie Vater, oder würde ich ihre Liebe akzeptieren? Ich wusste es nicht; folglich konnte ich verstehen, wie schwer es für meinen Vater war. Er war kein Unmensch. Es war bloß normal, was er fühlte. Schließlich hatte er meine Mutter über alles geliebt. Seit sie tot war, hatte er auch noch keine andere Frau an sich herangelassen. Folglich war es schon ziemlich deutlich, dass Davy Jones ihm mit der klitzekleinen Hilfe von Jack das Wertvollste genommen hatte, was er besessen hatte - neben mir als seiner Tochter natürlich. Und so konnte man auch verstehen, dass er mich um alles in der Welt beschützen wollte, da ich das einzige war, was Mum ihm zurückgelassen hatte. Es war alles nicht so einfach, aye? Ich hoffte dennoch, dass er über meine Worte nachdenken würde und Jack endlich akzeptieren könnte. Er musste ihn ja nicht direkt mögen, Akzeptanz würde fürs erste reichen.

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt