100: Die Pflicht von Davy Jones

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, blickte ich sofort in den blauen Karibikhimmel. Ich hatte im Krähennest geschlafen, da mir die Kapitänskajüte noch zu vollgeschleimt von Fischfresses Tentakeln gewesen war. Jetzt mal ernsthaft: das war doch total ekelhaft! Überall dieser ganze Schleim. Und wirklich gut roch das Ganze auch nicht so wirklich. Ich verzog das Gesicht und schüttelte mich kurz. Aber wieso dachte ich am frühen Morgen darüber nach? Ich sollte erst einmal vernünftig wach werden.

Doch daraus wurde nichts, denn es wurde schon von unten nach mir gerufen, ganz so als ob meine Crew allein nichts auf die Kette bekam und obendrein ein Gespür dafür hatte, wann ich wach war. "Captain!"

Ich schaute über den Rand hinunter auf das Deck. "Was wollt ihr?"

"Ihr... müsst eure Pflicht erledigen, Captain Bones. Wenn Ihr es nicht tut, wird die Flying Dutchman wieder verflucht und wir mutieren zu Teilen des Schiffes!", rief ein blonder Mann zu mir herauf; es war dieser Taylor, den ich gestern zum Steuern verdonnert hatte.

Ich seufzte und kletterte hinunter. Wenig später stand ich neben ihm und sah ihn fragend an. "Könntet Ihr mir vielleicht erklären... wie das geht?"

"Was?! Ihr wisst nicht, wie das geht?", fragte Taylor überrascht. "Ich dachte, Ihr wolltet Davy Jones' Pflicht übernehmen? Warum sonst habt ihr ihn umgebracht?!"

"Es war ein Versehen!", motzte ich vielleicht etwas zu grob. "Und jetzt wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr mir diesen Mist vielleicht erklären könntet, Mr. Taylor!"

"Wisst Ihr was? Nennt mich Troy, in Ordnung?", schlug er mir vor, lächelte und hielt mir seine Hand hin.

Ich wusste nicht, wie ich mich jetzt fühlte. Ein wildfremder Mann bot mir seinen Vornamen an. Ich sah ihm verunsichert in die Augen und merkte, dass er mindestens einen Kopf größer war als ich. Er hatte blaue Augen. Sie waren zwar nicht so schön, wie die von David, aber sie waren blau und glitzerten vor Freundlichkeit. Ich merkte, dass sich auf meine Wangen ein leichter Rosaton stahl.

"Ähm... okay", sagte ich und schüttelte ihm die Hand. "Nenn mich Jessie."

"Alles klar", sagte Troy und lächelte noch einmal.

Und sein Lächeln, das konnte ich nicht verleugnen, war wirklich bemerkenswert schön. Was war das? Was für einen Blödsinn veranstaltete mein Gehirn da gerade wieder? Hallo? Jessie? Du bist mit dem hübschesten Piraten der Welt liiert und findest das Lächeln eines einfachen Mannes deiner Crew attraktiv? Ich kniff kurz die Augen zu und stellte mir Jack vor meinem inneren Auge vor. Da war er. Seine dunklen Augen ließen mich lächeln mein Herz wahrscheinlich höher schlagen - irgendwo in Jacks Manteltasche. Sehr gut!

Ich öffnete die Augen. "Also, Troy, wie geht das, was ich tun muss?"

"Du musst die auf See gestorbenen Seelen auf die andere Seite bringen", sagt er, als wäre es da simpelste auf der Welt.

"Auf die andere Seite bringen?", wiederholte ich. "Was zur Hölle...?! Wie zum Geier soll das gehen?"

"Nun ja... du musst sie auf der Dutchman auf die andere Seite bringen", sagte Troy.

Ich setzte einen verwirrten Blick auf.

"Du musst sie ins Totenreich bringen. Wenn wir mit dem Schiff untertauchen, tauchen wir woanders wieder auf."

"Lass mich raten: woanders ist das Totenreich, hab ich Recht?"

"Ganz genau", antwortete Troy. "Da müssen die toten Seelen hingebracht werden."

"Wo ist der Sinn?", fragte ich. "Ich meine, wenn man stirbt kommt man doch automatisch ins Totenreich, oder?"

"Nein, du musst sie schon hinbringen, Jessie. Wenn du es nicht tust, werden wir verflucht. Wie damals mit Davy Jones", erklärte mir Troy.

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt