44: Zellenbesuch

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Jack und ich saßen nun in der Zelle. Er hatte seinen rechten Arm um mich gelegt, seinen Hut ins Gesicht gezogen, lehnte an der Wand, hatte das linke Bein angewinkelt und seinen anderen Arm darauf gelehnt. Mein Kopf ruhte auf seiner rechten Schulter - direkt an seinem Hals -, ich hatte mein rechtes Bein angewinkelt und meinen kaputten, rechten Arm darauf gestützt. Mein linker Arm lag auf Jacks Bein. Ich hatte die Augen geschlossen. Jacks verfilzte Dreadlocks kratzten ganz leicht und sanft über meine Stirn, aber ich mochte es. Vielmehr beruhigte es mich. Und ich war sogar gerade auf dem Weg, einzuschlafen.

Als ich dann jedoch einen Schlüssel im Schloss rasseln hörte, öffnete ich meine Augen. Ich sah alles verschwommen und blinzelte heftig. Allmählich wurde das Bild klarer. Ich erkannte Hector Barbossa. Er grinste dämlich und setzte sich uns gegenüber. Ich hob den Kopf von Jacks Schulter und stieß ihm in die Rippen.

"Jack!", zischte ich.

"Wie süß", kommentierte Barbossa. "So sieht man sich wieder, Miss Bones."

"Was wollt ihr, Captain Barbossa?", fragte ich und musterte ihn forschend.

Neben mir regte sich Jack. Er hob den linken Arm und zog sich den Hut vom Gesicht. Er sah sich um. Als er Barbossa erkannte verengten sich seine Augen.

"Hector! Warum hast du dir wieder MEIN Schiff geschnappt?! Warst du nicht glücklich mit deinem pinken Dingi?", sagte er deutlich ruhiger, als er aussah.

"Gegenfrage, Jack: warum hast du meine Karte gestohlen? Und wo ist sie? Wir haben sie an Bord der Pearl nicht gefunden. Händige mir sie aus!", sagte Barbossa.

"Nun, das tut mir Leid, Hector, aber ich habe sie nicht", antwortete Jack und hob kurz unschuldig die Hände.

"Du hast sie nicht?", fragte Barbossa und jetzt wurde auch ich neugierig. "Wo ist sie dann?"

"Auf dem Grund des Meeres", flüsterte Jack geheimnisvoll und grinste.

"Warum zum Teufel ist sie DORT?!", meckerte Barbossa und er war sichtlich wütend.

"Weil ich mit einem Überfall von dir gerechnet habe, Hector, Liebes. Als ich das Rätsel gelöst hatte, habe ich sie über Bord geworfen. Auch wenn man sie finden würde, die Tinte ist schon längst über alle Berge - oder... Inseln, je nach dem, wie du es gerne hättest. Wie auch immer, ich habe gewusst, dass du es früher oder später merken wirst und die Pearl irgendwie überfallen wirst. Da habe ich vorgesorgt. Und damit hast du nicht gerechnet, aye?! Du hättest vielleicht besser mit deinem dämlichen Affen kommunizieren müssen; der ist wenigstens schlau!", sagte Jack stichelnd.

"Jack Sparrow", sagte Barbossa leise; seine Stimme zitterte vor Wut.

Ich klammerte mich ein wenig ängstlich an Jack und bohrte ihm meine Fingernägel in den Arm - natürlich aus Versehen!

"Verzeih, Hector, aber fehlt da nicht irgendwo noch ein... CAPTAIN? Anständigerweise?"

Ich hätte Lachen können, doch die Gesamtsituation war einfach zu erbärmlich. Barbossa gab ein verärgertes Knurren von sich und erhob sich.

"Eigentlich bin ich hier gewesen, um dein Püppchen zu verarzten. Das kannst du jetzt selbst machen." Barbossa warf Verbandszeug auf den Boden. "Und das Essen kommt gleich." Dann verließ er die Zelle und schloss uns wieder ein.

"Was ein Mistkerl", murmelte Jack und nahm den Verband in die Hand.

"Musst du gerade sagen", meinte ich.

Jack warf mir einen Blick zu, beließ es dann aber dabei. "Zeig mal deinen Arm, Liebes."

Ich hob meinen schmerzenden rechten Arm an. Jack betrachtete ihn. Dann legte er vorsichtig seine Hand darauf und tastete ihn ab.

"Wo tut es denn weh?", fragte er und ich zeigte ihm eine Stelle, ziemlich mittig des Unterarms.

Jacks Hände wanderten dorthin. Vorsichtig strich er darüber; dann drückte er langsam hinein. Mir entfuhr ein kurzer Aufschrei.

"BIST DU IRRE?!", keuchte ich.

"Oh, tut mir Leid", murmelte Jack.

"Kein Problem", würgte ich dann zwischen meinen zusammengepressten Zähnen hervor.

Nach einigen weiteren Untersuchungen stellte Jack fest: "Ich denke, es ist nicht gebrochen. Vielleicht verstaucht."

Er legte mir den Verband an und begann ihn um meinen Arm zu binden. Dabei sah er mir in die Augen. Seine Hände machten die Arbeit quasi wie von allein. Als gehörten sie gar nicht ihm. Manchmal reichten einfach nur Blicke und Mimik. Oder Gesten. Wie jetzt. Stumme, tiefe Blicke. Blicke, die etwas sagten... ein Gefühl ausdrücken. Jacks Blick drückte Schutz und Zuneigung aus - fand ich. Er stand ihm richtig gut! Er beschützte mich. Das tat er, seit wir uns kannten und er würde es auch immer tun. Er war mein Jack. Besagtem Jack ging gerade der Verband aus und er stopfte das Ende vorsichtig unter die schon sorgfältig um den Arm gewickelten Schichten.

"Fertig", sagte er leise.

Ich lächelte. "Danke Jack."

Jack und ich lehnten uns wieder gegen die Wand. Ich ergriff seine Hand. Er erwiderte den Händedruck.

Dann begann ich leise und leicht zitternd zu singen, weil mir einfach danach zu Mute war: "Today is gonna be the day that they're gonna throw it back to you. By now you should've somehow realized what you gotta do. I don't believe that anybody feels the way I do about you now."

Jack legte den Kopf in den Nacken und lehnte ihn somit an die Wand.

Ich sah ihn fragend an. "Was tust du da?"

"Nichts", meinte er und begann zu grinsen. "Du singst schon wieder, Liebes."

"Oh, tatsächlich?", stellte ich gespielt fest und grinste ihn an. "Back beat, the word was on the street that the fire in your heart is out. I'm sure you've heard it all before, but you never really had a doubt. Warte, was? Stört dich das?"

"Neinnein", antwortete Jack und lachte leise in sich hinein. "Ich mag es."

"Na gut", sagte ich und sang weiter. "Today was gonna be the day, but they'll never throw it back to you. By now you should've somehow realized what you're not to do. I don't believe that anybody feels the way I do about you now."

Ich gab Jack einen Kuss auf die Wange und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Er legte wieder seinen Arm um mich.

"And all the roads that lead you there are winding and all the lights that light the way are blinding", sang ich weiter. "There are many things that I would like to say to you, but I don't know how. I said maybe, you're gonna be the one that saves me. And after all, you're my wonderwall."

Ich richtete mich wieder auf, nachdem ich zu Ende gesungen hatte. Jack sah mich an und grinste. Ich erwiderte es. Dann legte er seine Hand auf meine Wange und zog mich näher zu sich. Ich folgte seinem Beispiel und zog auch ihn an der Schulter näher zu mir. Dann berührten sich langsam unsere Lippen und wir küssten uns. Ich genoss es. Es war der einzige Lichtblick hier unten. Es tat gut und war sehr erlösend. Es verpuffte all meinen Frust und gab mir Sicherheit und Schutz. Und ich staunte darüber, wie einfach Jack mich glücklich machen konnte, indem er mich einfach nur küsste. Ich schwärmte immer noch wie ein kleines Mädchen für ihn. Und ich konnte es einfach nicht lassen.

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Lied: Oasis - Wonderwall

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt