40: Nicht jeder Schatz besteht aus Silber und Gold

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Ich war schon echt irgendwie arm dran - obwohl ich in nur einem Moment alles ändern könnte. Ich könnte jetzt, genau in diesem Moment zu Jack gehen und ihm sagen, dass ich ihn zurück wollte. Ihm sagen, wie ich fühlte. Er würde mich sofort zurück nehmen. Das wusste ich. Und vielleicht ruhte ich mich auch ein wenig auf diesem Gedanken aus. Doch was, wenn ich falsch lag? Was, wenn er nach meiner letzten Ansage nun ebenfalls verletzt war? Was, wenn er nun doch aufgegeben hatte? Vielleicht sollte ich mir langsam darüber bewusst werden, was ich wollte und was ich konnte. Vielleicht sollte ich auf ihn zu gehen. Vielleicht sollte ich kämpfen. Für unsere Beziehung. Ich musste mir so schnell wie möglich darüber im klaren sein, ob ich noch Zeit benötigte und wenn ja wie viel. Denn so wie es jetzt war, konnte es nicht ewig weitergehen. Irgendwann musste ich ihm entweder verzeihen, oder ich würde mich damit abfinden müssen ohne ihn leben zu müssen. Ich seufzte. Eigentlich war es ja so, dass wenn man verliebt war, man die ganze Zeit gute Laune und Schmetterlinge im Bauch hatte. Nun, ich für meinen Teil hatte Kopfschmerzen und Übelkeit. Ich hatte zwar schon viele Erfahrungen mit der Liebe gemacht - gute wie schlechte -, aber das hier tat mir gerade mehr weh, als alles andere. Aber im Grunde war ich es selbst Schuld und hatte mir den ganzen verfluchten Mist selbst zuzuschreiben - abgesehen von der Sache zwischen Jack und Angelica. Das war ganz allein er Schuld.

Ich erhob mich, öffnete den Schrank, um in den Spiegel zu sehen und erschrak mich erst einmal vor meinem eigenen Spiegelbild: mein Gesicht war rot und nass, überall waren Tränenspuren zu sehen und meine Augen waren geschwollen - fein, jetzt kannte ich also das Ergebnis, wenn man zwei Stunden lang durch weinte. Ich seufzte, hob meine Kleidung vom Boden auf und zog mich an.

Und nur ein wenig später stand ich dann neben Hendric an der Reling. Ich vertraute meinem besten Freund natürlich mehr, als keinem anderen auf der Welt. Also erzählte ich ihm alles. Wie ich fühlte, wie ich über die gesamte Situation dachte. Was ich überlegte, was alles in meinem Kopf herum schwirrte und wie sehr ich diesmal verliebt war.

"Aber", sagte er dann nach meiner Erzählung, "wenn du Jack immer noch liebst, Kleines, dann frage ich mich, warum du es dir so schwer machst."

Ich seufzte. "Ich mich doch auch, Hendric."

"Also klar, ich kann verstehen, dass du eine Auszeit benötigt hast. Aber offenbar sehnst du dich nach ihm. Du quälst nicht nur ihn, sondern auch dich selbst, Jessie. Du leidest. Vielleicht bist du schon wieder bereit für Nähe zu ihm. Du weißt es nur noch nicht, oder kannst deine Gefühle nicht richtig deuten oder einordnen oder denkst, dass es noch zu früh ist", philosophierte Hendric. "Aber glaub mir, so wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen. Du musst irgendetwas tun."

"Du hast mal wieder sowas von Recht, Hendric", sagte ich schwermütig.

"Dafür bin ich da."

"Um Recht zu haben?", fragte ich und musste tatsächlich ein wenig grinsen.

"Klar", antwortete er bloß.

"Aber was soll ich tun?"

"Hör auf dein Herz. Was sagt es dir? Was will es?"

"Jack." Diese Antwort war eindeutig und kam wie aus der Pistole geschossen, was mich selbst ein wenig zusammenzucken ließ.

"Siehst du, Kleines. Dann geh doch einfach zu ihm", munterte er mich auf.

"Ich weiß", nuschelte ich und blickte betreten zu Boden. "Wenn das so einfach wäre. Es ist wie ein Zwiespalt: ich will ihn, aber ich will Abstand. Aber ich liebe ihn."

"Jessie", sagte Hendric und legte mir seine Hand auf die Schulter. "Wenn es das ist, was dein Herz will, dann musst du es ihm sagen. Du hast gesagt, du liebst ihn. Ich bin mir sicher, dass er es auch tut. Das sehe ich allein schon an der Art, wie er dich ansieht, Jessie. Es wird alles besser, wenn du zu ihm gehst und ihm sagst, was du willst. Und du willst ihn, du fühlst es. Und ich denke, so langsam weißt du es auch."

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt