60: Das Rätsel

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So kamen wir also zu dritt - Jack, Juana und ich - auf der Black Pearl an. Es passte mir immer noch nicht so wirklich, dass sie mit uns kam. 

"Endlich segelst du mal mit mir, Jack!", sagte Juana gerade, die nun glücklicherweise etwas mehr Stoff auf der Haut trug, als noch vor wenigen Minuten. "Du hast es mir immer versprochen. Endlich hältst du es!"

"Man möchte brechen", kommentierte ich leise, sodass nur ich es hörte. Ich und... Elizabeth.

"Bitte nicht schon wieder, Jessie", stöhnte sie.

Ich hob die Augenbrauen. "Diese Frau schleimt sich total bei ihm ein, verdammt! Die soll bloß ihre Finger von ihm lassen!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Blöde Pute..."

"Wird da jemand eifersüchtig?", grinste Elizabeth.

"Das ist ein unwahrer Vorwurf", log ich.

"Nicht ganz. Ein Vorwurf vielleicht, ja, aber nicht gerade unwahr. Ich weiß, dass Wahrheit dahinter steckt. Aber jetzt mal im Ernst, Jessie, du kannst unbesorgt sein, glaub mir", munterte Elizabeth mich auf und lächelte vorsichtig. "Ich weiß doch, wie er für dich empfindet. Und das weißt du auch. Ganz besonders du! Außerdem wird er nicht nochmal einen Fehler machen."

"Wenn du meinst", seufzte ich.

"Anker lichten! Setzt die Segel! Volle Kraft voraus!", ertönte Jacks Stimme. "An die Arbeit, ihr Landratten!"

Ich mochte es, wenn er so aus sich heraus kam. Ganz in seinem Element. Doch etwas störte mich. Juana. Denn sie stand an meinem Stammplatz - am Steuerrad dicht neben Jack! Ihre langen blonden Haare wehten im Wind und ich wunderte mich, dass die Gischt ihren Rouge nicht schon längst verschmiert hatte. Und mit ihr war Jack also mal liiert gewesen? Das konnte ich mir irgendwie überhaupt nicht vorstellen.

Und ich hatte gedacht, es könnte nicht schlimmer werden, doch da hatte ich mich getäuscht. Denn Juana blickte Jack gerade mit großen Augen an und fragte ihn irgendetwas. Daraufhin ließ Jack vom Steuerrad ab und Juana ergriff es. Jack legte seine Hände auf ihre und half ihr zu steuern. Also das ging echt zu weit! Da musste ich wirklich einschreiten. Das konnte doch nicht wahr sein.

"Jack", sagte ich entschieden und schritt auf die beiden zu.

"Herzblatt?", fragte Jack, hob fragend das Kinn und zog die Augenbrauen hoch.

"Könnten wir bitte einmal kurz reden? Aber bitte ALLEIN", sagte ich und musterte Juana kritisch.

"Ich kann sie doch nicht allein die Pearl steuern lassen."

Ich verdrehte die Augen. "Nein, aber vielleicht könnte sie für eine Sekunde von deiner Seite weichen."

Juana zuppelte an ihrem Hemd, welches sie mittlerweile gegen ihr Kleid eingetauscht hatte, was zu dem Ergebnis führte, dass ihr Ausschnitt noch tiefer lag. Dann schritt sie beleidigt an mir vorbei und murmelte mir 'Zicke' zu. Ja, pff, selber Zicke! Ich nahm nun Juanas Platz neben Jack ein und griff nach seinem Arm.

"Es passt mir nicht, wie sie sich dir gegenüber verhält. Diese ganze Nähe und dieses einschleimen", erklärte ich ihm direkt auf den Punkt gebracht.

"Jessie. Sie ist einfach nur nett", sagte Jack. "Du bist nur eifersüchtig."

"Sie versucht sich an dich ran zu machen, merkst du das nicht? Und ich bin NICHT eifersüchtig!"

"Du kannst sie doch nur nicht leiden, eben weil du eifersüchtig bist", behauptete Jack und wirbelte zu mir herum. "Du weißt ganz genau, dass ich nur dich will."

"Ach, mach doch was du willst, du Frauenheld." Betrübt lief ich davon und ließ ihn stehen.

Abstand! Erst einmal brauchte ich Abstand. Ich kletterte hinauf ins Krähennest und kauerte mich zusammen. Ich fand es zwar irgendwie süß, dass er trotz der ganzen Frauen aus seiner Vergangenheit, die teilweise immer noch was von ihm wollten, mit mir zusammen war, aber irgendwie war das alles doch ein bisschen zu viel. Ich meine... er reagierte ja schon irgendwie auch Juanas Anmachen.

"Jessie!", rief auf einmal jemand.

Ich lugte über den Rand des Krähennestes hervor. Unten stand Jack.

"Würdest du die Güte besitzen und dich mal wieder herunter gesellen? Ich will dir was zeigen."

Er wollte mir was zeigen? Was das wohl sein mochte?

"Komm mit", sagte er, als ich unten angekommen war und er ging unter Deck; ich folgte ihm.

"Wo ist Juana?"

"Die ist beschäftigt", antwortete Jack. "Das, was ich dir jetzt zeigen werde, ist das, was wir bis jetzt geplündert und geraubt haben. Jedenfalls das, was davon übrig geblieben ist. Ich denke, es ist auch etwas für dich dabei."

Jack öffnete eine Tür und schloss eine andere, sich dahinter befindende Tür auf. Dahinter befand sich ein Raum mit einer Klappe, welche noch weiter herunter in den Schiffsbauch führte. Jack öffnete diese, packte dann eine Kerze, entzündete sie und wir stiegen hinunter in den Raum. Unten angekommen leuchtete Jack mit der Kerze umher und ich traute meinen Augen nicht. Gold, Diamanten, Schmuck... Oh mein Gott! Das hier war fast eine kleine Schatzkammer.

"Wow...", meinte ich.

Dann entdeckte ich in der hintersten Ecke etwas, das mein Herz höher schlagen ließ. Ich weitete die Augen.

"Alles klar?", fragte Jack leicht besorgt.

"Schuhe!", sagte ich begeistert und hoppste durch die ganzen Schätze herüber zu den Schuhen. Ich hatte eine kleine Schwäche für hübsche Schuhe und Stiefel. "Wie kommst du bitte an solche Schuhe ran?!"

"Keine Ahnung", meinte er schulterzuckend, doch so ganz hörte ich ihm nicht zu.

Ich stöberte und probierte hier und da welche an. Ich bekam noch aus dem Augenwinkel mit, wie Jack sich vor eine Truhe setzte und einzelne Schätze betrachtete und sortierte.





"Jackie?", fragte ich nach einer Zeit.

"Herzblatt?", kam es von der anderen Seite des Raumes.

"Darf ich die Schuhe hier haben?", fragte ich und hielt ein Paar silberner, mit kleinen Glitzersteinen besetzte Absatzschuhe in die Höhe.

"Du hast jetzt nicht im Ernst eine Stunde damit verbracht, Schuhe anzuprobieren und hast dich letztendlich für ein einziges Paar entschieden?", fragte er, doch es klang eher nach einer Feststellung.

Ich legte unschuldig den Kopf schief. "Vielleicht?"

"Oh Mann", kommentierte Jack.

"Sag mal...", begann ich dann. "Was ist denn jetzt mit der Übersetzung der Schatzkarte?"

"Stimmt. Du kennst die Übersetzung ja noch gar nicht", stellte Jack fest und holte ein Pergamentblatt hervor.

Ich wusste, was es war. Dort hatte ich den spanischen Text der Schatzkarte drauf geschrieben und Angelica die Übersetzung darunter.

Jack begann, mir vorzulesen: "Also, das Rätsel ist folgendes: 'Die Insel liegt auf dem 65. Längengrad westlich von Greenwich und auf dem 15. Breitengrad nördlich des Equators. Nun, ihr tapferen Krieger, viel Glück'. Und dann steht weiter unten noch 'Liebe und Zusammenhalt.' Das heißt, die Insel liegt mitten im karibischen Meer. Wir haben schon Kurs darauf genommen. Mal sehen, was uns dort so erwartet, aye?"

"Ja, wir werden sehen...", sagte ich; etwas besseres fiel mir nicht dazu ein.

"Wie wäre es, wenn du jetzt etwas romantisch wirst, Liebes... was meinst du?" Jacks Stimme klang dicht an meinem Ohr und seine Hände legten sich von hinten um meinen Bauch. "Ich habe nämlich sehr ernst gemeint, was ich vorhin gesagt habe. Und das weißt du auch."

Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er hinter mich getreten war. Ich legte meine Finger zwischen seine. "Da wir ja noch so viele Abenteuer vor uns haben, könnte etwas Romantik durchaus nicht fehl am Platz sein. Und ja... Ich weiß das. Tut mir Leid, dass ich dich so angegangen bin."

"Alles gut", sagte Jack. "Ich kann dich ja auch irgendwie verstehen."

"Oh, tatsächlich?" Ich war wirklich überrascht und lächelte. "Das ist gut." Dann drehte ich mich zu ihm um und küsste ihn.

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt