30: Angelica

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Ich wurde geweckt, als mich ein Sonnenstrahl im Gesicht kitzelte. "Hmmm?", murmelte ich müde und erkannte durch die Wimpern einen Spalt in den Vorhängen.

Moment... Vorhänge? Wo zum Geier kamen Vorhänge her? Meine halb geöffneten Augen musterten meine Umgebung. Ich erkannte, dass ich mich in einem Zimmer befand. Außer einem warmen, weichen Bett, in dem ich zugedeckt lag, sah ich noch einen Schrank, ein weiteres, aber kleineres, Bett, einen Nachttisch mit einer Öllampe, zwei Stühle, einen Tisch und - wie gesagt - das Fenster mit den Vorhängen. Nun, dieser Spalt in den Vorhängen, durch den die Strahlen der frühen Morgensonne drangen, störte mich nun doch ganz schön und ich beschloss, den Vorhang weiter zu schließen, da ich schlafen wollte.

Ich stützte mich also mit den Armen auf das Bett und versuchte aufzustehen. Doch es ging nicht. Was zum Geier ging hier vor? Konnte mich bitte mal jemand aufklären?! Ich versuchte es nochmal - ohne Erfolg. Ein Drittes mal - nichts. Was war los? Ich legte die Decke beiseite und versuchte es erneut. Nichts. Ich gab auf und lehnte mich zurück.

Mir war langweilig und ich war noch müde. Die Augen hatte ich immer noch nicht ganz geöffnet, was dazu führte, dass mein Blick auch vielmehr nach unten, als nach oben ging. Also sah ich an mir herab. Himmel! Ich riss die Augen auf. Peinlich berührt zog ich mir die Decke bis unters Kinn. Jetzt war ich wirklich wach! Ich blickte vorsichtig nach links und rechts. Sehr gut, ich wurde nicht beobachtet - von wem auch? Dann hob ich die Decke ein Stück an, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht versehen hatte. Nein! Genauso wie vorhin: ich lag in meiner Unterkleidung, aye Unterkleidung, in diesem Bett; Jack hatte seinen Arm um mich gelegt und schlief noch - deshalb konnte ich also nicht aufstehen. Mich interessierte sehr, was gestern Abend passiert war. Ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass wir in einem Wirtshaus getrunken hatten und Jack mich dann nach oben in ein Zimmer getragen hatte. Mehr wusste ich echt nicht mehr. Beim besten Willen... verdammt! Und wir mussten doch auch noch Angelica finden...

"Jack!", rief ich und rüttelte ihn sanft hin und her. "Jack, aufwachen! Komm schon!"

"Was los...?", murmelte er müde und strich sich mit der Hand verschlafen über das Gesicht.

"Aufwachen! Wir müssen Angelica finden!" Ich rüttelte ihn nochmal hin und her und warf ihn dann aus Versehen aus dem Bett. "Hoppla?", war mein Kommentar.

"Verflucht!", meckerte Jack vom Boden herauf. "Ich bin doch schon wach!"

"Tut mir Leid", antwortete ich, konnte mir aber nur schlecht ein Kichern verkneifen und erhob mich.

Ich ging um das Bett herum und half ihm hoch. Erst sah er mich beleidigt an. Als sein Blick dann jedoch an mir auf und ab wanderte, wurde er äußerst amüsiert, was dazu führte, dass ich realisierte, dass ich ziemlich wenig trug. Ich räusperte mich, drehte ihm den Rücken zu, begann unsere Klamotten vom Boden aufzufischen, warf ihm sein Hemd zu und zog mich ebenfalls an.




Nur wenig später hatten wir eine Kleinigkeit gegessen und gingen nun durch die Straßen von Cádiz.

"Was meinst du, wo wir anfangen sollen, Jack?", fragte ich.

"Keine Ahnung, Liebes. Lass uns einfach mal etwas herumschlendern. Irgendwo werden wir sie schon finden. Wir haben alle Zeit der Welt, aye?!"

"Schon. Aber du willst doch zum Scha-"

"Pssst", zischte Jack und brachte mich somit zum Schweigen.

Ich senkte die Stimme und wisperte: "Schatz."

"Aye, aber das hat Zeit. Angelica kann sich auch Zeit lassen."

"Und was, wenn wir sie nicht finden, weil sie gar nicht in Cádiz ist?"

"Glaub mir, ich kenne sie gut genug, dass ich weiß, dass sie gerne ihre Zeit hier verbringt", antwortete er. "Und zur Not müssen wir eben nach Sevilla."

"Hm, na gut. Aber du kennst dich wirklich hier aus? Und in Sevilla auch?"

"Klar doch, Liebes, sieh mich an! Ich habe die ganze Welt gesehen!", meinte Jack zwinkernd; ich lächelte nur.




Und mittlerweile waren wir wirklich schon den ganzen, verfluchten Tag unterwegs gewesen. Stöhnend, jammernd und mich beklagend über meine schmerzenden Beine war ich Jack durch Halb-Cádiz gefolgt. Das musste man mir erstmal nachmachen!

"Ich denke, wir haben uns eine Pause verdient, Jack", keuchte ich, als die Sonne untergegangen war und die Kälte der Nacht die Stadt ergriff.

"Ich glaube, du hast Recht", stellte Jack fest und wir betraten den nächsten Pub.

Es war schön warm und gemütlich, wozu wohl ein paar Kerzen und ein Kamin beitrugen.

"Buenas noches", wurden wir von einem Mann, der wohl offenbar der Wirt war, begrüßt.

"Buenas noches", sagte Jack.

"Buenas noches", nuschelte ich.

"Síganme, por favor", sagte der Wirt und nahm mich bei der Hand. Er zog mich durch den Raum.

Hilflos sah ich Jack an, doch beruhigt folgte er mir. "Wir sollen mit ihm kommen."

Der Wirt brachte uns an einen Tisch und wir setzten uns. "¿Qué puedo ofreceros?", fragte er.

Mein Spanisch war zwar nicht so super, aber wahrscheinlich wollte er wissen, was wir trinken wollten.

"Rum?", fragte Jack vorsichtig.

"No hay ron en nuestra casa, mi señor", antwortete der Wirt.

Aha, dieses Wirtshaus besaß also keinen Rum. Es war sicherlich viel zu ehrenvoll für ein Gebräu solcher Art. Auch wenn ich es ein kleines bisschen bedauerte.

"Pero puedo ofreceros vino."

Wein. Hoffentlich war der besser, als auf Tortuga...

"Sí, vino, por favor", antwortete Jack - ich musste ehrlich zugeben, dass es sich ziemlich süß und sogar reizvoll anhörte, wenn er Spanisch sprach - und der Wirt verschwand.

"Gemütlich hier, oder?", fragte ich Jack.

"Aye, das kann man so sagen", antwortete er und sah sich um.

"Ist sie vielleicht hier?", fragte ich.

"Nein, es sieht nicht so aus. Wir müssen wohl morgen weitersuchen. Wir wärmen uns nur kurz auf, dann gehen wir wieder."

"In Ordnung."

"Vino, mi señorita." Der Wirt stellte mir ein Glas Wein vor die Nase. "Y mi señor." Er stellte auch Jack ein Glas hin.

"Muchas gracias", sagte Jack, woraufhin der Wirt sich kurz verbeugte und wieder davon huschte.

Wir tranken. Oh ja! Dieser Wein war tatsächlich um Welten besser als der auf Tortuga. Auf jeden Fall! Ich wusste doch, dass es auch noch schmeckende Weine gab.




Und etwa eine Stunde später gingen wir die leere Straße entlang. Und mit 'leer' meinte ich wirklich leer. Keine Menschenseele war unterwegs. Außer Jack und mir. Alle Straßen waren wie leer gefegt. Jack hatte mir seinen Arm um die Schultern gelegt. Es war leise und man hörte bloß unsere Schritte auf der steinernen Straße und den Lärm und die Musik, die aus den vielen Wirtshäusern drang.

"Wir müssen uns noch einen Schlafplatz suchen", sagte ich.

"Aye, wir nehmen einfach wieder das Zimmer von letzter Nacht; ist das in Ordnung für dich?"

"Hm-m", antwortete ich nickend. "Und morgen suchen wir weiter nach Angelica."

Hinter uns räusperte sich plötzlich jemand. Jack und ich wirbelten herum.

"Was wollt ihr von mir, Sparrow?", fragte eine scharfe Stimme, die die beiden 'r's in 'Sparrow' wunderschön spanisch rollen konnte, worauf ich sofort ein wenig neidisch wurde.

Jack weitete die Augen. "Angelica."

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt