71: Silberne Skelette

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Ich starrte gespannt nach oben, als Jack über die Reling kletterte und auf dem Deck des Schiffes verschwand. Ich biss mir sogar auf die Lippe bis es blutete, so angespannt war ich. Kein schöner Geschmack! Das Seil hatte ich in der Hand. Angelica trat hinter mich und legte mir ihre Hand auf die Schulter; ich sah, wie sie ebenfalls silbern wurde. Aha! Wenn man also Leute, die schon silbern waren, anfasste, wurde man ebenfalls von der kühlen Schicht umhüllt. Gut zu wissen. Danke, Angelica.

"Jack?", fragte ich vorsichtig und leise, aber laut genug, sodass er mich dort oben hören konnte.

Sein silberner Kopf tauchte über dem Rand des Schiffes auf. "Aye?! Es ist sicher. Zwar etwas morsch, aber für ein Fliegengewicht, wie du es bist, ein sicherer Untergrund."

"Pff, Fliegengewicht", murrte ich leise.

Aber am besten regte ich mich einfach nicht darüber auf. Schließlich war ich es mittlerweile gewohnt, dass Jack mich gerne ärgerte. Stattdessen kletterte ich nun an dem Seil nach oben, schwang mich oben angekommen elegant über die Reling und landete auf tatsächlich ziemlich morschem Holzboden. Es knarrte und ächzte hier und da. Ich setzte einen Schritt vor; noch einmal knarrte es, sowie bei jedem weiteren Schritt, den ich tat.

Forschend sah ich mich um. Der Mast war gebrochen und lag quer wie eine Absperrung über dem Schiff. Das schwarze, zerschlissene Segel wirkte aus der Nähe noch unheilverkündender und ein kühler Schauer, von dem ich nicht wusste, ob er von der silbernen Hautschicht ausgelöst wurde oder ob es reine Angst war, kroch mir einmal von oben bis unten über den Rücken und ich erzitterte kurz.

Jack war bereits im Zentrum des Decks angelangt und stand neben dem Mast. Ich ging mit knarrendem Holz unter den Füßen auf ihn zu. Angelica, Gibbs und ein paar andere folgten uns. Es war besser, wenn nicht zu viele mitkamen. Vielleicht gab das Holz ja doch irgendwann nach, aye?! Man konnte ja nie vorsichtig genug sein.

"Jack", flüsterte ich kaum hörbar.

Er drehte sich zu mir um. "Ich weiß schon, was du sagen willst und stimme zu. Wir müssen unter Deck, hab ich Recht?"

Ich nickte.

Angelica kam auf uns zu. "Jack", flüsterte sie. "Du willst doch nicht wirklich für einen Schatz riskieren, dass wir alle von morschen Schiffsplanken begraben werden."

"Wer garantiert dir, dass es einbrechen wird?"

"Wer garantiert dir, dass es nicht einbrechen wird?", gab Angelica zurück. "Das kannst du nicht verantworten, Jack."

"Und wie ich das kann. Ich bin der Captain!", beharrte er. "Außerdem existiert der Schatz, um gefunden zu werden."

"Aber er ist gut versteckt, um eben nicht gefunden zu werden!", hielt Angelica dagegen.

"Ich bin der Captain!", wiederholte Jack.

"Du bist so ein Dickschädel!", flüsterte Angelica wütend.

"Müsst ihr beiden euch immer zoffen?!", meckerte ich angefressen. "Wir verlieren unsere ganze Zeit."

"Jessie!", flüsterte Angelica und klang ein wenig enttäuscht. "Ich dachte, du bist wenigstens so vernünftig und siehst ein, dass das hier völliger Unsinn ist."

"Tut mir Leid, Angelica, aber... ich bin Piratin. Und wenn wir jetzt schon hier sind und so viel geschafft haben, halte ich es für verschwendete Zeit, jetzt aufzugeben. Ich denke, wir sollten unbedingt weiter gehen. Wir sind so lange auf der Suche gewesen. Da können wir jetzt nicht, so nah am Ziel, aufgeben."

Angelica seufzte. "Schön, ihr habt ja Recht. Also gut, Jack, wenn du-", sie blickte sich um. "Jack? Jack?!"

Ich sah mich ebenfalls um. Da war er doch glatt weggelatscht und wir hatten es nicht bemerkt. Doch dann entdeckte ich ihn. Er zerrte an einer scheinbar verschlossenen Tür, die vermutlich unter Deck führte. Ich ging zu ihm und zog Angelica hinter mir her.

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt