137: Die Schlacht (II)

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Ich verschwand. Ganz langsam. Ich sank in ein tiefes, schwarzes Loch. Ich spürte bloß völlige Leere. Einfach nur Leere. Selbst meine unerträglichen Schmerzen ließen langsam nach. Wie schön. Alles um mich herum war dunkel. Ich war also erlöst worden. Zum Glück. Erlöst von diesen Schmerzen und Qualen, mit denen ich mich sonst hätte noch weiter herumschlagen müssen. Und irgendwie war ich froh, dass es vorbei war. Diese Schmerzen! Es hatte sich angefühlt, als hätte ich durch die Hölle gehen müssen. War ich denn jetzt tot? Schon wieder? Oder nur fast tot? In letzter Zeit war ich irgendwie ganz schön oft tot, kann das sein?

Nun, um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, was ich momentan war. Und ich hatte auch keinen Plan, was ich tun sollte. Aber ich entschied mich für abwarten. Oh ja, abwarten war immer gut! Eigentlich das beste, was man tun konnte, wenn man nicht weiter wusste. Aber irgendwie langweilte es mich auch immens. Und da ich eigentlich sehr aufgeweckt und abenteuerlustig war, konnte ich mit Langeweile ja wohl kaum etwas anfangen, nicht wahr? Aber was blieb mir in meiner momentanen Situation anderes übrig? Ich konnte mich nicht bewegen, ich konnte nichts sehen außer dieser Dunkelheit um mich herum. Ich konnte nichts fühlen, außer dieser Leere. Aber es hatte auch was gutes, denn somit hatte ich, wie schon gesagt, keine Schmerzen mehr. Außerdem spürte ich keine Angst, keine Sorgen. Meine Gefühle waren neutral. Ich dachte zwar an die anderen in der Schlacht. An Jack und an Hendric, an Vater und an Ashton. Und ich fragte mich, wie es ihnen ging, wo sie waren. Aber Gefühle waren da nicht in mir. Ich war einfach leer und betäubt.

Doch bevor ich weiter über meine momentane Situation nachdenken konnte, wurde ich wieder aus meinem schwarzen Loch heraus gerissen. Ich nahm nun wieder langsam die Schmerzen wahr, doch die Augen hielt ich immer noch geschlossen. Und da war noch etwas anderes... Ein Rauschen. Ein entferntes, merkwürdiges Rauschen. Es entwickelte sich zu einer Stimme. Eine Stimme in der weiten Ferne. Oder der fernen Weite? Wie auch immer, dieser Ort machte mich wirr im Kopf...

Und mit der Zeit wurden die Schmerzen wieder deutlicher und die Stimme klarer und ich hörte allmählich Buchstabensuppe - oder war es Buchstabensalat? - heraus. Dies wiederum wurde nun zu einem eigentlich recht logisch klingenden Wort. Doch ich verstand dieses Wort nicht. Ich dachte darüber nach, was es wohl bedeuten könnte. Ich kannte dieses Wort, ich wusste es. Aber zuordnen konnte ich es nicht. Na komm schon, forderte ich mich selbst auf, du KENNST dieses Wort. Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Natürlich! Und noch einmal lauschte ich.

"JESSIE!", rief Hendric, den ich jetzt auch endlich an der Stimme erkannte.

Mein bester Freund. Der Mann, der mit mir so viel erlebt hatte, mit dem ich aufgewachsen war, der immer für mich da war. Und es war komisch, denn sofort begann ich, neue Hoffnung zu schöpfen. Hoffnung, dass doch noch nicht alles für mich verloren war und ich für meine Zukunft doch noch nicht schwarz sehen musste! Seine Stimme war ein Licht in der Dunkelheit um mich herum. Und es gab mir obendrein Hoffnung, dass er anscheinend selbst nicht die Hoffnung aufgegeben hatte. Er glaubte an mich. Und das gab mir viel Kraft und Stärke.



Hendric kniete neben Jessie. Ein paar Leute, die auf seiner Seite waren, hielten gerade Davy Jones davon ab, ihm und Jessie zu nahe zu kommen. Sie hatten einen schützenden Kreis um die beiden gebildet. Zuvor hatte Hendric Jones von Jessie weggestoßen und ihr sofort das Schwert aus der Brust gezogen, in der Hoffnung, dass es noch nicht zu spät gewesen war. Hendric hielt Jessies Gesicht nun in seinen Händen. Er hoffte so sehr, dass sie es schaffen würde.

"Du musst es schaffen, Jessie, bitte! Du hast schon so viel überstanden, meine Kleine! Dann kannst du das hier auch schaffen", sagte er immer wieder. "Du kommst durch, du kommst durch!"

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt