116: Die Purple Sky

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Und so kam es also, dass wir wieder seit fünf Tagen unterwegs waren. Wir - damit meinte ich Morgan, Sparrow, Tia Dalma, die Gitarre und mich - hatten noch eine Schar von Piraten als Begleitung dazu bekommen. Der Captain hatte sich als Hector Barbossa vorgestellt und die anderen waren dann logischerweise seine Crew. Und wir wanderten. Eine Truppe von Piraten - darunter eine Hexe oder Göttin und eine Gitarre - auf der Suche nach einem Schiff irgendwo im Totenreich.

Gerade lief ich an der Spitze des Marsches. Sparrow lief die Gitarre tragend dicht hinter mir. Er versuchte mir die ganze Zeit einzureden, ich wäre seine Verlobte. Was ein Stuss! Wie kam er nur darauf? Ich konnte mich nicht daran erinnern, mich jemals verlobt zu haben. Aber auf der anderen Seite konnte mich allerdings an so gut wie gar nichts erinnern. Also war es theoretisch möglich, dass er die Wahrheit sagte. Aber mal praktisch gedacht: hätte ich mich wirklich mit ihm verlobt? Immerhin war er ebenso ein stinkender Rumtrinker, wie Morgan. Hätte ich das geduldet? Aber ich musste zugeben, dass ich es nicht wusste. Ich hatte das meiste aus meinem Leben vor diesem Ort hier vergessen. Und manchmal machte mich das schon ein wenig traurig. Doch momentan ging Sparrow mir mit seinen Erinnerungen an unsere angeblich gemeinsame Zeit ziemlich auf die Nerven. Er laberte er mich gerade voll, von wegen, ich würde ihn lieben, wir hätten zusammen einen Schatz gefunden, ich hätte ihn vor Skeletten gerettet - ich meine, was zur Hölle? Skelette?! -, er hätte mich vor Kannibalen und sonst was gerettet... er hatte sogar gesagt, er wäre der erste Mann bei dem ich mich so richtig wohl gefühlt hatte, mit dem ich sogar das erste Mal geschlafen hatte. Das war doch absurd. Aber ich hörte teilweise schon gar nicht mehr hin.

Da rief Morgan auf einmal von weiter hinten: "Hey, Jess-Jess! Sparrow!"

Ich drehte mich um und sah, dass Sparrow genervt zu Morgan sah. "Was ist?", fragte ich.

"Ich habe mein Schiff gefunden. Kommt zurück!", erklärte Morgan und grinste.

Ich strahlte, packte Sparrow am Arm und zog ihn hinter mir her durch den weißen Sand.

"Muss er dir unbedingt so einen Spitznamen geben?", maulte Sparrow, als wir zurück zu den anderen liefen.

"Habt Ihr ein Problem damit, Sparrow?", fragte ich gereizt zurück, blieb stehen und wirbelte zu ihm herum.

Sparrow blickte mir überrascht in die Augen und überlegte wohl gerade, was er daruf antworten sollte.

"Sehr schön!", sagte ich und lief weiter.

Sparrow murmelte etwas vor sich hin und schwieg dann. Wow! Ich hatte diese Labertasche zum schweigen gebracht. Das musste man mir erstmal nachmachen.

Während wir nun auf Morgans Schiff zu liefen, was wirklich noch einige Meilen weit von uns entfernt lag, begann ich meine Umgebung mit Gesang zu unterhalten.

Und ich sang - wohlbemerkt leicht krächzend und rau, da ich immer noch leicht erkältet war (und die Übelkeit war übrigens auch noch nicht vorbei): "There's a fire starting in my heart reaching a fever pitch and it's bringing me out the dark. Finally I can see you crystal clear, go head and sell me out and I'll lay your shit bare. See how I leave with every piece of you. Don't underestimate the things that I will do."

Sparrow sah mich an. "Das ist es, Liebes", sagte er. "Eines der Dinge, die ich vermisst habe. Dein ständiges Gesinge."

"Mein ständiges Gesinge?", wiederholte ich.

"Aye. Hör jetzt bloß nicht auf damit. Mach weiter. Es hat mir wirklich sehr gefehlt, um ehrlich zu sein."

"Ähm... na gut?", meinte ich. "There's a fire starting in my heart reaching a fever pitch and it's bringing me out the dark. The scars of your love remind me of us, they keep me thinking that we almost had it all. The scars of your love, they leave me breathless, I can't help feeling. We could have had it all. Rolling in the deep. You had my heart inside of your hand. And you played it to the beat."

Sparrow sah mich musternd an und legte mir dann seinen Arm um die Schultern. Ich spürte, wie er mich leicht an sich drückte. Ich riss die Augen auf. Hilfe?! Dann sah ich zu ihm auf und blieb stehen. Sparrow blickte zu mir hinab, da er etwa einen Kopf größer war, als ich.

"Ist was?", fragte er.

Ich schüttelte den Kopf, befreite mich aus seinem Griff und lief ein Meter weiter vor. Ich wusste nicht, ob ich seine Nähe wollte. Am Anfang hatte ich das ganze sehr unangenehm empfunden, aber mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, ob ich es wirklich unangenehm fand. Zum Teil war da etwas in mir, was ihn als 'nervend' bezeichnete. Aber auch als widerwärtig wegen seiner Rumfahne und... seltsam. Zum anderen Teil aber entwickelte ich auch irgendwie Gefühle für ihn. Das spürte ich. Es war, als hätten diese Gefühle in mir geschlafen und waren gerade dabei, aufzuwachen. Gefühle, die sich zu ihm hingezogen fühlten und seine Nähe wollten. Und ich wusste nicht genau, woher diese Gefühle kamen. Es war wirklich sehr merkwürdig. Aber ob ich das alles auch wollte, war eine andere Sache.

"Henry!", rief ich, woraufhin Morgan stehen blieb und auf mich wartete. "Ich will mit dir laufen."

Und unser Fußmarsch näherte sich dem Schiff.

"Wow!", kommentierte ich staunend, als wir dann vor Morgans Schiff standen.

Es war groß. Und es war ein bemerkenswert schönes Schiff. Es hatte dunkelbraunes Holz und dunkle Segel. Hier und da waren Kerzen an den Holzwänden befestigt. Die wurden abends bestimmt immer entzündet. Ich konnte mir gut vorstellen, dass das eine schöne, gemütliche Stimmung erzeugte. Ich mochte es jetzt schon.

"Mein Schiff. Meine Purple Sky", erklärte Morgan stolz und zeigte theatralisch auf sein Schiff.

"Purple Sky?", fragte ich und lächelte. "Hübscher Name."

"Ist ja auch ein hübsches Schiff, nicht wahr?", antwortete er.

Ich nickte und Morgan ergriff eine Strickleiter; er hielt sie mir hin und sagte: "Geh du zuerst, Jess-Jess."

Ich grinste, linste kurz zu Sparrow hinüber - er verdrehte gerade die Augen -, und kletterte dann die Strickleiter hinauf.

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Lied: Adele - Rolling In The Deep

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt