64: Sternenhimmel

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Ich lächelte ihn an. Er erwiderte es mit einem Grinsen. Oh, danke! Er grinste. Er würde mich doch nicht umbringen. Zufrieden sah ich, dass die feindlichen Piraten sich schon fast vollkommen zurückzogen hatten. Aber auch die Crew der Black Pearl war geschafft und so zogen sich auch sie zurück. Jack wünschte Will gerade eine gute Nacht und kam dann auf den Schiffsmast zu, in dessen Krähennest ich mich immer noch befand. Gibbs hatte das Steuer übernommen.

"Mylady, besäßet Ihr die Güte Euch herunter zu gesellen? Ihr könnt mich doch nicht allein im Regen stehen lassen." Sein Grinsen wurde breiter.

"Kommt ihr herauf, Captain!", sagte ich ebenfalls grinsend und tauchte ab.

Ich lag nun in dem runden, hölzernen Ausguck, legte die Arme in den Nacken - Himmel, wie zum Teufel waren meine Haare von dem wenigen Regen so nass geworden? - und legte die Beine übereinander auf den Rand. Sollte er doch kommen. Und das tat er auch. 

Denn nur wenig später tauchte Jacks grinsendes Gesicht über dem Rand des Krähennestes auf. Er stützte seine Arme neben meinen Beinen auf den Rand und stützte sein Kinn darauf. "Du erkältest dich, Jessie."

"Laber keinen Seemannsgarn und komm her", sagte ich.

Jack gehorchte und kletterte zu mir rüber. "Freches Miststück."

"Bitte?! Wie redest du denn mit mir?!", fragte ich entsetzt, als er sich neben mich in den Schneidersitz setzte.

"Ich habe dir ausdrücklich gesagt, du solltest in meiner Kajüte bleiben. Aber nein, du setzt deinen Dickschädel durch! Du hättest sterben können! Ist dir das eigentlich bewusst?"

"Du aber auch!", gab ich zurück. "Außerdem kann ich auch mich aufpassen! Immerhin habe einen-" Ich hielt inne.

"Was hast du?", horchte Jack nach.

"Einen... einen Mann getötet", sagte ich betroffen, versuchte das ganze aber zu überspielen. 

"Gar nicht gut für deine Seele...", meinte Jack kopfschüttelnd.

"Komm schon, es ist nur ein einziger Mann gewesen, der andernfalls vielleicht mich getötet hätte", rechtfertigte ich mich vor Jack, aber insgeheim noch viel mehr vor mir selbst. "Und du selbst spielst doch mit allen Tricks."

"Schätzchen", begann Jack und spielte an meinen nassen Haaren herum. "Ich habe mal wieder eine Schlacht geschlagen, ohne jemandem den Kopf abzuhacken, ohne auch nur eine Kugel abzufeuern... Das hast du nicht. Glaub mir, ich habe ein deutlich besseres Gewissen, als wenn ich jemanden umgebracht hätte. Ich fühle mich gut und frei. Frei von hilflosen, schreienden Seelen, die dir auf dem Gewissen liegen. Ich bin ein vorsichtiger Mann."

Ich dachte über seine Worte nach. Er hatte definitiv Recht mit dem, was er gesagt hatte. Er hatte niemanden getötet. Ich schon. Und um ehrlich zu sein nagte das jetzt schon wirklich sehr an meinem Gewissen... Aber ich versuchte dieses Gefühl einfach zu ignorieren und mich damit zufrieden zu geben, dass ich beim nächsten Mal überlegter handeln sollte.

"Und ein spontaner", ergänzte ich dann. "Sag mal, wo ist eigentlich der Regen hin? Und die Wolken?"

Ich blickte gen Himmel. Er war sternenklar. Die Wolken waren in der Tat verschwunden. Die Sterne strahlten nur so um die Wette. Ich liebte dieses Nachtblau, die angenehme, kühle Luft, die Ruhe, einfach alles war nachts toll.

"Flöten gegangen", antwortete Jack, legte sich neben mich, legte seinen linken Arm um meine Schultern, den rechten Arm in den Nacken und seine Beine übereinander neben meine auf den Rand des Krähennestes.

"Jackie?", fragte ich. "Lass uns heute Nacht hier oben schlafen, ja?"

"Ist das dein Ernst?"

"Wieso nicht?"

Jack streichelte über meinen Oberarm. "Es wird kalt und wir haben keine Decke."

"Wir können unsere Kleidung als Decke nehmen", schlug ich vor und kicherte.

"Sehr witzig."

"Nein, im Ernst. Ich will hier schlafen", sagte ich.

"Na schön", gab Jack nach.

Ich betrachtete ihn. Er war wirklich ein verdammt schöner Mensch - vor allem jetzt im Mondlicht, das die Konturen seines Gesichts nur noch besser hervor hob. Besonders schön waren nun auch seine Augen und eigentlich einfach alles an ihm, um ehrlich zu sein. Doch dann sah ich Blutflecken auf seinem Hemd. Ich zog die Augenbrauen zusammen, griff nach dem Ausschnitt seines Hemdes und zog ihn etwas herunter. Ein Schnitt kam unter seiner rechten Brust zum Vorschein.

"Jack", keuchte ich, "das sieht nicht gut aus."

"Halb so wild, Liebes", versuchte er mich zu beruhigen.

"Sicher?", fragte ich und strich ganz vorsichtig darüber. Das Blut war schon getrocknet. Also konnte es tatsächlich nicht allzu schlimm sein.

"Ja, ganz sicher. Es wird morgen schon wieder besser sein", erklärte er und musterte mich zuversichtlich. "Willst du nicht irgendwas singen?"

"Na gut", sagte ich, blickte in den Sternenhimmel und begann leise: "You'll remember me when the west wind moves upon the sea of blue. You'll forget the sun in his jealous sky as we sail in seas of blue. In his arms she fell as her hair came down among the seas of blue."

Ich lehnte mich wieder zurück. Jack begann, mir sanft mit der Hand über den Bauch zu streicheln. Oh Mann, dieses Kribbeln in meinem Bauch machte mich verrückt. Ich war immer noch so aufgeregt, wenn er mich berührte. Und ich war immer noch so verliebt. Wie an dem Tag, als ich ihn kennengelernt hatte. Es war fast seltsam. Denn bisher war ich noch nie so lange so verliebt gewesen. Wie hatte Jack das bloß angestellt?

"Will you stay with me, will you be my love among the seas of blue?", sang ich weiter. "See the west wind move like a lover so upon the seas of blue. Feel her body rise when you kiss her mouth among the seas of blue."

Jack streichelte mir nun leicht über die Wange und beugte sich etwas über mich. Er sah mir in meine blauen Augen. Dann kam er mir näher und beugte sich vollständig über mich. Ich starrte fasziniert in seine braunen Augen. Dann hob ich meine Hand und strich damit über seine Wange. Er kam mir noch näher und unsere Nasen berührten sich langsam. Wir schlossen die Augen. Dann zog ich ihn noch ein Stückchen zu mir herunter und küsste ihn dann. Er erwiderte meinen Kuss. Und während des Kusses spürte ich Jacks Hand in meinen Haaren an meinem Hinterkopf. Seine Fingerkuppen kraulten direkt über meine Kopfhaut und das löste eine angenehme Gänsehaut an meinem Kopf und schließlich auch auf meinem gesamten Körper aus. Und die Kühle der Nacht perfektionierte das Ganze noch vollkommen.

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Lied: Sting - Fields Of Gold

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt