89: Wieder an Bord

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Also schwamm ich nun aus dem Hafen und auf das Meer zu, so schnell wie ich konnte. Wie hatte es passieren können, dass sie ohne mich los gesegelt waren? Hatte Jack nicht bemerkt, dass ich fehlte? Doch einen guten Nebeneffekt hatte das ganze hier: das recht kühle Meerwasser tat meinem frischen Brandmal sehr gut.

"Hey!", brüllte ich erneut, so laut ich konnte, und spürte, wie ich langsam heiser wurde. "Wartet! WARTET! Hey!"

Doch ich hatte keine Chance. Die Pink Pearl war schon auf voller Geschwindigkeit und hatte Vorsprung. Ich hatte keine Wahl. Ich musste wohl oder übel hier bleiben und sehen, wie ich zurecht kommen würde. So ein verfluchter Mist! Jetzt hatte ich mal wieder den Salat. Und obendrein war ich auch schon wieder von Jack getrennt. Immer passierte mir so ein blöder Mist! Das war doch unglaublich.

"JACK!", brüllte ich und meine Stimme gab langsam auf. "Jack." Nun war sie nur noch ein raues Flüstern. "Jack..."

Ich hörte auf mit den Schwimmbewegungen. Ich holte die Pearl sowie so nicht mehr ein. Ich musste mir nichts vormachen. Also, was hatte ich jetzt noch zu verlieren? Ich seufzte und langsam kullerten mir die salzigen Tränen die Wangen herunter. Wie gern wäre ich jetzt auf der Pink Pearl... Ich wischte meine Tränen weg. Es war Zeit, der Realität ins Auge zu blicken. Also wendete ich und schwamm zurück zum Hafen. 

Dort angekommen, stützte ich meine Hände auf den Steg und stemmte meinen Körper aus dem Wasser. Auf dem Steg angekommen ließ ich mich erst einmal hintenüber kippen, sodass ich nun auf dem Steg in der Sonne lag und gen Himmel starrte. So ein verfluchter Mist! Ich konnte mich nur wiederholen. Was sollte ich jetzt tun? Zu Sao Feng gehen? Beckett aufsuchen? Das klang beides nicht sehr erstrebenswert. Vielleicht sollte ich einfach ein Schiff kapern und der Pink Pearl hinterher segeln. Doch allein würde ich wohl kaum ein ganzes Schiff kapern können...

Doch ich konnte nicht länger weiter überlegen, denn zum zweiten Mal an diesem Tage legte sich eine Klinge an meine Kehle. Langsam richtete ich mich auf, sodass ich nun saß und konnte einen Mann erkennen. Er stand vor mir und hielt mir sein Schwert wie schon gesagt genau an die Kehle. Ich schluckte und mein Hals berührte kurz die kühle Klinge. Ich sah den Mann eindringlich an.

"Aufstehen", befahl er.

Ich gehorchte, hob die Arme unschuldig an und erhob mich. Erst sahen wir uns gegenseitig feindselig in die Augen; dann musste ich handeln. Und zwar schnell! Also trat ich blitzschnell mit meinem Fuß das Schwert aus der Hand des Mannes. Es wirbelte durch die Luft und drehte sich. Ich fing es in Sekundenschnelle auf. Und ehe der Mann irgendwie auch nur ansatzwiese handeln oder gar registrieren konnte, was gerade geschehen war, da er mit so etwas absolut nicht gerechnet hatte, verwundete ich ihn mit seinem eigenen Schwert an der Brust. Der Mann glitt stöhnend vor Schmerz zu Boden. Ich zog das Schwert aus seiner Wunde, trat ihm einmal gegen die Schläfe, sodass er zunächst ausgeknockt war und wischte den Rest seines Blut am Schwert an meinem Hemd ab. Ich grinste zufrieden. Aye, so lieb ich auch war, manchmal konnte ich auch tatsächlich ein kleines bisschen böse sein - wenn ich wollte. Und ich war stolz, dass ich ihn nicht getötet hatte. Denn ich hatte Jacks Worte nicht vergessen; und den Mann, den ich vor ein paar Wochen getötet hatte, auch nicht. Ich steckte das Schwert zu dem anderen in die Scheide, entleerte meine Stiefel von sämtlichen Wasser und ging den Steg entlang. Wo sollte ich hin? Ich hatte ehrlich keine Ahnung. Ich war noch nicht oft in Singapur gewesen - genauer gesagt... mit diesem Mal zwei Mal? Wann würde Jack wohl merken, dass ich nicht da war?

Ich seufzte und spielte nachdenklich an den Ketten um meinen Hals herum. Moment mal! An den Ketten? Natürlich bemerkte ich nun Sao Fengs Amulett und holte es hervor. Das brauchte Barbossa doch! Und ohne mich hatte er es nicht. Sie mussten also zurück kommen. Sie MUSSTEN einfach! Sie brauchten mich schließlich. Und unter anderem auch, weil Jack mich garantiert vermissen würde; irgendwo war er ja auch ein kleines bisschen sentimental.

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt