88: Eine alte Liebe

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"Überrascht?", fragte ich und ein Grinsen huschte über meine Lippen, obwohl ich ernsthafte Schmerzen hatte; aber meine 'Schadenfreude' - um es so auszudrücken - war einfach viel zu groß.

"Was hast du hier verloren?", fragte Beckett.

"Barbossa hat mich entführt", gab ich eiskalt zurück.

"Ich habe dir gesagt, dass das Piratenleben zu gefährlich ist. Du wolltest nicht auf mich hören. Du wolltest nicht bei mir bleiben und ein normaler Mensch werden", begann er sofort mit Vorwürfe zu machen.

"Schon vergessen?! Ich wurde mitten auf dem Meer geboren! Das Meer ist mein zu Hause und die Piraten meine Familie!", fauchte ich. "Außerdem habe ich dich damals angefleht, dass du mit mir kommen solltest und DU hast MICH verachtet!"

"Es war schon immer das Meer, Leandra. Immer nur das Meer. Du liebst es. Auch mehr als mich", stellte Beckett wahrheitsgetreu, und ohne auf meine letzte Anmerkung einzugehen, fest.

"Ich liebe alles und jeden mehr als dich, Cutler!", zischte ich und mein Blick verfinsterte sich. "Sogar Davy Jones' verfluchten Kraken!"

Beckett beugte sich zu mir herunter. "Hätte ich gewusst, dass du es bist, Leandra, hätte ich dir das Piratenmal niemals vermacht. Es tut mir Leid", sagte Beckett.

"Das ändert nichts daran, dass es geschehen ist, Cutler."

Beckett nahm mein Gesicht in seine Hände. Ich starrte ihn verunsichert an. Er sah mir fest in die Augen. Dann drückte er seine Lippen auf meine. Moment mal! Küsste mich Cutler Beckett gerade? Ja, allerdings! Ich versuchte, mich loszureißen, mich gegen ihn zu wehren, doch es funktionierte nicht. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten, bis er von meinen Lippen abließ. Langsam löste er sich dann auch von mir.

"Das habe ich vermisst."

Ich schenkte ihm einen vernichtenden Blick. "Ich nicht. Dir ist klar, dass du gerade eine ach-so-schlimme Piratin geküsst hast."

"Ich weiß. Leandra, ich..."

"Nein! Ich will dir nicht zuhören. Du hast mich damals verlassen! Naja, jedenfalls hast du dich nicht dafür entschieden mit mir zu kommen, wie auch immer: es läuft auf's Gleiche hinaus. Und jetzt entschuldige mich bitte. Mein Verlobter wartet." Das Wort 'Verlobter' betonte ich leicht und Beckett starrte mich erschrocken an.

"Dein Verlobter? Du bist verlobt?", fragte er ungläubig.

"Du kennst ihn. Captain Jack Sparrow." Jacks Namen sprach ich laut und deutlich aus, um ihn noch etwas mehr zu erniedrigen.

"Nein!", stieß Beckett hervor.

"Doch", bestätigte ich. "Würdest du mich jezt bitte gehen lassen?"

"Jack Sparrow ist dein Verlobter?!"

"Ja. Und es heißt CAPTAIN Jack Sparrow. Hast du ein Problem damit? Dann sag es jetzt!"

"Leandra... ich... habe nie aufgehört dich zu lieben." Hab ich's mir doch gedacht. "Ich war bloß schockiert und wütend und enttäuscht. Schließlich hast du mich angelogen! Und Sparrow ist in der Tat kein guter Umgang für dich."

"Ich will nichts mehr davon hören, klar?!", sagte ich entschieden. "Ich entscheide selbst, was gut für mich ist, und was nicht. Und jetzt lass mich endlich los!"

Doch Beckett drückte mir erneut einen Kuss auf den Mund. Ich wehrte mich wieder, doch es machte weder Sinn noch irgendwas, also musste ich schließlich wieder aufgeben und es wie gerade über mich ergehen lassen.

Als er sich dann von meinen Lippen löste schlug ich ihm fest auf die Wange und funkelte ihn böse an.

"Du bist so ein Idiot! Und es ist gut so, wie es jetzt ist! Ich habe jemanden, der mich wirklich liebt und mich nicht aufgrund meiner Herkunft verlässt! Und was das Brandmal angeht... Danke! Ich bin stolz drauf!", sagte ich und zog den linken Ärmel meines Hemdes hoch. "Guck dir das an!" Ich zeigte Beckett mein Tattoo. "Guck es dir an! Das beweist wohl alles, oder?"

"Du liebst ihn", stellte er trocken fest.

"Klar. Wieso sollte ich sonst seine Verlobte sein?" Ich ließ den Ärmel wieder herunter gleiten. "Es ist vorbei. Ein für alle mal. Siehst du diesen Ring? Und diese Kette? Die sind beide von ihm. Reicht dir das?"

"Und wo hast du den Ring von mir?"

Ich seufzte, was mich etwas beruhigte, weil mir diese Frage ein wenig unangenehm war. "Auf dem Meeresgrund. Aber nicht absichtlich. Ich hatte ihn in meinem Schrank eingeschlossen, weil ich ihn nicht mehr sehen konnte. Ich habe ihn aber trotzdem nicht weggeschmissen, weil er mich auch an die schönen Zeiten mit dir erinnert hat. Dann ist aber unser Schiff untergegangen. Das heißt, der Ring befindet sich auf dem Meeresgrund. Bei allem Hass dir gegenüber, aber es tut mir ganz ehrlich und aufrichtig Leid, Cutler."

"Schon gut, Leandra. Du kannst ja nichts dafür", sagte Beckett und ich erkannte einen Schimmer von Trauer in seinen Augen. "Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich dich immer noch liebe."

"Das weiß ich. Aber jetzt ist es vorbei. Entschuldige mich, aber ich muss zurück", sagte ich und stand auf.

Beckett erhob sich ebenfalls. Er sah mich sehr lange an. "Du bist immer noch so hübsch, Leandra. Und so stark. Dein Leben ist zu wertvoll, um es an die Piraterie zu vergeuden. Aber es ist deine Entscheidung. Du musst wissen, wofür und für wen dein Herz schlägt. Und das weißt du offenbar." Beckett sah in meine Augen.

"Ja, das weiß ich."

"Darf ich dir noch einmal ein Kompliment machen?" Er kam mir näher.

"Wenn du es nicht lassen kannst", antwortete ich kühl.

"Du hast wunderschöne Augen", sagte Beckett und lächelte mich an.

Offenbar erhoffte er sich damit Erbarmen oder eine weitere Chance. Falsch, mein Lieber.

"War das alles?", fragte ich ebenso kühl, wie vorher.

Dann riss ich mich von ihm los und stolzierte aus dem Haus. Ich klatschte die Tür hinter mir zu, sodass es laut knallte. Kurz darauf blieb ich stehen, schloss die Augen und atmete tief durch. Doch es ging nicht. Das Tuch verhinderte es. Miststück! Ich zückte mein Schwert, hob das Hemd an und zerschnitt das Tuch. Es fiel zu Boden. Endlich! Jetzt atmete ich wirklich tief durch.

Die salzige Meeresluft füllte meine Lunge. Dann atmete ich aus und öffnete die Augen. Das war ja merkwürdig. Da hatte ich in Singapur doch tatsächlich Cutler Beckett getroffen. Und all das war in Zufälle verwickelt, angefangen mit unserem Schiff, einfach weil es gesunken war... Aber wirklich! Das alles hier hätte ich nicht erlebt, wenn unser Schiff nicht gesunken wäre. Und ehrlich gesagt bedauerte ich es nicht. Denn es war besser so. So wie es jetzt war, war es gut!

Dann marschierte ich zurück zum Hafen. Dort lagen überall verletzte und erschöpfte Leute, die die Pink Pearl angegriffen hatten. Doch wo war die Pink Pearl? Da! Richtung Horizont. Sie war bereits ohne mich losgefahren.

"Hey!", brüllte ich. "Wartet!" Ich machte einen eleganten Kopfsprung ins Wasser und schwamm so schnell ich konnte auf die Pink Pearl zu. "WARTET!"

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Where stories live. Discover now