Es verstrichen mehrere Momente, in denen wir uns einfach nur ansahen. Und noch einmal verlor ich mich in den wunderschönen Tiefen seiner dunkelbraunen, nahezu schwarzen Augen, wie immer. Ob er wohl auch so empfand, wenn er mich ansah? Er machte mir ja des öfteren Komplimente über meine Augen, von wegen sie wären so wuderschön wie das Meer, aber ob er es ernst meinte oder es nur einfach so sagte, war mir nicht ganz klar. Jedenfalls momentan nicht, da ich immer noch nicht ganz klar im Kopf war. Und ich war in seinen Augen gefangen. Denn immer, wenn er mir so direkt und tief in die Augen sah, vergaß ich alles andere um mich herum. Das war einfach immer wieder überwältigend.
Dann beugte Jack sich über mich. Er kam mir immer näher. Mein Herz begann sofort schneller zu schlagen. Ich hob ganz vorsichtig meine Hände und strich an seinem Hals nach hinten, bis ich seinen Nacken erreichte. Seine Haut war dort schön warm und weich. Ich zog ihn ganz langsam und mit viel Kraftaufwand - schließlich ging es mir im Moment nicht sonderlich gut - etwas weiter zu mir herunter.
"Wie geht es dir?", fragte er sofort.
"Bestens", log ich wispernd.
"Wunderbar", sagte Jack.
Dann kam er mir noch ein Stück näher und küsste mich sanft. Ich erwiderte seinen Kuss und meine Finger krampften sich in seinen Dreadlocks fest. Es fühlte sich wunderschön und unglaublich toll an! Ich hatte zwar wirklich Schmerzen im Moment, aber trotzdem ging es mir den Umständen entsprechend ein bisschen gut.
Langsam lösten wir uns dann wieder voneinander. Ich starrte zu ihm auf und er auf mich herab.
"Jessie", brach er dann das Schweigen.
"Jack", erwiderte ich.
"Hast du Lust zu heiraten?", fragte er. "Jetzt?"
OH MEIN GOTT! Hatte er das jetzt gerade wirklich gefragt? Mein Herz spielte verrückt! Aber in so einer unromantischen Situation? Egal!
"Na unbedingt!", antwortete ich strahlend und wurde augenblicklich von Adrenalin und einem großen Glücksgefühl, einer Euphorie durchströmt, die es mir tatsächlich möglich machten, meine Schmerzen einigermaßen in den Hintergrund zu drängen.
"Großartig!", kommentierte er. "Dann komm!" Er stand auf, ergriff meine Hand und zog mich hoch. "Das heißt, wenn du kannst?" Er beäugte mich.
Konnte ich denn? Immerhin hatte er mir bereits hoch geholfen. Und ob das so eine weise Entscheidung war, sollte sich jetzt zeigen. Mir wurde sofort übel und ein wenig schwindelig.
"Was denn? Jetzt?!", fragte ich verwirrt und versuchte, wackelig stehen zu bleiben.
"Vielleicht wird jetzt der einzige Augenblick sein, Liebes", antwortete Jack und drückte mir mein Schwert in die Hand.
"Du bist verrückt! Ich war vorhin fast tot!", rief ich, fand seine Aussage aber doch ganz überzeugend, vergaß meine Schmerzen, die Übelkeit und den Schwindel - jedenfalls versuchte ich es - und verstärkte den Griff um mein Schwert. "Aber ich wollte doch im weißen Kleid heiraten!", meckerte ich dann.
"Vergiss dein weißes Kleid, Liebes, du gefällst mir auch in Hose und blutigem Hemd", argumentierte er. "Sowas nennt sich dann PIRATIN." Er zwinkerte.
"Apropos Hose!", fiel mir ein und ich sah an mir herab.
Heilige Scheiße! Sofort griff ich nach meiner auf dem Boden liegenden Kleidung und zog sie an. Die Blutlache auf dem Deck und den relativ tiefen, schon mit getrocknetem Blut überzogenen Einschnitt in meiner linke Brust versuchte ich zu ignorieren, doch natürlich ließ es mich nicht ganz kalt. Was mit mir passiert war, fragte ich Jack wohl am besten NACH der Schlacht. Ich vermutete nämlich stark, dass es mich jetzt die letzten Nerven kosten würde. Und die benötigte ich nun zum Überleben; ich hatte also keine andere Wahl. Wenn ich hier wirklich LEBEND wieder rauskommen wollte, MUSSTE ich noch einmal mitkämpfen, egal wie mies ich mich gerade fühlte. Ich wünschte mir gerade nichts anderes, als dass alles schon vorbei sein würde und ich mich in Ruhe von allem, was passiert war, erholen könnte. Denn ich wusste, dass ich das wirklich dringend nötig hatte.
"Jessie!", rief Hendric, der, wie ich gerade erneut feststellte, hinter Jack stand.
"Hendric!", rief ich.
"Du siehst schrecklich aus", sagte er.
"Danke", gab ich zurück.
Er umarmte mich. "Bitte jag mir nie wieder so einen Schrecken ein!"
Ich drückte ihn ebenfalls fest an mich, bevor ich mich dann von ihm löste. "Ich geb mir Mühe", sagte ich mit einem schiefen Grinsen. "Aber vielleicht sollten wir uns auf etwas anderes konzentrieren!", meinte ich und lief schon - recht wankend wohlbemerkt - auf das nächstbeste Navy-Kerlchen zu.
"Pass jetzt bitte auf dich auf, Kleines!", rief Hendric mir hinterher und begab sich ebenfalls wieder in einen Kampf, allerdings nicht ohne mich im Auge zu behalten - ebenso wie Jack, der zwar mit einem Fischkopf kämpfte, aber dennoch auf mich achtete.
Ich hatte jetzt irgendwie schon ein wenig Angst. Immerhin war ich ziemlich geschwächt und musste kämpfen. Ich hatte wirklich Angst zu sterben. Ich wollte weinen. Aber ich musste jetzt durchhalten. Und so kämpften wir uns über das Schiff. Und ich hielt es für ein Wunder, dass ich trotz dieser Schmerzen, der Übelkeit und des Schwindels noch so weit kämpfen konnte, dass mich keiner erstach. Ich rechnete wirklich jeden Moment damit erstochen zu werden, da meine momentanen Kampfkünste einfach erbärmlich waren - kein Wunder. Doch zum Glück hatte ich Jack und Hendric unmittelbar in meiner Nähe.
Hier und da brachen auch noch Kanonenkugeln in den Rumpf des Schiffes. Und nach wie vor prasselte der Regen auf uns herab. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich aussah. Es müsste unheimlich gruselig sein. Und dann, als ich einen Moment nicht aufpasste, da ich zu Jack hinübergeschielt hatte, schlug mir der Kerl von der Navy mein Schwert aus der Hand.
"Scheiße", murmelte ich, da er mir nun sein Schwert an die Kehle hielt - mir wurde noch übler.
"Ihr seid Jessie Leandra Bones. Ihr seid die, die wir suchen", sagte er.
"Wie bitte?!", fragte ich und starrte den Kerl fassungslos an, während meine Sicht von schwarzen Punkten gestört wurde - nein, ich wollte nicht schon wieder das Bewusstsein verlieren!
Doch noch bevor er antworteten konnte, kam eine Kanonenkugel angeschossen und traf direkt auf den Kerl. Dieser wurde an die Reling geschleudert, Blut spritzte und er war sofort tot.
"Urrrgh", würgte ich hervor, verzerrte das Gesicht, sah lieber woanders hin und hob mein Schwert auf.
"Jessie! Geht's dir gut?", fragte Jack, der plötzlich vor mir stand und meinen Arm umgriff.
"Jack! Oh mein Gott!", rief ich plötzlich aus.
Sein Anblick sorgte dafür, dass sich in mir erneut ein großes Glücksgefühl ausbreitete. Und es war Stärke als mein Schwindel.
"Ist wirklich alles klar?", erkundigte er sich erneut.
"Ja! JA!", rief ich euphorisch. "Jack! HEIRATE MICH!" Ich packte fest seine Hand, hielt nach meinem Vater, oder auch Barbossa Ausschau, da die beiden Captain eines Schiffes waren und somit die Verfügung hatten, zwei Leute miteinander zu verheiraten, und zerrte ihn hinter mir her - Jack zählte nicht, da er im Moment nicht im Besitz eines Schiffes war. Außerdem war er schon mehr als genug beschäftigt damit, mich zu heiraten und gleichzeitig zu kämpfen.
"Jessie...", murmelte Jack bloß und ließ sich von mir ziehen.
Dann entdeckte ich Barbossa. Er war auf dem Schiff, welches fast neben dem, auf welchem wir uns befanden, war. Ich zog Jack mit mir auf die Reling zu und kletterte wankend darauf. Jack folgte mir und griff nach einem Tau. Ich legte meine Arme um seine Schultern und klammerte mich an ihn. Jack hielt sich am Tau fest.
"Halt dich gut fest, Schätzchen!", sagte er zu mir.
Dann schwang er auch schon los. Herüber auf das andere Schiff. Ich hing an ihm und klammerte mich noch fester um seine Schultern. Vom Gefühl her war es fast wie damals bei unserer Flucht vor den Kannibalen und den Leuten von der Festung, obwohl sich jetzt einfach alles verändert hatte; allen voran ich. Aber es weckte verdammt schöne Erinnerungen in mir. Aus der Zeit, in der wir uns kennengelernt hatten. Ich wusste noch genau, wie ich mich in ihn verliebt hatte. Ich musste lächeln. Es war einfach wunderschön gewesen.
Und schon wenige Sekunden später waren wir auf dem anderen Schiff angekommen.
"Bar-", begann ich, aber wurde unterbrochen, da ich eben einen Fischkopf aus dem Weg schaffen musste. "Barbossa!", rief ich dann.
Jack starrte mich an und hob eine Augenbraue.
Barbossa stand in der Nähe des Steuerrads und kämpfte gerade mit ein paar Leutchen. "Miss Bones, ich bedauere es sehr, aber ich bin gerade leider etwas beschäftigt!", rief er und trat einem Kerl von der Navy ins Gesicht, der daraufhin umkippte.
"Wir auch, aber... das ist egal. Ich möchte, dass Ihr uns traut!", erklärte ich.
"Was?!" fragte Barbossa, hielt kurz inne und sah von mir zu Jack und wieder zurück. "Jetzt?" Er erstach eine Fischfresse.
"Aye", antwortete Jack, der nun offenbar verstanden hatte, warum ich Barbossa aufgesucht hatte. "Jetzt ist die beste Chance dazu. Wer weiß, ob wir beide lebend hier rauskommen."
"Jack!", maulte ich. "Sag nicht sowas!"
"Wie ihr meint", sagte Barbossa leicht genervt. "Also dann... Liebe Gemeinde," - Gemeinde? Hab ich was verpasst? - "...wir haben uns heute hier eingefunden, um Jessie Leandra Bones und Jack Sparrow zu trauen."
Während Barbossa redete, erledigte er hier und da ein paar Leute, die ihn gerade umbringen wollten. Auch Jack, der nicht mal Zeit hatte, sich darüber zu beschweren, dass Barbossa das 'Captain' vergessen hatte, und ich legten uns mit den Feinden an. Es war alles so anstrengend, dass die schwarzen Punkte nun auch wieder in mein Blickfeld traten. Uns an den Händen festhaltend kämpften wir jeweils gegen Fischköpfe und Navy-Kerlchen, wobei ich mich selbst wunderte, wie gut ich mit meinen Schmerzen noch zurecht kam. Ich fuchtelte nämlich bloß wild und unkontrolliert mit meinem Schwert umher, was allerdings auch dafür sorgte, dass sich manche Feinde gar nicht mehr in die Nähe der kleinen Durchgeknallten mit den langen, braunen Haaren und dem blutigen Hemd trauten. Na, umso besser!
"Worauf wartest du, Jack?", rief Barbossa. "Du bist dran!"
"Jessie Bones, willst du mich - und ich habe NIE geglaubt, dass sie Worte einmal aus MEINEM Mund kommen werden und bedauere, dass es doch so weit gekommen ist - zu deinem... ach, du weißt schon", sagte Jack ein wenig genervt und schlug einem Mann der Navy das Schwert aus der Hand.
"Ja!", rief ich zurück.
"Verflucht!", kommentierte Jack, aber es war offensichtlich, dass er es eigentlich wunderbar fand.
"Jack Sparrow-", begann ich.
"Wie bitte?!", rief Jack empört, zog mich dicht an sich und sah mich streng an.
"Verzeihung...", nuschelte ich und verdrehte die Augen. "CAPTAIN Jack Sparrow, zufrieden?"
"Vollkommen!", antwortete Jack grinsend.
Ich drehte mich wieder von ihm weg, schlug den nächsten Fischkopf beiseite und fuhr fort: "Willst du mich zu deiner Frau nehmen in guten wie in schlechten Tagen?"
"Bedauerlicherweise ja!", gab Jack zu und schlug sein Schwert gegen das eines anderen.
Ich für meinen Teil erstach gerade einen Mann der Navy. Großartige Hochzeit, wirklich! Es war immerhin schön piratig! Natürlich, ich hatte mir schon eine große Familienfeier gewünscht. Ich hatte mir immer vorgestellt im weißen Kleid zu heiraten. Mit allen Menschen, die mir wichtig waren. Doch das hätte auch irgendwie nicht zu Jack gepasst. Und es ging ja nicht nur darum, dass ich glücklich war. Es war genau so wichtig, dass er glücklich war. Und eine große Feier wäre ihm sicher unangenehm gewesen. Es war schon alles gut so wie es war. Denn das wichtigste war ja sowie so, dass wir zusammen waren. Ich lächelte.
"Als Captain erkläre ich euch hiermit nun zu-", sagte Barbossa und stieß einen Fischkopf von sich weg, "...ach, ihr wisst Bescheid, wie das Ganze läuft! Und jetzt küss sie einfach, Jack!" Barbossa drehte sich einmal und schlug mit einem Schlag drei Fischköpfe von sich.
Ich schob gerade einen Fischkopf mit dem Schwert von mir weg. Dann trat ich ihm in den Bauch und er flog gegen die Reling. Ich drehte mich zu Jack um. Er hatte sich ebenfalls gerade von irgendjemandem losgerissen und drehte sich nun zu mir. Ich strahlte überglücklich.
"Ich verfluche diesen Tag", sagte Jack. "Und weißt du auch warum, Schätzchen?"
Ich legte fragend den Kopf schief.
"Weil ich dich verdammt nochmal und leider Gottes liebe, Jessie", sagte er, sah mir fest in die Augen und klang dabei vollkommen ernst - und ich konnte kaum glauben, dass er diese Worte gerade tatsächlich gesagt hatte und vermutete sofort, dass er mindestens drei Flaschen Rum intus hatte.
Doch das hatte er nicht. Er hattes es gesagt. Er hatte es wirklich gesagt. Zum ersten mal hatte er mir wortwörtlich gesagt, dass er mich liebte. Die Euphorie in mir wuchs nur noch mehr.
"Wow", hauchte ich. "Ich liebe dich auch!", rief ich, warf mein Schwert über die Schulter nach hinten, legte dann meine Hände unterhalb seiner Wangen ab, zog ihn zu mir und küsste ihn.
Jack erwiderte meinen Kuss sofort. Ich spürte wie er sein Schwert in meine Schwertscheide schob - im wortwörtlichen Sinne natürlich -, um dann seine Arme um meine Taille zu legen und mich noch näher zu sich zu ziehen. Und wir küssten uns. Mitten in der Schlacht. Mitten im stürmischen Regen. Es war wirklich wunderschön. Eine weitere Welle von Euphorie überkam mich. Ich könnte in diesem Moment die ganze Welt umarmen, mit einem pinken Einhorn mit Flügeln singend und tanzend auf einem Regenbogen herumhüpfen, Davy Jones ein Kompliment zu seinen widerlichen Tentakeln machen, oder auch einfach nur genießen! Dies war - abgesehen von meinen blöden Schmerzen - der schönste Moment meines Lebens, wirklich! Ich fühlte mich so wunderbar! So toll. Ich war unendlich glücklich.
Langsam lösten wir uns dann voneinander. Ich sah in Jacks wunderschöne, dunkle Augen.
"Das klingt jetzt super kitschig und ich entschuldige mich jetzt schon dafür, aber ich liebe dich einfach so sehr, Jackie", wisperte ich strahlend. "Und ich bin unendlich glücklich."
"Ich weiß, Liebes", antwortete Jack, verdrehte wegen der kitschigen Romantik kurz die Augen und grinste dann aber.
"Ich bin überglücklich und total euphorisch! Bei Davy Jones' Kraken, ich könnte Davy Jones' Kraken umarmen! So glücklich bin ich!", rief ich überwältigt.
Jack grinste bloß siegessicher und schüttelte amüsiert den Kopf.