Nachdem die Sonne untergegangen war und die Sterne und der Mond am dunkelblauen Nachthimmel funkelten - ich liebte die Nacht - ergriff ich Jacks Hand und fragte: "Sollen wir schlafen gehen?" Dabei lächelte ich ihn an.
Jack stimmte zu, murmelte ein 'Bis dann' in Richtung Gibbs und Angelica und ging mit mir davon; kurz darauf erreichten wir den Schlafraum.
"Eine Frage habe ich noch, Jack."
"Aye?", fragte er.
"Wieso gehen wir zum schlafen nicht endlich in deine Kapitänskajüte?" Ich begann frech zu grinsen. "Oder hast du etwa doch keine?"
Jack verdrehte die Augen, hielt aber dennoch inne, als er gerade den Schlafraum betreten wollte. "Natürlich habe ich eine."
"Warum schlafen wir dann immer noch hier bei der Crew?"
"Kannst du eigentlich nur blöde Fragen stellen?" Jack seufzte.
Ich zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn verwirrt an. "Wie bitte? Wie findest du denn die Idee, mal mit mir allein zu sein, huh?"
Jack biss sich kaum merklich auf die Unterlippe. "Nun, Liebes, um ehrlich zu sein, habe ich die Befürchtung, dass eine weiteren Meuterei, in der ich meine geliebte Pearl verliere, entstehen könnte. So habe ich diese Landratten im Blick. Verstehst du das?"
Ich schüttelte sachte grinsend den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. "Oh, Jackie, komm schon. Das ist doch mit Sicherheit Ewigkeiten her. Außerdem solltest du deiner Crew wirklich mal vertrauen. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sie meutern würden."
Jack hob die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern. "Naja..."
"Dann könnten wir in deiner Kajüte zu schlafen", schlug ich vor.
Daraufhin grinste Jack. "Willst du mit mir allein sein?"
Ich spürte, dass mein Gesicht heiß und rot wurde und meine Mundwinkel zuckten in die Höhe. "Also... würde es dir was ausmachen?", fragte ich mit heller Stimme und setzte einen Hundeblick auf.
"Du hast irgendwie Recht", gab er zu und musterte mich.
"Ich habe immer Recht", konterte ich.
"Halt die Klappe", sagte Jack amüsiert.
Wir stiegen wieder an Deck und eine weitere hölzerne Treppe empor. Dort öffnete er eine Flügeltür und geleitete mich hinein.
Ich sah mich um. Eine große gläserne Fensterfront war an der gegenüberliegenden Wand. Daneben stand ein Bücherregal, vor welchem sich ein riesiger Schreibtisch mit unzähligen Seekarten, Pergamentblättern, Federn, Tintenfässern und natürlich - wie es sich für einen anständigen Seemann gehörte - einem Winkelmesser befand. Dann stand in einer Ecke noch ein Schrank. Zwischen dem Schrank und dem großen Fenster befand sich eine große, sehr gemütlich aussehende Koje. Jacks vier Wände gefielen mir. Das Mondlicht, welches von draußen durch das große Fenster herein schien machte alles noch viel gemütlicher. Meine Augen leuchteten.
"Gefällt es dir, Liebes?"
"Und wie!", meinte ich und drehte mich zu ihm um.
Für einen Moment sahen wir uns nur an; dann fiel ich ihm in die Arme und küsste ihn leidenschaftlich. Er erwiderte meinen Kuss. Wir stolperten durch den Raum auf die Koje zu und fielen geradewegs hinein - er landete auf mir. Wir unterbrachen unseren Kuss. Jacks Hände wanderten zu meinem Dekolleté und er öffnete den Knopf, welchen ich angenäht hatte. Ich drückte Jack nach oben und setzte mich ebenfalls auf. Dann zog ich ihm sein Hemd über den Kopf und betrachtete ihn. Er sah wirklich verdammt gut aus. Auch er musterte mich.
"Du bist schön, Jessie, Liebes." Er zwinkerte mir zu.
Ich lächelte und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Jack grinste.
Ich zog ihn an den Schultern wieder mit mir herunter und neben mich. Jack zog die leicht kratzige Wolldecke über uns. Ich tastete mit meiner Hand nach ihm und fand seinen warmen Körper vor. Ich ertastete seine zwar nicht ganz ausgeprägte, aber deutlich vorhandene Bauchmuskulatur und meine Hand wanderte immer weiter höher voran auf seine Brust. Ich mochte es, ihn so zu berühren. Dann legte ich mich auf ihn und strich ihm über die Wange. Ich spürte, wie Jacks Hände unter mein Hemd fuhren und mir über den Rücken streichelten. Ich lächelte auf ihn herab. Daraufhin drückte er mich enger an sich und begann mich zu küssen. Ich schmiegte mich an seinen warmen Körper und erwiderte seinen Kuss.
Ich wachte mitten in der Nacht davon auf, dass es neben mir nicht mehr so warm war, wie zuvor. Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass Jack nicht mehr da war. Seit wann war der Mistkerl denn nicht mehr da? Und vor allem: was war der Grund für sein Fehlen? Hatte er doch Angst vor einer Meuterei? Ich beschloss, dies herauszufinden, setzte mich also auf und strich mir die Haare nach hinten. Dann erhob ich mich aus der Koje und schlich durch den Raum. Ich öffnete die Flügeltür, trat heraus und schloss sie wieder. Bevor mich noch jemand so sehen konnte, wie ich war, knöpfte ich den Knopf am Hemd schnell zu und sah mich um; auf der Suche nach etwas Verdächtigem.
Es dauerte nicht lange, bis ich das flackernde Licht einer Kerze sah, welche, wie es schien, vom Achterdeck her kam. Also stieg ich lautlos die hölzernen Stufen empor. Ich machte mich klein und schielte über die letzte Stufe hinweg. Und was ich sah, verschlug mir den Atem: im Kerzenschein und mit Rotwein saßen da Jack und Angelica - viel zu nah aneinander, wie ich fand - und unterhielten sich. Ich wusste nicht, worum es ging, aber ich lauschte den Worten.
"Liebste Angelica, ich brauche nur diese eine Übersetzung, dein sprachliches Talent. Dann bist du wieder frei, versprochen. Und du bekommst einen Teil des Schatzes. Tu mir diesen Gefallen."
Liebste Angelica?! Ich glaub es hackt! In mir kam ein Tornado aus Wut und Eifersucht auf - mal wieder. Aber vielleicht sollte ich mal lieber meine Gefühle unter Kontrolle bringen. Wahrscheinlich übertrieb ich mal wieder.
"Oh Jack, du kannst so charmant sein, wenn du etwas willst", sagte Angelica, schien aber sehr geschmeichelt.
"Weiß ich doch, Liebes. Also?", fragte Jack erwartungsvoll, hob die Hand und strich Angelica über die Wange.
Also das ging entschieden zu weit! Erst verführte er mich, hat dafür gesorgt, dass ich ihm total verfallen bin, lässt mich spüren, dass er auch Gefühle für mich hat und dann das da?! Was ging hier bitte vor? Wollte er mich für dumm verkaufen, oder so?
"Na schön, Jack, nur weil du es bist. Und... da wäre noch etwas anderes, das du tun müsstest." Sie sah verführerisch zu ihm auf und begann ein wenig zu grinsen; obendrein kam sie ihm auch noch näher!
WIE BITTE?! Das konnte doch alles nicht wahr sein!
"Nichts lieber als das, liebste Angelica", hörte ich Jack sagen, konnte aber seine Mimik nicht sehen.
Und abgesehen davon drückte gerade irgendwas heftig auf meine Tränendrüsen und meinem Herz wurde ein Stich versetzt.
Angelica betrachtete nun das Pergamentblatt, welches Jack ihr nun entgegen hielt und auf welchem das Rätsel stand, welches ich von der Karte abgeschrieben hatte. Sie nahm ihm das Pergamentblatt und eine Feder aus der Hand und schrieb - offenbar die Übersetzung - darauf.
Als sie dann die Sachen beiseite legte, sah sie Jack - meinen Jack! - herausfordernd und eine Spur gefährlich lächelnd an. Und zu meinem Bedauern beugte er sich zu ihr vor und seine Lippen, welche vorhin noch auf meinen gelegen hatten, fanden sich nun auf Angelicas wieder.
Die beiden umklammerten sich heftig, was mir überhaupt nicht gefiel. Mir schossen die Tränen in die Augen und leise kullerten sie meine Wangen hinunter. Jack küsste Angelica! Und zu meinem Bedauern wurden ihre Küsse immer intensiver. Das war zu viel für mich! Ich konnte nicht länger zusehen. Aber etwas sagen konnte ich auch nicht. Dafür war der Kloß in meinem Hals zu dick.
Also stürmte ich davon; zurück über das Deck, zurück in Jacks Kajüte, zurück in die Koje. Ich presste mich an die Wand und deckte mich zu. Dann heulte ich nur so drauf los. Ich hatte gedacht, er würde mich lieben, auch wenn er es nicht gern zugab. Und wenn man jemanden liebte, konnte man nicht so einfach eine andere Person küssen. Das passte einfach nicht zusammen! Dicke Tränen schmückten meine Wangen und vor lauter Tränen wurden sie rot und meine Augen geschwollen. Ich hatte mich wohl in ihm getäuscht. Und ich durchtränkte Jacks Kissen mit meinen salzigen Tränen, sodass es richtig nass wurde. Er vergnügte sich gerade mit Angelica, während ich - seine eigentliche Freundin - mir hier unten allein in seiner Koje die Augen aus dem Kopf heulte. Wie konnte Jack mir sowas antun? Wollte er mich wirklich verletzen? Ich konnte das nicht so richtig glauben. Das würde er doch nie tun. Oder doch?
Noch bis spät in die Nacht hinein weinte ich, weil es einfach so unbeschreiblich weh tat. Doch irgendwann war es nur noch ein leises Wimmern. Morgen musste ich Jack darauf ansprechen. Unbedingt. Ich schniefte, dann flog die Kajütentür auf und Jack kam herein, das wusste ich, denn er legte sich sofort neben mich. Ich hielt die Luft an und biss mir auf die Lippe. Dann atmete ich ganz langsam aus und versuchte meinen Atem in einem ruhigen Rhythmus zu halten.
Jack merkte meine Unruhe anscheinend nicht. Er legte von hinten einen Arm um mich und pfriemelte sein Bein irgendwie zwischen meine hindurch. Ich schluckte und drehte mich nicht zu ihm um, sondern tat, als würde ich schlafen. Ich konnte ihn jetzt nicht sehen! Er hatte mich sehr verletzt.