Kapitel 79.4 - Die Leere danach und die endgültige Aufklärung

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Nachdem alle wieder versuchten, sich zusammenzureißen – zumindest für den Moment – wurden die Leichen der Jäger verbrannt. Die zahlreichen Körper brannten lichterloh und dunkler Rauch stieg in den Himmel empor. Schweigend sah ich zu, wie die Jäger zu Asche und vom aufkommenden Wind davongetragen wurden. Es war vorbei. Es war tatsächlich vorbei.

Meine Gedanken schwenkten zu Damon, der vorhatte, die Jäger neu aufzubauen. Ich konnte nur hoffen, dass das kein Fehler sein würde. Schließlich hatte ich nichts getan, um ihn von seinem Vorhaben abzuhalten. Und so blieb mir nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass Damon die Fehler seiner Familie nicht wiederholen würde. Immerhin wollte er eine vollkommen neue Generation von Jägern kreieren. Eine, die sich an den ersten Jägern orientierte und an der Hoffnung, für die sie vor langer Zeit standen.

Ich kehrte den brennenden Körpern den Rücken zu und sah zu den Überlebenden. Diese hatten begonnen, sich Schaufeln und große Steine zu besorgen. Einige hatten schon begonnen, tiefe Löcher in die Erde zu schaufeln. Alle hatten sich geeinigt, dass die Verstorbenen auf dem Grundstück des Darkstone Castles vergraben werden sollten. Es sollte eine Art Gedenkstätte werden, damit niemand jemals vergaß, was hier geschehen war.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, zuzusehen, wie ein Teil des Grundstückes des Internats zum Friedhof werden sollte. Die Grabsteine, die beschafft worden waren, sollten nur vorübergehend sein. Die Namen wurden kurz auf einen Stein geritzt und auf der Stelle abgestellt, an der die Person vergraben worden war. Danach würden richtige Grabsteine besorgt werden.

Trüb ließ ich meinen Blick über die Leute gleiten. Während einige die Gräber innerhalb von Sekunden mit Hilfe ihrer Fähigkeiten aushoben, hatten sich andere wiederum dazu entschieden, es auf die traditionelle Weise zu machen. Oder sie waren einfach nur nicht in der Lage, mit ihren Fähigkeiten ein Grab auszuheben.

Schwermütig bemerkte ich Desdemona, die den Sparten verbittert in den Boden rammte. Immer und immer wieder. Die Erde flog durch die Luft. Ihr war es vollkommen egal, wen sie damit traf. Aber es sagte auch niemand, dass sie aufpassen sollte.

Die Leiche ihrer toten Tante, lag in weiße Tücher gehüllt neben dem fast fertigen Grab. Der Stein, wie auch der Meißel lagen schon bereit.

Mein Blick schweifte weiter und blieb an meinem Vater hängen. Dieser ließ seiner Kraft freien Lauf und riss die Erde aggressiv heraus. Als Will und ich ihm hatten helfen wollen, hatte er uns einfach fortgeschickt. Er wollte das alleine machen. Vielleicht half es ihm auch ein bisschen, alleine und vollkommen außer sich das Grab unserer Mutter fertig zu machen. Anders als bei der Aushebung des Grabes, war Eric ziemlich vorsichtig und sanft dabei gewesen, den Namen unserer Mutter in den Stein zu meißeln. Obwohl dieser Grabstein nur vorübergehend das Grab meiner Mutter zieren würden, hatte er sich unglaubliche Mühe gegeben.

Es tat unfassbar weh, meinen Vater so zu sehen. Auch, wenn ich – so herzlos es auch klingen mochte – die Trauer um meine Mutter nicht teilen konnte. Ich versuchte es nicht einmal, mich dazu zu zwingen. Keine Tränen wollte vergossen werden. Zwar kam ich mir wie ein eiskaltes Miststück vor, weil der Rheas Tod mich nicht mitnahm und weil ich ihr nicht verziehen hatte. Immerhin hatte ich sie mit einem schlechten Gewissen sterben lassen. Allerdings hatte ich auch jeden Grund dazu, so zu fühlen, wie ich nun einmal fühlte.

Ich konnte meinem Vater ansehen, wie wütend meine Gleichgültigkeit ihn machte. Doch er zwang sich dazu, mich deswegen nicht anzuschreien. Ob er mir nur glaubte, mit dem, was Rhea zu mir gesagt hatte, oder nicht. Er würde niemals verstehen können, weshalb ich nicht um meine Mutter trauerte.

Will dagegen hatte ich mein Verhalten noch nicht erklärt. Aber das brauchte ich auch gar nicht. Er hatte schon bemerkt, dass etwas nicht stimmte und da unser Vater ihm die gewünschten Informationen anscheinend nicht geben wollte, hatte er sie sich selbst geholt. Unser Vater war viel zu sehr von seiner Trauer und seiner Wut abgelenkt, dass er nicht einmal bemerkt hatte, wie Will in seinen Kopf eingedrungen war.

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