Kapitel 66.3 - Das Verhör

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Die Zelle war trostlos. Anders konnte ich es nicht beschreiben, denn es gab kein anderes Wort dafür. Vielleicht war 'bedrückend' noch eine weitere Option. Allerdings war 'trostlos' schon recht passend. Sie Wände waren kahl und aus Stein. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, diesen zu verputzen. Der Boden war ebenso aus Stein und sehr uneben. Diese Zellen schienen seit Jahrhunderten nicht mehr verändert worden zu sein. Wie konnte Ariadne sich also sicher sein, dass sie einem Ausbruchversuch Stand halten würden?

Den Augenkontakt zu Damon vermied ich absichtlich. Und auch, ihn nur anzusehen. Mein Blick wanderte zu der Decke, an der eine einzelne, schwach leuchtende Glühbirne hing, die bloß an einem Kabel befestigt war. Ab und zu flackerte sie und warf unheimliche Schatten in die Zelle und bestimmt auch auf Damons Gesicht.

Die Kerkerzelle war nicht sehr groß. Ich konnte drei Schritte machen und wäre schon an der gegenüberliegenden Wand angelangt. Außerdem war der Raum hier vielleicht zwei oder zweieinhalb Schritte breit. Genau konnte ich es nicht sagen, da ich nicht den Drang verspürte, den Raum abzumessen, in dem ich hier herum lief.

"Hast du vor, diese Zelle weiter zu betrachten, oder bist du hier, um mich zu verhören?", spottete Damon. Seine Augen lagen abschätzend auf mir. Widerwillig schwenkte mein Blick zu ihm. "Dich kenne ich.", sagte er auf einmal. "Ich habe dich schon einmal zusammen mit deiner Freundin hier unten gesehen." Er musterte mich eingehend. "In der Küche, nicht wahr?" Ich sagte keinen Ton. Schwieg. Hatte auch nicht vor zu sprechen. Zumindest vorerst nicht. Vielleicht würde er mir trotzdem erzählen, was Ariadne als wichtig empfand. Jedenfalls war das in Filmen doch immer so abgelaufen. Der Schurke hielt den Helden gefangen und erzählte ihm alles über seine Pläne. Während ich daran dachte, fiel mir auf, dass ich schon lange keine Filme mehr gesehen hatte. Doch das war jetzt unwichtig.

"Aha.", sagte Damon grinsend. "Du glaubst wohl, dass du hier mit Schweigen weiter kommst." Bitter lachte er auf. "Stellst du dir das hier so einfach vor? Da muss ich dich leider enttäuschen, Schätzchen!" Herausfordernd blitzten seine Augen mich an, während er lässig auf seinem Stuhl saß. Es wirkte beinahe, als sei er gar nicht angekettet und gefangen. Ärger stieg in mir auf. Wie konnte Damon sich nur so aufführen? Er hatte doch bereits verloren! Und er wusste genauso gut wie ich, dass man ihm die Information auch ohne ein Verhör entziehen konnte. Es brauchte bloß einen Ghost Elementary, der in seinen Kopf eindrang. Zwar war Damon darin trainiert, Unerwünschte aus seinem Kopf fernzuhalten, doch mächtige Elementary würden es trotzdem schaffen. Wollte er es wirklich darauf ankommen lassen? Hinzu kam, dass er mich 'Schätzchen' genannt hatte. Ging's noch?! Schätzchen?! Ich musst mir einen wütenden Kommentar verkneifen. Und einfach die Ruhe bewahren. So schwer konnte das doch nicht sein.

"So. Du bestehst also darauf zu schweigen. Schön für dich.", meinte Damon herablassend. "Soll ich dir die Funktionsweise einer Konversation erklären? Oder bekommst du das alleine hin?" Er lachte rau. Lachte mich aus. Ich biss meine Zähne fest aufeinander. Spürte den Druck, der sich auf meinen Kiefer ausbreitete. Was für ein Arschloch. Weshalb konnte ich ihn nicht einfach hassen? Das würde vieles einfacher machen und mir weniger Leid bereiten.

Abwartend sah Damon mich an und schaute demonstrativ auf sein Handgelenk und seine nicht vorhandene Uhr. "Also gut.", sagte er in einem versöhnlichen Ton. "Lektion eins des Konversationsthemas." Was wohl ein wohlwollendes Lächeln darstellen sollte, sah eher aus wie ein spöttisches Grinsen. "Zu einer richtigen Unterhaltung gehört dazu, dass es mindestens zwei Gesprächspartner gibt.", fuhr Damon fort. "Außerdem wird vorausgesetzt, dass beide abwechselnd sprechen und auf den anderen eingehen. Bist du soweit mitgekommen?" Dieses Verhör entwickelte sich in die vollkommen falsche Richtung. Anstatt mir zu erzählen, was die Jäger vorhatten und so was, gab er mir jetzt "Kommunikationsunterricht". Ich war kurz davor Damon eine zu scheuern.

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