Kapitel 70 - Vorbereitungen

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Die Tür schloss sich hinter mir. Still stand ich einfach nur dar. Hatte Damon das gerade wirklich gesagt? Schnell verbannte ich diesen Gedanken aus meinem Kopf. Es hatte mich nicht zu interessieren. Es war unwichtig. Vollkommen unwichtig. Mein Aussehen verwandelte sich beinahe beiläufig wieder in das von Lune.

Ich blickte auf und bemerkte, dass ich von allen erwartungsvoll angestarrt wurde.

"Und?", wollte Liam wissen. "Was hast du erfahren?" Mit einer kurzen Geste bedeutete ich ihm, still zu sein. Mein Blick huschte kurz zu Nawin, dem das nicht unbemerkt blieb. Ich konnte ihm ansehen, dass er sichtlich nervös wurde. Er ahnte schon, was Damon mir gesagt hatte. Doch beruhigen konnte ich ihn nicht. Noch nicht. Ich war ihm nicht böse. Ich konnte sein Verhalten vollkommen nachvollziehen. Und wir würden dieses Problem lösen. Bald.

"Es sollten alle dabei sein.", sagte ich. "Wir sollten sofort zu Lady Darkstone. Dann muss ich es auch nur ein mal erzählen. Kommt." Liam seufzte daraufhin leicht genervt. Doch er erwiderte nichts. Nawin dagegen wirkte wie auf heißen Kohlen. Mein Bruder, der sein Verhalten falsch zu verstehen schien, klopfte ihm einmal kurz auf die Schulter. Wie würde Will nur reagieren, wenn er Nawins kleines Geheimnis erfährt?

Ariadne war die einzige, die vollkommen ruhig wirkte. "Desdemona und ihre Tante werden sicher nicht allzu lange dauern.", meinte sie. "Und wenn, ist es auch egal. Das hier ist wichtiger." Mit einem kurzen Blick auf mich, sagte sie: "Ich hoffe, du hast Damon nicht zu sehr eingeschüchtert."
Etwas in mir zog sich zusammen und ich spürte Wills Blick auf mir. "Was? Wieso?", fragte er. "Was hat Mika denn da drin angestellt?" Ariadne schenkte meinem Bruder nur ein knappes Lächeln. "Ich formuliere es mal so: Mika hat mehr Biss, als ich bisher dachte." Danach ignorierte sie jeden von uns und schweigend, aber aufgewühlt, liefen wir alle durch die Gänge des Kellers.  Immer wieder spürte ich Wills verwirrten Blick auf mir und ich kannte die Frage, die ihm auf der Zunge brannte. Allerdings sprach er sie nicht aus. Vielleicht dachte er, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde.

Wir ließen die Kerker hinter uns und auf halbem Wege zu Lady Darkstones Büro kam uns auch schon Desdemona entgegen. Als sie uns sah, sah sie überrascht aus. "Seid ihr etwa schon fertig?", wollte sie mit gerunzelter Stirn wissen.
Ariadne nickte. "O ja.", meinte sie mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen. Ich musterte Desdemona. Sie sah ein wenig düster aus. Doch das lag vermutlich an ihrem Gespräch mit ihrer Tante. "Wie ist es gelaufen?", fragte ich sie, woraufhin sich Desdemonas Gesicht bloß noch mehr verdüsterte. "Frag nicht.", sagte sie schlecht gelaunt und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. Kurz musterte sie uns. "Sagt nicht, ihr wollt jetzt zu Cassandra!", fluchte sie, als sie begriff, wohin wir wollten. "Die ist gerade ganz schlecht drauf und mich will die bestimmt auch nicht so schnell wiedersehen!"
Ich seufzte. "Ich glaube, du schätzt deine Tante falsch ein. Sie macht sich doch nur Sorgen um dich."
Das hätte ich wohl nicht sagen sollen, denn Desdemona schnaubte nur abwertend. "Das glaubst du doch wohl selbst nicht!", brummte sie. "Na los. Bringen wir es hinter uns."
Noch schlechter gelaunt als vorher, folgte Desdemona und zurück zu ihrer Tante. Vor der Tür von Cassandra Darkstones Büro blieben wir stehen. Ich drehte mich zu den anderen um. "Egal was ihr gleich hört. Bleibt bitte ruhig und hört euch alles bis zum Ende an. Und urteilt nicht zu schnell." Mein Blick huschte ganz kurz zu Nawin, der anscheinend nun die Gewissheit hatte, dass das, worauf ich gerade anspielte, definitiv mit ihm zutun hatte. Seine Schultern sanken. Nawin schien vor meinen Augen in sich zusammen zu schrumpfen. Innerlich wappnete er sich auf das, was gleich geschehen würde.

Ich drehte mich um, klopfte und öffnete die Tür. Sofort fiel mein Blick auf eine ziemlich fertig aussehende Cassandra Darkstone, die entkräftet an ihrem Schreibtisch saß und ihren Kopf auf ihre Hände gestützt hatte. Ihr ganzes Büro sah so als, als hätte hier ein Tornado gewühlt. Mein Blick schwenkte zu Desdemona, der das nicht entging. Sie hob ihr Kinn ein wenig an und ignorierte ihre Tante. Ich verbot es mir, meine Augen zu verdrehen.

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