Kapitel 23 - Vater und Kontrolle ✅

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Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein Mann mit kohlschwarzen Haaren und waldgrünen Augen trat ein. Er hatte ein mürrisches Gesicht und wirkte nicht gerade so, als würde man sonderlich gut mit ihm auskommen. Oder er hatte einfach nur einen schlechten Tag. Hoffentlich.

Ein wenig überrumpelt starrte er uns an. Erst Damon, dann mich.

»Wer seid ihr und wie kommt ihr in mein Haus?« Misstrauisch musterte er uns. Hatte meine Mutter uns nicht erwähnt? Er musste doch mein Vater sein, oder? Neugierig musterte ich ihn. Er jedoch ignorierte mich vorerst. Sein Blick lag allein auf Damon. Langsam verfinsterte sich seine Miene noch mehr als ohnehin schon.

»Du.« Es klang wie ein Zischen. »Kannst du nicht einfach aufhören, unsere Familie zu verfolgen? Wie bist du überhaupt hier rein gekommen?« Der Mann, der mein Vater sein musste, sah ihn so an, dass ich hätte schwören können, er wollte Damon allein mit seinem Blick töten. Nun wanderte seine Aufmerksamkeit zu mir. Vermutlich glaubte er, ich gehöre zu Damon und wäre genau wie er eine Jägerin. Erst jetzt begann er, mich wirklich wahrzunehmen. Seine Stirn runzelte sich, alser mich musterte. Mein Haar, meine Augen. Besonders lang verharrte sein Blick an meinem einen Auge. Sein abschätzender, finsterer Blick verblasste schnell. Kaum merklich weiteten sich seine Augen und ungläubig hauchte er einen Namen. Meinen Namen. Immer und immer wieder.

»Mika.« Tränen füllten seine Augen, als er mich als das Mädchen erkannte, das er vor so vielen Jahren für verloren geglaubt hatte. Fassungslos sah er mich an und schien nicht glauben zu können, dass ich vor ihm stand.

Langsam kam er auf mich zu. Vorsichtig, als sei ich ein scheues Tier, das er nicht verscheuchen wollte.

Ich räusperte mich. »Hallo.« Mein Kopf schien wie leer gefegt. Was tat man, wenn man das erste Mal im Leben auf seinen Vater traf? Wie hatte ich noch einmal bei meiner Mutter reagiert? Alle Worte waren verschollen.

Aber es bedurfte keiner Worte. Sein grimmiges Gesicht wurde weich und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Dann zog er mich stumm in seine Arme und ich spürte seine Tränen, die mein Haar durchnässten. Ich erwiderte seine Umarmung. Seine Reaktion war so viel herzlicher als die meiner Mutter.

Ein Stein fiel mir vom Herzen. Meine leiblichen Eltern lehnten mich nicht ab. Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass das nicht lange so bleiben würde. Und ich wusste nicht, ob ich selber damit klar kommen würde, dass ich zwei Menschen getötet hatte. Es fühlte sich so unwirklich und doch so real an. Es war, als wäre etwas in mir zerbrochen, das wahrscheinlich nie wieder heilen würde. Ich fühlte mich wie ein Monster. Claire war meine Freundin gewesen. Zwar eine falsche Freundin, aber die erste, die ich je gehabt hatte und die mir das Gefühl gegeben hatte, dass ich jemandem außer meiner Adoptivmutter wichtig war. Klar, was sie getan hatte war falsch gewesen, doch daraufhin mit so viel Wut zu reagieren und sie zu töten war ein gewaltiger Fehler gewesen. Ein Fehler, den ich nie wieder korrigieren und ungeschehen machen konnte.

Ich würde nicht auf diese Schule zurückkehren können. Und ich würde auch nicht ewig hier bleiben können, denn Will und Damon müssten irgendwann zurückgehen. Ich wollte auf keinen Fall zurück in eine normale Schule. Nicht, da ich jetzt wusste, wer ich war. Ich gehörte nicht in die Welt der normalen Menschen. Hatte es noch nie. Immer schon war ich eine Außenseiterin gewesen.

Ich war ein Elementar. Und ich hatte einen Plan. Der würde weder den anderen, noch mir sonderlich gefallen. Aber was sein musste, musste sein. Außerdem musste ich mit den Konsequenzen leben. Schließlich hatte ich getötet und da sollte ich schon die Folgen aushalten können. Die Frage war nur, ob es auch eine andere Schule gab. Ich sollte eine andere Identität annehmen. Schließlich wollte ich ja nicht gefunden werden.

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