Kapitel 48 - Die Katze im Turm

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Ich gab mir selbst einen Ruck und zwang mich dieses mal nicht wegzulaufen. Dieses mal würde es nicht so ausgehen wie die letzten male! Ich würde es in Ordnung bringen! Auch wenn ich noch nicht wusste wie. 

Unbewusst stellte ich mich aufrechter hin und blickte Dylan in die Augen aus dunklem Eis. Er blickte mich wütend und hasserfüllt an. Ich bemerkte nicht einmal, wie meine Stimme fest und scharf wie Rasiermesser wurde. "Immerhin versuche ich zu helfen! Immerhin hatte ich einen Plan, wie ich ihr helfen könnte! Und weist du was?! Ich hätte ihr nicht einmal helfen müssen! Ich habe nichts mit Ariadne zu tun und das hätte auch ewig so bleiben können, hätte ich mich nicht dazu entschieden, mich einzumischen!" Unwillkürlich war ich einen Schritt näher an ihn heran getreten. "Also wage es ja nicht, mir an allem die Schuld zu geben! Ohne mich wärt ihr überhaupt nicht hier!" Meine Stimme ähnelte nun mehr einem Zischen und ich musste darauf aufpassen, dass meine Eckzähne nicht zum Vorschein traten. Oder, dass ich die Beherrschung verlor und meine Augen aufflammten wie ein Großbrand. "Ohne mich würden du und deine Geschwister nicht einmal wissen, was mit Ariadne los ist! Und ich habe es satt! So satt, immer der Sündenbock zu sein! Es ist weder meine, noch deine Schuld, dass Ariadne weggerannt ist! Dafür konnte nun wirklich niemand etwas! Es war allein ihre Entscheidung!" Meine Augen funkelten Dylan herausfordernd an. Sollte er es doch nur versuchen, seinen ganzen Frust auf mich zu schieben! Ich würde dieses mal nicht als diejenige da stehen, die am Ende gehasst wurde!

Dylan sah mich überrascht an. Sein Mund stand leicht offen und tatsächlich schienen alle negativen Gefühle verschwunden zu sein. Doch vielleicht unterdrückte er sie auch nur. Oder er war viel zu überrascht, um sie unterdrücken zu können. Ich tippte ja eher auf die letzte Möglichkeit.

"Und ich weiß ja nicht, was du jetzt tun wirst, aber auch das ist eigentlich nicht mein Problem!" Meine Augen waren kalt. Durchbohrten Dylan, der nur scheinbar stumm vor mir stand und sich nicht zu rühren wagte. "Aber ich werde das jetzt in Ordnung bringen! Denn ich weiß, dass ich Ariadne helfen kann!" Selbst wenn das bedeuten würde, dass Ariadne erfahren würde, wer ich wirklich war. Wenn ich vollkommen meine Maske fallen lassen müsste. Sie wusste bereits, dass ich in irgendeiner Art und Weise ein Vampir war. Aber noch wusste sie nicht, dass ich Mika und nicht Lune war. Mir widerstrebte es zwar, aber notfalls müsste ich meine Fähigkeiten einsetzen, um sie zu Vernunft zu bekommen.

Ich strafte Dylan noch einmal mit meinem eisernen Blick unter dem er merklich zusammen zuckte, dann rauschte ich hoch erhobenen Hauptes aus dem Kerkerraum. Desdemona hob ihren Kopf, als sie mich erblickte, sah mich fragend an. Doch ihr war schnell klar, dass sie auf mein merkwürdiges Verhalten keine Antwort bekommen würde. Also ließ sie es sein, mich danach zu fragen. Sie widmete sich wieder Grace, die am Boden hockte wie ein elendes Häufchen Elend. Dennoch spürte ich ihren Blick in meinem Rücken, als ich durch den Gang verschwand. Liam und Imogen waren nirgendwo zu sehen. Wahrscheinlich hatte er sie in irgendeinen anderen Raum geführt, damit er sie ohne die Gegenwart der anderen beruhigen konnte. Und Dylan? Der schmollte vermutlich alleine vor sich hin. Aber wie gesagt, es war nicht mein Problem.

Meine Schritte hallten laut in den hohen Kellergewölben und mein eines Auge glühte plötzlich violett auf. Vor diesem Auge erblickte ich Ariadne, die durch die Gänge rannte und leise schluchzte. Sie rannte genau dort hin, wo sie hingerannt war, als sie meine Eckzähne gesehen hatte. Nur, dass ich damals die Tür nicht geöffnet hatte, da Desdemona aufgetaucht war.

Mein Auge wurde wieder zu diesem gewöhnlichen Lune James Auge und ich wurde schneller. Sie würde dort oben in dem Raum keine Chance haben wegzurennen. Und ich würde sie auch nicht gehen lassen, ehe das geklärt war. Ich war kein Feigling. Ich würde nicht mehr vor Konflikten wegrennen wie ein verängstigtes Kind! Ich war stark. Mehr als das. Und ja, ich war anders. Aber das musste nichts Schlechtes sein. Es sei denn, ich machte etwas Schlechtes daraus. Es kam ganz darauf an, was ich aus mir machte. Und ich war ganz sicher keine böse Person. Nun gut, ich war nicht immer die Netteste oder so, ich manipulierte Menschen und Elementary zu meinem Nutzen. Dennoch war ich nicht unbedingt schlecht.

Ich wusste nicht wie es in Ariadne innen drin aussah, doch irgendetwas schien sie zu quälen. Das spürte ich. Irgendetwas und ich würde es herausfinden. Ich hoffte, sie würde es mir freiwillig sagen, denn ansonsten würde ich ihr nicht helfen können und ich müsste es gegen ihren Willen herausfinden und zwar auf meine Art. Das würde ihr eher weniger gefallen und ich hätte es noch schwerer, an sie heran zu kommen.

Ich stieß die Tür auf, die wieder nach oben führte und ich landete genau in einem Strom aus Schülern.

"Hey, sieh mal! Ist das nicht Lune?"
"Wo ist sie denn gewesen?"
"Und wo sind die anderen beiden? Liam und Desdemona?"

Ich ignorierte sie alle und bahnte mir meinen Weg durch die Massen. Anscheinend gingen sie gerade alle zum Essen. Doch schnell musste ich feststellen, dass ich so nicht weiter kam und Ariadne hatte bereits einigen Vorsprung. Ich seufzte und konzentrierte mich kurz, ehe alle Schüler rechts und links von einer unsichtbaren Macht an die Wände gepresst wurden. Sie alle sahen mich aus geweiteten Augen an, was ich ignorierte. Ich hatte etwas wichtigeres zu tun, als mich um die Schüler zu kümmern. Also begann ich wieder zu rennen. Einige warfen mir ängstliche Blicke zu, andere wiederum überraschte und andere wütende und hasserfüllte.

Ich kam an der Treppe an und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Je weiter ich nach oben kam, desto weniger Schülern begegnete ich. Die meisten befanden sich bereits unten. Ich gelangte zu dem Teil des Schlosses, wo sich die schmale Wendeltreppe zu Ariadne befand. Hier war es vollkommen still. Kein Ton war zu hören, außer das Geräusch meiner Schuhe, wenn ich lief. Ich wurde langsamer. Vor mir sah ich die Treppe. Nun musste ich doch schlucken. Ich hatte mir überhaupt keine Gedanken gemacht wie ich vorgehen wollte, wenn ich Ariadne gegenüber stand. Ich hatte immer gedacht, dass Ariadnes Geschwister das schon regeln würden. Aber dem war nicht so. Nun blieb es an mir hängen, obwohl ich auch einfach gehen konnte. Doch ich würde nicht zurück weichen. Diese Zeiten waren vorbei. Hoffte ich.

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