Kapitel 68.2 - Auge in Auge

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Damon zuckte zusammen, sein Blick schoss zu mir. Fassungslos starrte er mich an. "WAS?!", platzte es aus ihm heraus. "Ist das dein verdammter Ernst, Mika?!"
Ich hob mein Kinn ein wenig an. "O ja. Das ist mein verdammter Ernst, Damon!", sagte ich. "Und ob du es glauben willst oder nicht. Für mich bist du hier das Monster." Damon sah mich böse an. "So.", knurrte er beinahe. "Glaubst du das?" Die Temperatur stieg rapide in die Höhe. Seine Haut begann beinahe schon zu glühen. Jedenfalls taten es seine Fesseln. Und auch der Stuhl schien nicht feuerfest zu sein. Seine Augen waren eine Mischung aus Asche und Glut.
"Hast du dich mal angesehen, Mika?!", rief Damon. "Und so sieht kein Monster aus?!" Er war wütend. Mehr als bloß wütend. So wütend, dass er nicht mehr darauf achtete, was er sagte. Er dachte gar nicht mehr nach.
"Ich weiß sehr gut, wie ich aussehe.", erwiderte ich ruhig. Ließ mich von ihm nicht beeindrucken. "Und ob du es glaubst oder nicht. Du selbst hast dazu beigetragen, dass ich mich immer mehr und mehr wie ein Monster fühlte. Doch das hat jetzt ein Ende. Denn jetzt weiß ich es besser."
"Ach ja?!", presste Damon hervor.
"Ja.", sagte ich mit fester Stimme. "Du. Du und deine Jäger habt mit dazu beigetragen, mir endlich die Augen zu öffnen. Es kommt nicht darauf an, wie ich aussehe oder was ich bin. Es kommt allein darauf an, wie ich handele und wie ich fühle." Ich betrachtete Damon abwertend. "Im Gegensatz zu dir verwende ich meine Fähigkeiten, um anderen zu helfen. Um alle dem ein Ende zu setzen. Du dagegen ... Du benutzt deine Kräfte um das Leben anderer zu zerstören." Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen. "Also sag mir. Was davon klingt für dich mehr nach einem Monster?", fordere ich ihn auf. Damon schwieg. Verbittert starrte er mich an. Betrachtete mich. Gedanken schwebten stumm durch seinen Kopf.  Geistlich schien er weit weg zu sein. Irgendwo, wo ich ihn nicht erreichen konnte.
Ein wenig trüb sah ich Damon an. "Weißt du, ich konnte dich mal wirklich gut leiden.", sagte ich. "Ich hatte dich wirklich gerne. Ich habe dir vertraut." Ich lachte bitter auf. "Ich habe wirklich geglaubt, dass du dich verändert hast. Dass du aufgehört hast, ein Jäger zu sein." Über meine damaligen Gedanken konnte ich jetzt nur noch den Kopf schütteln. "Wie sehr ich mich doch geirrt habe.", murmelte ich mehr zu mir, als zu ihm. Damon war aus seinen Gedanken zurück gekehrt und sah mich schweigend an. Die Wut war aus seinen Augen verschwunden. Dennoch sahen sie nach wie vor wie Asche und Glut aus. Seine Mimik war nicht zu lesen. "Ich glaube, ich habe dich ein bisschen zu sehr gemocht, Damon.", gab ich trocken zu. "So sehr, dass ich nicht einmal bemerkt habe, dass du ein Monster bist." Von Damon kam nichts. Er sah zu Boden. Ich hoffe, dass er sich schämte. Doch vermutlich hoffte ich vergeblich.

Ich holte tief Luft. Wir waren nicht hier um darüber zu sprechen, wie sehr ich mich in ihm getäuscht hatte oder wer von uns beiden nun mehr Monster war. "Aber kommen wir zurück zum eigentlichen Thema.", sagte ich. Ich ließ mich ihm gegenüber auf den Boden fallen und lehnte mich im Sitzen an die Wand. "Wenn du nicht willst, dass ich wieder in deinen Kopf eindringe oder dir weh tue, sagst du mir nun freiwillig all das, was ich wissen will." Abwartend betrachtete ich Damon. Wie konnte ich ihn jemals mögen? Wie konnte ich ihm jemals vertrauen? Diese Fragen hätte ich mir schon viel früher stellen sollen. Viel früher.

Um Damon noch ein wenig mehr einzuschüchtern, klopfte ich an die Zellentür, die sofort geöffnet wurde. Ariadne steckte den Kopf herein und suchte mich, bis sie realisierte, dass ich auf dem Boden saß. Erstaunt bemerkte sie, dass ich wie ich aussah und mich Damon auch so zeigte. "Alles okay, Mika?", wollte sie mit einem misstrauischen Blick auf Damon wissen.
"Ja, alles gut.", winkte ich ab. "Könntest du mir bitte aus der Küche etwas holen?"
Verwirrt sah mich Ariadne an. "Aus der Küche? Was denn?" Doch dann verstummte sie. "Oh.", machte sie bloß. "Ja. Klar. Warte kurz." Hastig schloss sie die Tür hinter sich und Damon und ich waren wieder allein.

Damon hatte seine Augen zu Schlitzen zusammen gekniffen und betrachtete mich misstrauisch. "Was hast du vor?", fragte er.
"Meinst du ernsthaft, dass ich dir das sage?", erwiderte ich kühl. "Außerdem, weshalb glaubst du, dass ich etwas Schlimmes vorhabe?" Ich grinste leicht. Das verunsicherte Damon noch mehr.
Eine Weile lang sagte weder er, noch ich ein Wort. Damon wurde unruhiger. Endlich öffnete sich wieder die Tür und Ariadne trat ein. Sie überreichte mir ein kleines Fläschchen, das eine rote Flüssigkeit beinhaltete. Wissend grinste sie mich an. "Wie ich sehe, steigst du auf andere Methoden um. Gefällt mir.", lobte sie mich und verließ kurz darauf auch wieder die Zelle. Die Tür fiel hinter ihr mit einem lauten Knall ins Schloss.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte Damon das Fläschchen. "Was ...?", murmelte er, ehe er verstand, was ich da in der Hand hielt. "Scheiße.", war sein einziges Wort und mit großen Augen verfolgte er, wie ich das Fläschchen öffnete und zu meinen Lippen führte. Als ich anfing, die rote Flüssigkeit zu trinken, wandte Damon seinen Blick ab. Unglaublich. Er konnte tatsächlich nicht zusehen, wie ich Blut trank. Ich setzte nach einigen Schlucken das Fläschchen ab und widmete mich wieder Damon.

"So.", begann ich. "Wie wäre es mit einem Deal? Du erzählst mir alles, was ich wissen muss und dafür wird dir nichts geschehen." Langsam hob Damon seinen Blick wieder. Vorsichtig suchte er mit seinen Augen das Fläschchen. Als er bemerkte, dass ich es abgestellt hatte, schien er sichtlich erleichtert zu sein.

"Also. Was hältst du davon?", fragte ich. "Haben wir einen Deal?"
Damon schluckte kaum merklich. "Ich pfeif auf deinen Deal!", sagte er mit einer erstaunlich festen Stimme. Das hätte ich ihm jetzt nicht mehr zugetraut. "Ich verrate nichts!"
Ich betrachtete ihn. "Merkwürdig.", sagte ich langsam. "Dabei bist du doch ein Verräter. Weshalb also sollte es dir schwer fallen, wieder jemanden zu verraten? Das ist doch deine Art." Gequält sah Damon zu mir. "Hör auf damit, Mika. Du verstehst das nicht.", sagte er. "Und wie du schon sagtest; Du kennst mich nicht."
Ich ignorierte seine Aussage und zuckte bloß mit meinen Schultern. "Dann lässt du mir nur zwei Optionen.", meinte ich gespielt gleichgültig. "Du weißt, welche beiden das sind. Oder habe ich jetzt vielleicht sogar drei?" Mein Blick fiel auf das Fläschchen mit der roten Flüssigkeit. Damons Augen weiteten sich schlagartig.
"Das würdest du nicht tun! Das würdest du nicht wagen!", rief er entsetzt. "Fass mich auch nur an und du wirst brennen! Du gehörst auf den Scheiterhaufen, Hexe! Jemand sollte dir einen Dolch in dein Herz stoßen, Vampir!" Ich ließ mir nicht anmerken, dass mich seine Worte nach allem noch verletzten. Das war nicht weiter wichtig. Damon konnte mir nichts anhaben.
"Ich werde nicht brennen, Damon.", merkte ich an. "Ebenso wie mir weder Hitze, noch Kälte etwas ausmachen. Du kannst mir nichts anhaben." Ich erhob mich. Ging mit betont langsamen Schritten auf ihn zu. "Aber weißt du was?" Mittlerweile stand ich genau vor ihm. Ich beugte mich zu ihm herunter. Meine Lippen berührten beinahe sein Ohr. "Ich kann dafür dir etwas anhaben."

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