Kapitel 45.2 - Das Glacial Trio

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Es war erstaunlich, wie schnell die Drillinge sich wieder gefasst und ihre Entscheidung getroffen hatten. Ein leises Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich die entschlossenen Mienen der Glacial Drillinge erblickte. War mein eigener Bruder damals genau so entschlossen gewesen mich zu finden, wie Ariadnes Geschwister? Ich bemerkte, wie sich etwas in mir zusammenzog. Ich vermisste Will. Natürlich vermisste ich ihn. Auch wenn ich ihn noch nicht lange kannte. Er war mein Bruder. Würde er wieder nach mir suchen? Oder würde er es aufgeben, mich zu finden? Immerhin hatte er mich schon einmal für eine sehr lange Zeit verloren.

Und dann waren da noch meine Eltern, die viel versucht hatten, mich in ihr Leben einzubringen. Die versucht hatten, meine Eltern zu sein. Doch ich hatte als ihre Tochter versagt. Vollkommen.

Und während ich da so auf dem Sofa saß, dachte ich an sie alle. An meine Eltern, meinen Bruder, meine Großeltern. Und an Hanne, die Frau, die mich von Anfang an wie ihre leibliche Tochter behandelt hatte. Hatte man sie in Ruhe gelassen? Oder waren meine Bemühungen umsonst gewesen, die Elementary von ihr wegzulocken?

Würde es mir meine Familie verzeihen können? Dass ich einfach verschwunden war und sie im Ungewissen zurück gelassen hatte? Ohne Worte des Abschiedes? Ohne mich zu vergewissern, dass es ihnen allen gut ging?

"Hey. Hey, Lune." Desdemona stupste mich an. Ich bemerkte ihren besorgten Blick. "Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst so abwesend."

Ich wank ab. "Alles okay." Unter Desdemonas eindringlichen Blick fügte ich noch ein "Wirklich." hinzu.

Auf einmal lächelte Desdemona mich mitfühlend an. "Du wirst sie schon wiedersehen.", sagte sie, als ob sie wissen würde, woran ich gedacht hatte. Sie drückte kurz tröstend meine Hand, schenkte mir ihr Lächeln. Und in diesem Moment wurde mir klar, dass ich in der anfangs unausstehlichen Desdemona MacKenzie meine beste Freundin gefunden hatte. Ich erwiderte kur dankend ihr Lächeln. Ich war selbst überrascht, dass ich sie mittlerweile als meine beste Freundin sah. Es war einfach passiert, dass ich so über sie dachte. Innerhalb dieser kurzen Zeit, die wir uns nun kannten. Sie hatte mein Geheimnis nicht verraten, hatte versucht, Liam von meiner Identität abzulenken. Eines Tages sollte ich ihr einmal wirklich dafür danken.

Sie war so anders als Claire, damals. Desdemona war das genaue Gegenteil von Claire. Während Claire vorgab meine Freundin zu sein, war Desdemona es wirklich. Claire verstellte sich, war offen und freundlich gewesen, hatte allerdings kein Geheimnis für sich behalten können und war nicht sehr tolerant. Desdemona war in solchen Dingen genau anders. Sie war launisch, hielt sich in nichts zurück, sprach Wahrheiten aus, selbst wenn sie verletzend waren. Und sie konnte Geheimnisse wahren und Elementary akzeptieren, die schlimme Dinge getan hatten und nicht einmal normale Elementary waren.

Vermutlich wusste Desdemona selbst nicht einmal, in wie vielen Weisen sie gut zu mir gewesen war. Und das bestätigte nur noch mehr, dass ich ihr eines Tages dafür danken würde.

"Du bist schon wieder in Gedanken.", informierte mich Desdemona und reichte mir einen Keks. "Hier. Iss. Vielleicht fühlst du dich danach besser. Ich habe gelesen, dass Schokolade glücklich macht." Sie schob mir den Keks in die Hand, der mit Schokostückchen übersäht war.

"Danke.", sagte ich leise.

"Keine Ursache." Sie lächelte, ehe sie sich wieder den Glacial Drillingen zuwandte. Ihr Lächeln verschwand und zurück blieb eine entschlossene Miene. "Seid ihr bereit?"

Die Drillingen nickten, ihre ernsten Gesichter blickten uns entgegen.

"Lasst uns unsere kleine Schwester zurück holen!", rief Dylan und reckte seine Faust in die Luft. Grace und Imogen ahmten seine Geste nach und ihre drei Fäuste berührten sich in der Luft.

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