Kapitel 28.2 - Lune James

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Der Wald schien kein Ende nehmen zu wollen. Egal, wie lange ich lief. Doch ich machte keine Pause. Ich wusste ja nicht einmal, ob es andere Schulen gab. Aber es musste einfach andere Schulen geben!

Je weiter ich ging, bemerkte ich, dass die Bäume nicht mehr so dicht beieinander standen. Also musste ich bald hier raus sein. Je weiter ich ging, desto dunkler wurde es. Die Bäume, der Boden. Einfach alles. Zudem musste ich feststellen, dass die Bäume wieder dichter beieinander standen. Na super. Ich war irgendwo mitten im Wald, Kilometer von der Stelle entfernt, wo ich mich noch ausgekannt hatte. War ich denn schon so viel gelaufen? Ich konnte es mir kaum vorstellen.

Ich vernahm das Geräusch von Autos. Vielleicht war hier in der Nähe eine Landstraße? Ich lief schneller und vorne, hinter den Bäumen konnte ich tatsächlich so etwas sehen.

Grauer Asphalt, auf dem vereinzelt Autos entlang fuhren. Eine Straße mitten im Nirgendwo. Ein Grinsen stahl sich auf meine Lippen. Ich wusste genau, was ich zu tun hatte. Obwohl, grinsen sollte ich erst einmal lassen, sonst würde man meine Eckzähne noch sehen. Verdammt, war das nervig!

Ich stellte mich mitten auf die Straße, hatte mich bereits auf das nächste Auto fixiert und erhob meine Hand. Der Fahrer hupte laut, er war viel zu schnell, um noch rechtzeitig bremsen zu können. Dich mir war das egal. Seine Bremsen waren nicht von Bedeutung. Ich spürte, wie sich Energie ansammelte und hell flammte ein dunkles Licht auf, das ebenso schnell wie es gekommen war, wieder verschwand. Das Auto blieb plötzlich mit einem Ruck wie von Geisterhand stehen.

Ich konnte die weit aufgerissenen Augen des Fahrers sehen. Er war ganz eindeutig ein Fahranfänger, der wahrscheinlich erst vor kurzem seinen Führerschein bekommen hatte. Aber anstelle langsam zu fahren, bretterte er anscheinend lieber über die Straßen.

Ich schritt auf das Auto zu. Die Beifahrertür sprang wie von Geisterhand auf. Ich setzte mich und schloss die Tür. Der Fahrer regte sich nicht. Er starrte mich einfach aus schreckgeweiteten Augen an. Er war unfähig auch nur die kleinste Bewegung zu machen. Wie vor Schreck erstarrt. Seine Hände umklammerten fest das Lenkrad, sodass seine Knöchel weiß hervortraten.

Kaum zu vernehmen bewegte er seine Lippen, aber das Wort verstand ich klar und deutlich.

"Hexe".

Ich grinste nur kalt, wobei meine Eckzähne kurz aufblitzten. Er erzitterte und seine Augen weiteten sich nur noch mehr.

"Du bist nicht der Erste, der mich so nennt." Meine kalte Hand umfasste seinen Kiefer und ich hob seinen Kopf an, sodass er mir in die Augen sah. Er zuckte vor Angst zusammen, sein Blick fiel auf meine Narbe, die ich leider nicht wegbekommen hatte. Doch sein Blick verharrte nicht lange dort und wanderte wieder zu meinen Augen. Schnell wollte er seinen Blick senken, doch ich ließ ihn nicht. Er wurde panisch, da er seinen Blick nicht von meinen Augen nehmen konnte.

"Keine Sorge.", sagte ich kühl, "Dir wird nichts passieren."

Immer noch hielten ihn meine Augen gefangen, ließen ihn nicht frei. Nun begannen meine Augen beide wie die Sonne persönlich zu glühen. Doch dieses mal glühten sie in ein und der selben Farbe. Nicht in zwei unterschiedlichen Farben.

Er riss entsetzt die Augen noch weiter auf, doch genauso schnell wurde sein Blick wieder leer. Er sacke ein wenig in sich zusammen, wirkte wie eine Marionette, beinahe wie tot. Eindringlich blickte ich in seine leeren Augen.

In meinen Gedanken formten sich Worte. Ein Befehl und er wandte sich wieder dem Lenkrad zu und sein Fuß drückte auf das Gaspedal. Meine Augen glühten unaufhörlich weiter. Das Auto raste über den Asphalt. Ich lehnte mich zurück.

Die Landschaft raste an uns vorbei. Die eingebaute Uhr im Auto zeigte mir an, dass wir bereits seit zwei Stunden unterwegs waren. Irgendwann wurde mir langweilig und ich befahl ihm, Musik einzuschalten. Er schob eine CD ein und die Musik dröhnte laut aus den Boxen. Metal. Der Sänger kreischte schrill in das Auto und der Bass dröhnte. Ich vernahm eine E-Gitarre und ein Schlagzeug.

Ich musste mir mein Lachen verkneifen. Das hatte ich nun nicht erwartet. Doch alles war besser, als diese Stille im Auto.

Wieder versank ich in meinen Gedanken. Das Elementary Internat hatte sich dort befunden, wo man schlecht hinkonnte und wo keine normalen Menschen lebten. Ein sehr einfallsreicher Name übrigens. Aber es war nun einmal das offizielle Elementary Internat. Vielleicht gab es ja auch ein Inoffizielles? Leise lachte ich über meine Gedanken.

Ich widmete mich wieder der Landschaft. Um uns herum war nur Wald. Düsterer Wald. Moment! Da führte ein Weg von der Straße ab! Würde man nur auf das Fahren und auf die Straße achten, würde dieser schmale Weg gar nicht mal wirklich auffallen, da er schon ein wenig versteckt war. Sofort befahl ich meinem Fahrer, dort abzubiegen, was er willenlos befolgte.

Das Auto fuhr holperig über den Weg, Äste schlugen gegen das Metall und hinterließen Kratzer. Das würde ihm nicht gefallen, wenn er wieder zu Besinnung kommen würde.

Der Weg schien endlos zu sein. Scheinbar. Bis er auf einmal breiter wurde und die Bäume einen großen Platz umrandeten. Das Auto hielt mit quietschenden Reifen. Vor uns erhob sich ein großes, düsteres und ziemlich alt aussehendes Schloss. Zwei merkwürdige statuenähnliche Gebilde wirkten wie ein Tor. An einer der beiden Gebilde war ein altes Metallschild angebracht.

Castel Darkstone

Schauerlich erhob sich das Schloss in den Himmel. Für mich wirkte das ... nun ja ... ziemlich verlassen und unbewohnt. Aber vielleicht irrte ich mich. Möglich wäre es.

Ich würde mein Glück versuchen. Aber sollte ich ihn noch hier lassen, oder wieder wegschicken und ihm wieder seinen Willen lassen? Wenn ich hier falsch lag, müsste ich dann ziemlich lange laufen, bis ich wieder an eine Straße kam.

Ich seufzte. Kurz darauf befahl ich ihm, er solle wieder zurückfahren und wieder seinen Willen erhalten, wenn er sich auf einer normalen Straße befand. Ich stieg aus und das Auto schoss davon, wobei es fast einen Baum platt fuhr. Der sollte lieber aufpassen, dass er seinen frisch erhaltenen Führerschein auch behielt.

Ich wandte mich wieder dem Gemäuer zu, atmete einmal tief ein und aus. Jetzt oder nie. Ich schritt auf das düstere Gebäude zu. Irgendwo schrie eine Krähe und flog davon. Ein Rabe hockte auf einem Fenstersims und seine schwarzen Augen schienen mich zu verfolgen. Als ich bei der Tür angelangte, breitete er seine schwarzen Flügel aus und erhob sich mit einem schrillen Schrei in die Höhe. Er drehte eine Runde über den Platz, ehe er in eines der offenen Fenster flog.

Es gab keine Klingel. Stattdessen gab es einen Türklopfer in Form einer Schlange. Ohne zu zögern klopfte ich, trat einen Schritt zurück und wartete. Nichts schien sich hinter der verschlossenen Türe zu rühren. Bis sich die Tür plötzlich von Geisterhand knarrend öffnete. Nun zögerte ich doch, ignorierte es aber und trat dann ein. Die Eingangshalle war groß und dunkel gehalten. Doch von innen sah es um einiges gemütlicher aus, als von außen. Es sah bewohnt aus. In der Ecke stand ein schwarzer Sessel und an der Decke hing ein silberner, großer Kronleuchter. Mehrere Statuen und Vasen standen hier und gerade aus war eine große Treppe zu sehen.

"Willkommen, Fremde.", hallte da auf einmal eine Stimme durch die Halle. Ich zuckte zusammen, doch es war niemand zu sehen. Jemand lachte leise und plötzlich löste sich eine Gestalt aus dem Schatten.

ObscuraWhere stories live. Discover now