Kapitel 70.2 - Vorbereitungen

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Desdemona ging gar nicht darauf ein, sondern wandte sich von Ariadne ab und uns zu. "Während wir weg sind, solltet ihr die anderen Elementary über alles informieren. Und ihr müsst euch vorbereiten.", sagte sie. "Wir können nicht einfach mal spontan einen Kampf mit was weiß ich wie vielen Jäger ausfechten. Wir müssen auf alles vorbereitet sein."
Liam stellte sich neben Desdemona nach vorne. "Außerdem müssen die Jüngeren in Sicherheit gebracht werden. Die werden nämlich ganz sicher nicht mitkämpfen!", sagte er. "Nach Möglichkeit sollten wir auch so viele Eltern wie möglich hier her holen, damit sie uns helfen." Alle Anwesenden nickten. Bis auf Lady Darkstone. Die saß schweigsam und in sich zusammengesunken in ihrem Stuhl. Sie bewegte sich überhaupt nicht. Desdemona entging das nicht. Wütend fuhr sie zu ihrer Tante herum. "Hörst du überhaupt zu?! Du musst zuhören!" Lady Darkstone zuckte zusammen und sah ihre Nichte trüb an.  "Das hier, was wir gerade besprechen und planen, wäre eigentlich deine Aufgabe! Immerhin trägst du in deinem Internat die Verantwortung!", wies sie ihre Tante zornig zurecht. "Und du wirst gefälligst mithelfen! Du wirst alles in deiner Macht stehende tun, um diese Elementary vor dem Tod zu bewahren! Selbst, wenn es über deine Macht hinausgeht, wirst du ihnen helfen! Du wirst dich nicht verkriechen und in Selbstmitleid suhlen!" Desdemona sah abwertend auf ihre Tante herab. "Tu ein einziges mal etwas Nützliches, anstatt nur hohle Reden zu schwingen." Sie wandte sich an die, die hier blieben. "Und ihr behaltet sie im Auge, ja? Wenn sie nicht das tut, was sie tun soll, dann scheut euch bloß nicht davor, sie zurechtzuweisen."
Alle nickten etwas unsicher. Immerhin war Cassandra Darkstone immer noch die Direktorin.

"Gut. Da wir das dann auch geklärt hätten ...", fuhr Desdemona fort. "Hat irgendwer noch weitere Ideen, wie wir uns auf den Angriff der Jäger vorbereiten können?"
Theodor meldete sich zu Wort. "Wir könnten Fallen aufstellen. Solche, wie die, die man für Wildtiere aufstellt.", schlug er vor.
"Das ist zwar vermutlich gar nicht mal so schlecht, aber sie müssen auch halten, wenn die Jäger ihre Kräfte nutzten. Zum Beispiel dürften sie bei Feuer nicht verbrennen oder schmelzen.", gab Will zu Bedenken.
Nachdenklich nickte Theodor. "Ich könnte auch offene Kabel verlegen. Um das ganze Internat herum. Wenn die Jäger ankommen, werden die meisten schon am Anfang gegrillt sein.", sagte er langsam. "Wir müssten nur darauf achten, dass sich kein Schüler in der Nähe der Kabel befindet und sie müssten alle bei mir zusammenführen. Ich müsste sie dann bloß berühren."
Liam schien die Idee zu gefallen, denn er nickte anerkennend. "Das könnte funktionieren.", meinte er. "Wenn es nicht zu gefährlich wäre, würde ich auch Kabel im Internat verlegen lassen."
Ariadne lehnte sich lässig an die Wand und betrachtete uns alle. "Ihr wisst aber schon, dass die Kabel ein wenig weiter weg um das Internat gelegt werden müssen. Immerhin müssen wir sehr wahrscheinlich auch draußen kämpfen, damit die Jäger auf keinen Fall rein kommen können. Und ihr wollt euch ja wohl nicht selbst grillen."
"Das bekommen wir schon hin, danke!", giftete Desdemona und Ariadne verdrehte genervt ihre Augen. Allerdings blieb sie still.

Ich dachte über unser Vorhaben nach. Ich konnte nur hoffen, dass wir tatsächlich rechtzeitig zurück kamen und über alle Fallen informiert werden würden. Und hoffentlich hatte Theodor Recht mit seiner Theorie, dass die Jäger tatsächlich erst in drei Tagen kommen würden und nicht schon früher. Außerdem war bis dahin noch viel zu tun.
Was allerdings sollten wir mit den Jägern im Kerker machen? Und was wäre, wenn diese befreit werden würden? Ich wollte gar nicht weiter darüber nachdenken.

"Gut, ihr bekommt das schon hin!", sagte Desdemona zuversichtlich. "Ich denke, dann werden Mika, Nawin und ich jetzt aufbrechen." Sie wandte sich Nawin und mir fragend zu. Wir beide nickten zustimmend. "Sollten wir nicht noch etwas zu essen für unterwegs mitnehmen?", fragte Nawin, doch Desdemona schüttelte ihren Kopf. "Wieso? Im Notfall kann Mika und doch was besorgen.", meinte Desdemona und grinste mir zu. Ich erwiderte ihr Grinsen. Es war schon Wahnsinn, wie sehr sie mir mittlerweile vertraute. Ganz im Gegensatz zum Anfang unserer Bekanntschaft ...
"Aber vielleicht sollte Mika mal überlegen, ob sie nicht ein unauffälligeres Aussehen auswählt.", warf Ariadne noch ein. "Denn das ist schon ... nun ja."
"Auffallend unauffällig.", meinte Desdemona grinsend. Ariadne seufzte und schüttelte ihren Kopf. "Überleg doch mal was Mika mit Lunes Aussehen wohl schon alles gemacht hat und wie viele Leute dabei gewesen waren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man nach Lune sucht oder eine Anzeige erstellt hat. Was weiß ich.", merkte Ariadne an. Und sie hatte Recht. Schon mehrmals hatte ich die Besitzer von Autos dazu gebracht, mich zu fahren. Und sollten die sich an mich erinnern ... Oder die Sache am Flughafen. Hunderte von Leuten haben zugesehen, wie Liam, Desdemona und ich so einfach durch zum Flugzeug konnten.
Wie auf Knopfdruck veränderte ich mein Aussehen. Schulterlange braune Wellen, gebräunte Haut, braune Augen und weichere Gesichtszüge. Hinzu kam, dass ich ein wenig in die Höhe schoss. "Besser?", fragte ich.
Die anderen starrten mich irritiert an.
"Okay.", meinte Liam. "Das kam jetzt unerwartet. Aber ja. Besser."
Als Antwort warf Will mir seine große Jacke zu. "Zieh die über.", sagte er bloß. "Immerhin brauchst du jetzt einen anderen Kleidungsstil."
"Schließlich wollen wir ja nicht, dass dich wieder ein Jäger anhand deiner Kleidung erkennt.", fügte Ariadne hinzu. Wortlos zog ich Wills Jacke über. Ich wusste zwar, dass sie recht hatte, aber wie sie es sagte gefiel mir nicht.

"Da wir dann wohl los können ...", sagte Desdemona ungeduldig und packte mein Handgelenk. Sie zog mich an den anderen vorbei, zur Tür.
Will hatte bloß noch Zeit mir "Bis bald, Mika! Pass bitte auf dich auf!" hinterherzurufen. Doch ich konnte ihm ansehen, wie gerne er mich noch einmal in den Arm genommen hätte, um mich richtig zu verabschieden. Es gefiel ihm nicht, dass ich mich schon wieder ohne ihn auf eine gefährliche Sache einließ. Aber er wusste, dass er es sowieso nicht ändern konnte.

"Kommt rechtzeitig zurück!", rief Liam uns noch zu und zu Desdemona sagte er: "Mach bloß keinen Unsinn!" Desdemona schnaubte, aber verkniff sich einen bösen Kommentar.

Wir waren schon aus der Tür raus, als eine leise, kaum hörbare Stimme ertönte. "Fabiana wäre stolz auf dich, Desdemona."

Schlagartig blieb Desdemona stehen und drehte sich ruckartig zu ihrer Tante um. "Wage es ja nicht, Mums Namen in den Mund zu nehmen oder auch nur von ihr zu sprechen!", giftete sie. Ihre Augen funkelten gefährlich. Hätte sie mehr Zeit gehabt, hätte sie Lady Darkstone sicherlich wütend angeschrien, doch da dies nicht der Fall war, begnügte Desdemona sich damit, die Tür des Büros laut hinter uns zuzuknallen.

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